Fresenius-Chef: "Unser Radar bleibt aktiv"
Der Chef des Gesundheitskonzerns Fresenius, Ulf Schneider, über das Umsatzpotenzial deutscher Kliniken, den Euro als Muntermacher und die Nebenwirkungen des jüngsten Kursschubs der DAX-Aktie.
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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
Um die Mittagszeit geht es in der Fresenius-Zentrale geschäftig zu: Mitarbeiter und Besuchergruppen strömen durch den hellen Glasbau des Gesundheitskonzerns in Bad Homburg. Das Haus mit seinem luftigen Atrium ist gut ausgelastet. "Viel Platz für neue Mitarbeiter gibt es nicht mehr", sagt ein Manager.
Fresenius wächst eben rasch. Unter Chef Ulf Schneider expandierte der DAX-Konzern seit 2003 von sieben auf geschätzte 23 Milliarden Euro Umsatz. Große Übernahmen wie die von 41 Rhön-Kliniken, die gerade in die Konzerntochter Helios umgebettet werden, trugen hierzu bei. Inzwischen beschäftigt Fresenius - samt seiner ebenfalls im DAX notierten Dialysetochter FMC - weltweit fast 215.000 Menschen. €uro am Sonntag traf Schneider, 49, zur Halbzeit der Rhön-Integration und nach einem fulminanten Start der Aktie seit Jahresbeginn.
€uro am Sonntag: Herr Schneider, viele Ihrer Mitarbeiter halten Aktien, der Kurs stieg zuletzt stark. Wie ist die Stimmung im Haus?
Ulf Schneider: Wegen des Kursanstiegs allein ist bei uns kein Stimmungshoch auf den Korridoren ausgebrochen. Das wäre für mich auch ein Warnsignal, denn für uns geht es vor allem darum, gute Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und unsere Marktanteile zu steigern. Der Kurs ist wichtig, aber wir sind nicht die Firma, in der man ständig auf den Kursticker schaut.
Ölpreischaos, Währungsturbulenzen - all das hat der Aktie nicht geschadet. Im Gegenteil, Fresenius gilt als Eurogewinner, da die Dialysetochter FMC und auch die Infusionstochter Kabi große Teile des Geschäfts im Dollarraum machen. Ist das gerade die beste aller Welten für den Konzern?
Ich sehe den Beginn der Finanzkrise 2008 als Anfang einer Phase starker wirtschaftlicher Schwankungen. Jetzt haben wir nach einem turbulenten Jahr 2014 wieder einen sehr bewegten Jahresauftakt gesehen. (Klopft auf den Tisch) Wir sind da bislang ohne Blessuren durchgekommen - toi, toi, toi. Aber wir müssen äußerst wachsam bleiben. Richtig ist, dass wir rund 40 Prozent unserer Erlöse im Dollarraum erzielen. Der schwache Euro gibt uns also Rückenwind. Wir reden hier aber über reine Umrechnungseffekte. Wir produzieren ja vor Ort, sind dadurch auch gegen ungünstige Währungsentwicklungen abgesichert.
Wie stark ist der Euro-Effekt?
Sinkt der Euro in Dollar gerechnet um einen US-Cent im vollen Jahresdurchschnitt, gewinnen wir etwa drei Millionen Euro beim Konzernergebnis hinzu. Läge der durchschnittliche Eurokurs im laufenden Jahr also bei 1,16 Dollar statt bei 1,32 Dollar wie 2014, so ergäben sich rund 50 Millionen Euro zusätzlicher Gewinn für den Konzern. Bei FMC bringt die Euroschwäche einen leicht negativen Effekt: Das Unternehmen bilanziert in Dollar und erzielt weniger als 15 Prozent seines Umsatzes im Euroraum.
Viele Anleger sehen den Gesundheitskonzern Fresenius als defensiven Wert. Ihre Strategie aber ist sehr offensiv: Unter Ihrer Ägide gab es fünf Milliardenzukäufe, zuletzt die der 41 Rhön-Kliniken im vergangenen Jahr. Was ist Fresenius denn nun?
