Prof. Max Otte: Im DAX ist der Weg nach oben frei
Der renommierte Finanzexperte Prof. Max Otte glaubt an eine Fortsetzung der Aktien-Hausse. Er nennt im Interview interessante Märkte und Branchen und diskutiert Alternativen zu Wertpapieren.
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von Benjamin Summa
Herr Prof. Otte, die Aktienmärkte scheinen die Unsicherheiten wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Schwellenländer und der enttäuschenden Bilanzen einigermaßen verdaut zu haben. Die Allzeithochs von Dax und Dow liegen wieder in Reichweite. Welche Chancen und welche Risiken machen Sie im laufenden Jahr für die Märkte aus?
Prof. Max Otte: Für mich überwiegen die Chancen bei Weitem. Der Weg noch oben ist in Dax und Co. frei. Dafür sorgt vor allem die Liquidität, die in die Märkte gepumpt wird. Korrekturen auf diesem Weg sind nur Ausdruck einer temporären Verunsicherung - aber sicherlich keine Trendwende. Ein handfestes Risiko hängt allerdings schon seit Jahren wie ein Damoklesschwert über den Aktienmärkten: das der Deflation. Im Euroraum ist dieses Gefahrenszenario durchaus realistisch, denn hier fällt die Inflation immer weiter. Die EZB muss sich künftig also neben der Preisstabilität auch um Wachstum und Beschäftigung kümmern. Eine Rücknahme der Liquiditätsschwemme ist vor diesem Hintergrund derzeit undenkbar - das freut die Aktionäre wiederum.
Die Schwellenländer waren jahrelang für Erfolgsstorys gut. Jetzt ziehen Investoren dort extrem viel Kapital ab. Die Folge: Die Währungen kommen in diesen Ländern unter die Räder und die Kapitalflucht nimmt weiter zu. Welche Gefahren sehen Sie hier für die globalen Finanzmärkte?
Die Probleme der Schwellenländer rühren in der Tat von der unilateralen und egoistischen Geldpolitik der USA her. Die Fed will nun, ungeachtet der Verwerfungen in den Schwellenländern, den Märkten weniger Kapital zur Verfügung stellen. Diese langsame Korrektur der expansiven Geldpolitik war für viele Investoren Anlass genug, darüber nachzudenken, ob sich bald anderswo als in den Schwellenländern lukrative Anlagemöglichkeiten ergeben könnten. Sie haben jahrelang von der Geldflut überproportional profitiert, jetzt müssen sie Abflüsse verschmerzen und lernen, ohne diese Unmengen billigen Geldes zu wachsen. Aber die Schwellenländer werden das überleben. Die aufstrebenden Länder stehen, anders als noch 1998, heute viel besser da. Beispielsweise wurde die Staatsverschuldung hier deutlich gesenkt. Die Anleger sollten sich jetzt nicht von Überschriften wie "Krise in den Schwellenländern" verrückt machen lassen.
Welche Länder und Branchen sind für Sie momentan am interessantesten?
Ich möchte damit anfangen, welche Märkte derzeit zu teuer und damit für mich nicht interessant sind: beispielsweise die USA, die Schweiz und Qualitätsaktien wie Beiersdorf, Coca-Cola oder Fielmann. Interessant sind weiterhin die europäische Peripherie und Frankreich. Interessant werden aber auch wieder die Schwellenländer. Im Fonds haben wir jetzt gerade angefangen, größere Positionen aufzubauen, vor allem in Brasilien, Peru, Chile und Südafrika. Ich bin auch ein Fan von Unternehmen wie Microsoft und IBM. Hier wurden milliardenschwere Aktienrückkaufaktionen gefahren, zudem überzeugen die ordentlichen Dividenden und stabilen Geschäftsmodelle.
Versicherungen sind in Europa bereits gut gelaufen, beispielsweise die Allianz und die Münchner Rück. Hier kann man noch zukaufen, aber die Titel scheinen mir weniger attraktiv zu sein als noch vor einem Jahr. Diese Unternehmen haben natürlich ein Wiederanlageproblem durch die hohen Anleihequoten, die sie haben müssen.
