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Merck-Chef Kley: "Wir wären ein attraktives Ziel"

27.05.15 16:00 Uhr

Merck-Chef Kley: "Wir wären ein attraktives Ziel" | finanzen.net

Merck-Vorstand Karl-Ludwig Kley über die Logik des Mischkonzerns, den Umbau der Pharmasparte und die Übernahmejagd in der Branche.

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von S. Bauer und J. Groß, Euro am Sonntag

Beim Besuch in der €uro-am-Sonntag-Redaktion zeigt sich Merck-Vorstandschef Karl- Ludwig Kley gut gelaunt und flexibel: Bevor es um harte Themen wie die Zukunft der Pharmasparte geht, wählt Kley erst mal die passende Krawatte für die Fotos aus. Dann geht der Chef des Darmstädter DAX-Konzerns detailliert auf die Aufgaben ein, die das Unternehmen zu schultern hat, und spricht über Umbau, Übernahmen und die Perspektiven des Konzerns.

€uro am Sonntag: Merck gibt es seit fast 350 Jahren. Sie haben das Unternehmen neu aufgestellt. Was war die größte Herausforderung?
Karl-Ludwig Kley:
Schwer zu sagen, ich führe keine Hitliste. 2006, 2007 haben wir analysiert, ob die Firma zukunfts­fähig ist. Dann folgte eine ganze Reihe von Maßnahmen, wobei Käufe wie Serono und Millipore und Verkäufe wie der unseres Generikageschäfts nach außen am sichtbarsten waren. Das Schöne ist, dass wir mit unseren drei Unternehmensbereichen jetzt da sind, wo wir hinwollten. Der Umbau des Portfolios ist abgeschlossen.

Wo liegen die Synergien von Pharmasparte, Laborbedarf und Spezialchemie - was haben Flüssigkristalle für Fernseher mit Krebsarzneien zu tun?
Alle unsere Geschäfte folgen einer bestimmten Logik: Sie haben mit Innovation zu tun, man braucht Kenntnisse in Chemie, in Physik, in Biologie, in der Medizin. In diesen Kompetenzen liegen auch die Synergien. Ein Beispiel: Bei Brennstoffzellen arbeiten Life Science und unsere Hightech-Materialien Hand in Hand. Außerdem sind alle ­unsere Geschäfte hochmargig, wir sind praktisch überall in ­Nischen unterwegs, und wir haben ein eher begrenztes End­verbrauchergeschäft.

Ist das Sicherheitsbedürfnis der Familie der Grund für die Konglomeratsstruktur?
Ich sehe uns nicht als Konglomerat. Unsere Geschäfte eint, dass sie zwei Megatrends bedienen: Alles, was wir machen, hat entweder mit Gesundheit oder mit Kommunikation, mit Vernetzung, zu tun. Richtig ist, dass die Familie, die 70 Prozent der Anteile hält, eine nachhaltig funktionierende Firma an die nächste Generation übergeben will. Wir gestalten deshalb ein Portfolio, das auch in 30 Jahren lebensfähig ist. Und ohne die Familie gäbe es uns wohl auch gar nicht mehr.

Der Konzern wäre zerschlagen worden?
Merck wäre ein attraktives Übernahmeziel. Die Familie sorgt für Stabilität und dafür, dass sich das Unternehmen nachhaltig entwickeln kann. Aber wir haben auch die freien Aktionäre, die die kurzfristige Performance im Auge haben. Diese Kombination ist das Beste, was einem Unternehmen passieren kann.

Sie haben selbst kräftig zugekauft, zuletzt angekündigt, den US-Laborausrüster Sigma-­Aldrich für 17 Milliarden Dollar zu übernehmen. Wenn der Deal im Sommer abgeschlossen wird, steigen Ihre Schulden abrupt an. Haben Sie dann noch Geld für Käufe?
Unsere Schulden steigen mit Abschluss der Übernahme von null auf etwa 13 Milliarden Euro. In den nächsten Jahren werden wir uns erst mal entschulden. Wir haben dank des guten Cashflows eine hohe Tilgungskraft, es wird keine Kapitalmaßnahmen geben. Zwar gehören hier und da künftig kleinere Akquisitionen weiter zum Geschäftsmodell. Das wichtigste Thema der nächsten Jahre aber ist organisches Wachstum. Die vergangenen zehn Jahre waren in der Geschichte von Merck einmalig und bleiben wohl eine Ausnahme.

Wie stark wird Merck wachsen?
Nicht um zehn Prozent pro Jahr, aber durchaus im mittleren einstelligen Bereich. Bei den Materialien werden wir weiter so zulegen wie in den vergangenen Jahren. Bei Life Science liegt der Fokus darauf, den Zukauf Sigma-­Aldrich abzuschließen und zu integrieren. Das konsumiert zunächst alle Kräfte. Entscheidend für ein höheres organisches Wachstumstempo ist unsere Pharmapipeline. Sie soll der Treiber werden.

Aktionäre warten nur darauf.
Als wir 2011 unser Restrukturierungsprojekt bei Pharma angestoßen haben, sagten wir, dass wir in fünf bis sieben Jahren die Früchte in Form von markt­reifen Produkten ernten wollen. Wir sind jetzt im Jahr 4. Unsere Pipeline sieht ordentlich aus. Ich bin aber angesichts unserer Historie zurückhaltend, etwas Konkretes anzukündigen.