Unser Markt ist defensiv, weil der Bedarf an unseren Produkten weltweit weitgehend unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung wächst. Das liegt an den alternden Bevölkerungen in den Industrieländern und deren wachsenden Qualitätsanforderungen an die medizinische Versorgung sowie dem großen Nachholbedarf in den Schwellenländern. Unser Geschäft entwickeln wir in diesem stabilen, defensiven Umfeld dynamisch. Wir sind kein Langweiler, aber auch kein Konzern, der nur aggressiv mit Zukäufen expandiert. In den vergangenen zehn Jahren ist unser Umsatz im Schnitt um zehn bis elf Prozent pro Jahr gestiegen. Davon waren etwa zwei Drittel organisch, der Rest kam durch Zukäufe obendrauf.
Sind Sie ein Übernahmespezialist?
So würde ich uns nicht bezeichnen. Aber wir haben eine glückliche Hand bei unseren Übernahmen bewiesen, vor allem bei den großen.
Reicht dabei der scharfe Blick durch die Buchhalterbrille?
Man muss die Branche, die Materie sehr genau kennen. Wir achten diszipliniert darauf, dass Firmenkulturen zusammenpassen. Und wir versuchen früh, Konfliktpotenziale zu minimieren. Etwa dadurch, dass wir schon bei den Kaufverhandlungen die künftige Führung festlegen. Was folgt, ist minutiöse Detailarbeit bei der Integration. Man muss vor Ort sein, sich kümmern. Und das Ding dann in aller Ruhe zu Ende bringen.
Wie jetzt bei den Rhön-Kliniken ...
Hier sind wir in der Halbzeit und haben noch ein Jahr Arbeit vor uns.
Der operative Gewinn der Kliniksparte Helios sollte 2014 mit Rhön auf mindestens 540 Millionen Euro ansteigen. Wie lief’s denn?
Wir sind sehr glücklich mit der Übernahme und bei der Integration exakt im Plan.
Der Konzern hat 14 Milliarden Euro Nettoschulden. Sind Sie finanziell schlagkräftig genug für neue Deals?
Schlagkräftig ja, aber unser Appetit auf weitere große Zukäufe hält sich gerade in Grenzen. Die saubere Integration der neuen Kliniken hat jetzt Vorrang.
Wenn Sie das passende Ziel finden, wären Sie bereit?
Wir haben genügend Finanzkraft, um weitere Zukäufe zu stemmen. Und wir müssten auch keine Eigenkapitalmittel aufnehmen. Unsere Verschuldungsrate liegt zwar leicht über unserem Zielbereich. Doch die jüngste Bonitätshochstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor’s zeigt, dass uns der Finanzmarkt hier aufgrund unserer gewonnenen Größe und der stabilen Barmittelzuflüsse mehr Spielraum gibt. Unser Radar bleibt aktiv, aber es steht derzeit nichts Größeres an.
Sind Sie auch auf der Suche nach europäischen Kliniken?
Der Umsatz von deutschen Akutkliniken liegt bei über 85 Milliarden Euro im Jahr - höher als im gesamten weltweiten Dialysemarkt. Wir haben jetzt erst sechs bis sieben Prozent Marktanteil hierzulande. Wir konzentrieren uns auf Deutschland. Hier gibt es genügend Wachstumsmöglichkeiten.
Kann man denn jedes Krankenhaus profitabel machen?
Nein. Häuser mit weniger als 100 bis 200 Betten und 10.000 Fällen pro Jahr betrachten wir mit großer Vorsicht. Es mag stark spezialisierte Ausnahmen geben, aber gewöhnlich steigen mit zunehmender Größe und Spezialisierung die medizinische Qualität und Effizienz.
Die umsatzstärkste Tochter FMC steht in den USA schon länger unter hohem Spardruck. Lässt dieser nach - oder nimmt er wieder zu?