Banken in Europa sind nach wie vor ein riskantes Spiel. Wir haben einige Banktitel aus der südeuropäischen Peripherie im Fonds, beispielsweise die portugiesische Banco Espírito Santo. Die Commerzbank ist immer ein riskantes Spiel: Ist ein Zock, den man wagen kann, es bleibt aber ein Zock. Die Deutsche Bank sieht auch wieder attraktiv aus.
Im Bereich Goldminen sind wir derzeit sehr stark investiert. Hier herrscht großer Pessimismus, die Kurse sind im Herbst 2013 noch einmal stark gefallen. Auch Rohstofftitel werden attraktiv. Rio Tinto fährt jedes Jahr die Investitionen um 20 Prozent zurück. Hier rechne ich mit einer Angebotsverknappung. Ein guter Zeitpunkt, um Positionen aufzubauen.
Weiter geht's auf der nächsten Seite mit Fragen zur neuen Fed-Chefin Yellen, wann das Ende der Niedrigzinsphase erwartet wird und wie der Experte weitere Anlageklassen wie Anleihen, Gold und Immobilien sieht.
Was haben die Anleger von der neuen Fed-Chefin Janet Yellen zu erwarten? Kann die US-Notenbank mittelfristig den gordischen Knoten durchschlagen und die extrem lockere Geldpolitik zurückfahren oder bleibt sie Gefangene ihrer eigenen Politik?
In den kommenden zwei, drei Jahren wird die Fed noch Gefangene der eigenen Politik bleiben. Eine Exitstrategie sehe ich jedenfalls nicht. Das Tapering ist lediglich als atmosphärisches Signal zu deuten. Aber eine Umkehr der Politik des billigen Geldes ist das nicht!
Wann kommt Ihrer Meinung nach das Ende der Niedrigzinsphase?
Hier gibt es zwei Szenarien. Das erste: Die Fed und andere westliche Notenbanken werden die Zinsen noch einige Jahre sehr niedrig halten und die Financial Repression besorgt den Rest. Das zweite: Die staatswirtschaftlichen Eingriffe funktionieren nicht mehr und die Zinsen explodieren trotzdem. Wenn Zweiteres einträte, hätten wir ein noch größeres Problem.
Der IWF sieht die Weltwirtschaft auf einem guten Weg. Er rechnet in diesem Jahr mit einem globalen Wachstum von 3,7 Prozent. Sind Sie in dieser Frage ähnlich optimistisch?
Ja, ich bin diesbezüglich durchaus optimistisch. Die maßgeblichen Impulse werden aus den Industrieländern kommen, insbesondere aus den USA und Europa. Ich kann aber auch die allzu kritischen Stimmen in Bezug auf das Wirtschaftswachstum in China nicht so recht nachvollziehen. Das Land hat in den vergangenen Jahren Hervorragendes geleistet - die Wachstumsraten erscheinen im Vergleich zu Industrienationen noch immer beeindruckend. China hat zudem kaum Staatsschulden und riesige Außenhandelsreserven.
Die Frage, ob man Aktien für teuer oder billig hält, ist auch immer eine Frage der Alternativen. Wie bewerten Sie derzeit die Anlageklassen Anleihen, Immobilien und Gold?
Immobilien sind schwierig, denn bei guten Immobilien sind wir hierzulande angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus schon in einer Blasenbildung. Im vergangenen Jahr verteuerten sich nach Berechnungen der Bundesbank Wohnimmobilien in 125 Städten um durchschnittlich 6,25 Prozent. Das ist ordentlich.
Gold ist weiterhin spannend. Wer seine persönliche Anlagequote noch nicht erfüllt hat, sollte den Zeitpunkt relativ günstiger Kurse nutzen. Mein Rat ist, zwischen 10 und 15 Prozent des liquiden Anlagevermögens in Gold zu investieren.
Anleihen sind völlig uninteressant. Die Zinsen werden nicht viel weiter fallen können. In den kommenden Jahren sind also starke Rückgänge bei den Anleihekursen zu erwarten.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München
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Bildquellen: Oliver Schmauch
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