Merck hatte über Jahrzehnte keine erfolgreichen Eigenentwicklungen. Warum halten Sie an der Sparte fest?
Wenn man zweite Liga spielt, dann sollte man in der zweiten Liga bleiben und nicht aufsteigen wollen? Nein, für einen Fußballanhänger ist das keine Per­spektive.

Auch für den Aufsichtsratschef des 1. FC Köln ist das eine Mammutaufgabe.
Gerade das macht ja Spaß. Wir analysierten ab 2007 genau, was uns in Pharma zum Erfolg fehlt. Einiges funktioniert: Unsere Marktpräsenz ist sehr gut. Wir sind in den letzten Jahren ohne Produkteinführung jeweils mit dem Markt oder sogar schneller gewachsen. Wir sind auch in der frühen Forschung gut. In der Entwicklung jedoch, wenn die Wirksamkeit eines Medikaments erstmals belegt werden soll, waren wir nicht gut. Und was uns ganz grundsätzlich fehlte, war eine Präsenz in den USA, war ein Standbein in der Biotechnologie. Das alles haben wir mit der Akquisition von Serono erreicht.

Das hat die Entwicklungs­fehlschläge nicht behoben.
Deshalb organisierten wir ab 2011 den Pharmabereich komplett neu. In der ersten Führungsebene haben wir seitdem vier Fünftel der Leute ausgetauscht. Wir sind besser geworden beim Design klinischer Studien und im Managen unserer Pipeline. Dazu gehört auch, dass wir Projekte mit einer Entschlossenheit beenden, die es vorher nicht gab. Wir sind auf einem guten Weg. Der Deal mit Pfizer in dem noch neuen Feld der Immun-Onkologie (zur gemeinsamen Entwicklung des Krebsmedikaments Avelumab, die Red.) ist der größte dieser Art, der jemals gemacht wurde, das war eine Honorierung von außen.

Die Pharmasparte liegt bei der Ebit-Gewinnmarge unter dem Durchschnitt der Branche. Wann geht es hier aufwärts?
Mein Kollege von Pfizer hat einmal spaßeshalber gesagt, Pfizer würde 130 Prozent seines Gewinns in den USA verdienen. Wir machen ein Fünftel des Umsatzes in Nordamerika. Wenn sie dort 30 bis 40 Prozent ihres Geschäftes machen, dann ist ihre Profitabilität bei Weitem höher. Und Sie können eine Firma, die wie wir hauptsächlich mit älteren Produkten arbeitet, in der Rendite nicht auf eine Stufe stellen mit einer, die alle zwei, drei Jahre etwas Neues entwickelt hat wie Roche.

Anleger haben die Wahl zwischen Merck oder Roche.
Wenn ich Investoren richtig interpretiere, dann hat unsere Pharmapipeline bei vielen zuletzt keine entscheidende Rolle gespielt. Wichtiger waren der Ausbau des Geschäfts mit Hochleistungsmaterialien und der Aufbau des Life-Science-Bereichs. Jetzt kommt die Pharma-Restrukturierung hinzu.

Die Aktie ist zuletzt auch wegen des Sigma-Deals stark gestiegen. Sehen Sie ein Risiko in der anstehenden Integration?
Ich denke, wir haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, unsere Zukäufe nebenwirkungsfrei zu integrieren. Ich habe hier keine Bauchschmerzen.

Dient der Ausbau der Laborausrüstungen mit ihrem starken Cashflow auch dazu, die steigenden Entwicklungskosten bei Pharma zu finanzieren?
Höchstens vorübergehend. So hat Pharma in den letzten Jahren mit seinem guten Cashflow die Akquisitionen in den beiden anderen Bereichen mitfinanziert. Auf Dauer haben wir aber den Anspruch, dass sich jedes Geschäft selbst trägt.

Die Dividendenrendite ist - auch wegen des gestiegenen Aktienkurses - mit gut einem Prozent nicht gerade üppig. Wird es künftig mehr geben?
Wir zahlen jedes Jahr eine Dividende mindestens auf Vorjahreshöhe. Dabei bleibt es.

Investor-Info

Merck KGaA
Zukäufe treiben

Die hohen Forschungsausgaben in der Pharmasparte machen sich bemerkbar: Im ersten Quartal blieb der operative Gewinn mit 853 Millionen Euro hinter den Erwartungen zurück. Die Einnahmen eines der Hauptumsatzträger, des Multiple-Sklerose-Medikaments Rebif, sanken überraschend stark. Der Umsatz stieg um 16 Prozent auf rund drei Milliarden Euro - auch wegen der Übernahme des Spezialchemie-Anbieters AZ Electronics 2014. Die konkrete Jahresprognose: Der Gewinn soll 2015 auf 3,45 bis 3,55 Milliarden Euro steigen, ein Plus von zwei bis fünf Prozent zum Vorjahr. Der Sigma-Aldrich-Deal schiebt Umsatz und Gewinn an. Noch Potenzial.

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Bildquellen: Merck KGaA, 360b / Shutterstock.com

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03.12.2024Merck OverweightJP Morgan Chase & Co.
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18.11.2024Merck OverweightJP Morgan Chase & Co.
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