Die Unsicherheit über die Höhe der pauschalen Erstattung pro Dialysefall in den USA, hier erwirtschaftet FMC zwei Drittel des Umsatzes, war 2013 Gift für die Aktie. Inzwischen sind die Kürzungen der Pauschale bis 2017 im Wesentlichen geklärt. FMC passt sich durch entsprechende Sparmaßnahmen an. Der Kostendruck wird allerdings bleiben, weil die Dialyse für das US-Gesundheitssystem eine der teuersten Behandlungen ist.
Was geschieht 2017, wenn die US-Gesundheitsbehörden die Erstattungen neu festlegen?
Wir müssen damit rechnen, dass wir Kostenvorteile und Produktivitätsfortschritte künftig teilen müssen. Das gehört zur Logik der pauschalen Vergütung. Dem müssen wir uns stellen.
Die Gewinnmarge von FMC lag in den Jahren 2012, 2013 und 2014 bei 16, 15 sowie rund 14 Prozent. Geht es weiter abwärts?
Der Trend geht nicht nach Süden. Die Profitabilität wird sich stabilisieren. Die Marge ist ein wunderbares Instrument, um Zeiträume miteinander zu vergleichen. Die Attraktivität eines Geschäfts kann man damit nicht beurteilen. Nehmen sie unsere Projekttochter Vamed mit fünf Prozent operativer Marge: Das klingt spärlich, aber das Geschäft braucht wenig Kapital, kommt so auf eine attraktive Kapitalrendite. Das gilt auch für Dienstleistungen rund um die Dialyse, die wir gerade bei FMC ausbauen.
Auch bei der Infusionstochter Kabi gab’s zuletzt eine Schwächephase, sie ist der größte Gewinnbringer. Der Umsatz stagniert, die Margen sinken - setzt sich das fort?
Bis 2013 profitierte Kabi außergewöhnlich stark von Engpässen bei bestimmten Medikamenten in den USA. Einige Wettbewerber konnten nicht liefern, weil sie ihre Werke auf Druck der Zulassungsbehörde FDA stilllegen oder sogar schließen mussten. 2012 erreichte Kabi dank dieser Sonderkonjunktur ein Margenhoch bei rund 20 Prozent. Die Liefersituation hat sich 2014 wieder entspannt. Zuletzt kam Kabi auf etwa 17 Prozent Marge, das ist sehr solide.
Was wird aus dem Geschäft?
Kabi wird mittelfristig wieder auf einen Wachstumskurs einschwenken. Ich gehe auch davon aus, dass die Marge nicht unter rund 17 Prozent fallen wird.
Sie boten angeblich für die medizinische Spezialnahrung von Danone - ist das Thema noch aktuell?
Wir spekulieren nicht über mögliche Übernahmeziele. Grundsätzlich gilt aber, dass medizinische Ernährung eines der Kerngeschäftsfelder von Kabi ist, das wir bei passenden Gelegenheiten gerne ausbauen werden.
2014 sollte Fresenius 14 bis 16 Prozent Umsatzplus sowie zwei bis fünf Prozent Zuwachs beim Ergebnis erreichen. Steht die Prognose?
Es bleibt dabei, die Prognose steht.
Können Sie das Wachstumstempo 2015 halten - ist beim Ergebnis womöglich sogar etwas mehr drin?
Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren in keinem Jahr Umsatz- oder Ergebnisrückgänge zu verkraften. Es würde mich sehr erstaunen, wenn sich daran etwas ändern sollte. Unser langfristiger Wachstumspfad ist intakt.
Fresenius hat 21-mal in Folge die Dividende erhöht - das ist rühmlich. Die Rendite ist mit rund einem Prozent nicht so berühmt. Wann gibt es einen Zuschlag?
In den vergangenen zehn Jahren waren wir bei der Gesamtrendite - also Dividende plus Kursentwicklung der Aktie - im Schnitt mit rund 20 Prozent pro Jahr ungefähr doppelt so stark wie der DAX. Wir sind eine Wachstumsfirma, wir schaffen mit unseren Investitionen Werte. 20 Prozent Ausschüttungsquote sind da angemessen. Und unsere Aktionäre können sich immer darauf verlassen, dass wir die Dividende entsprechend der Gewinnsteigerung anheben. 2015 sollte so die 22. Steigerung möglich sein.
Investor-Info
Fresenius-Konzern
Größte Tochter FMC
Gut die Hälfte des Konzernumsatzes von 16,7 Milliarden Euro in den ersten neun Monaten 2014 lieferte FMC. An der Dialysetochter hält die Mutter gut 30 Prozent, kontrolliert das Unternehmen als Komplementär der FMC KGaA aber vollständig. Den Großteil des Gewinns von FMC muss Fresenius an die übrigen Aktionäre abgeben. Wichtigster Gewinnbringer ist die Infusionssparte Kabi, die auch die höchsten Margen erzielt. Die Kliniktochter Helios hat Kabi beim Umsatz durch die Rhön-Übernahme überholt. Die Sparte Vamed ist im Projektgeschäft tätig.
Fresenius
Allzweckwaffe
Der Gesundheitskonzern ist breit aufgestellt und gut positioniert. FMC ist Dialyse-Weltmarktführer, Kabi einer der größten Infusionsspezialisten weltweit, Helios inzwischen mit Abstand der größte Klinikbetreiber in Deutschland. Vor allem Helios sorgt derzeit für Umsatzzuwächse. Zum langfristig soliden organischen Wachstum kommen zahlreiche erfolgreiche Akquisitionen. Die Aktie brachte inklusive Dividende in den vergangenen drei Jahren fast 100 Prozent Performance - der DAX etwa 60 Prozent. Der Euro gibt Rückenwind. Top-Langfristinvestment.
FMC
Hoch spezialisiert
Der weltgrößte Dialysekonzern erzielt rund zwei Drittel seines Umsatzes in den USA. FMC bilanziert in Dollar, die Euroschwäche bremst also etwas - rund ein Sechstel des Geschäfts findet im Euroraum statt. Das Wachstumspotenzial in den USA ist begrenzt. Größere Übernahmen sind hier kartellrechtlich nicht mehr möglich. FMC kauft deshalb kleinere Dienstleister rund um die Dialyse - was die Gewinnmarge tendenziell drückt. Das größte Risiko sind weitere Sparmaßnahmen im US-Gesundheitssystem, die 2017 anstehen könnten. Charttechnisch ist das Papier zwar ausgebrochen - dennoch ist die Aktie wegen des höheren Risikos eine Halteposition.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Axel Griesch/Finanzen Verlag
Nachrichten zu Fresenius SE & Co. KGaA (St.)
Analysen zu Fresenius SE & Co. KGaA (St.)
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11.12.2024 | Fresenius SECo Buy | Jefferies & Company Inc. | |
03.12.2024 | Fresenius SECo Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
26.11.2024 | Fresenius SECo Buy | UBS AG | |
21.11.2024 | Fresenius SECo Overweight | Barclays Capital | |
20.11.2024 | Fresenius SECo Kaufen | DZ BANK |
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20.11.2024 | Fresenius SECo Kaufen | DZ BANK |
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08.11.2024 | Fresenius SECo Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
06.11.2024 | Fresenius SECo Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
13.09.2024 | Fresenius SECo Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
31.07.2024 | Fresenius SECo Neutral | Goldman Sachs Group Inc. | |
31.07.2024 | Fresenius SECo Neutral | JP Morgan Chase & Co. |
Datum | Rating | Analyst | |
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02.11.2021 | Fresenius SECo Underperform | Jefferies & Company Inc. | |
30.07.2021 | Fresenius SECo Underperform | Jefferies & Company Inc. | |
23.07.2021 | Fresenius SECo Underperform | Jefferies & Company Inc. | |
17.03.2021 | Fresenius SECo Underperform | Jefferies & Company Inc. | |
23.02.2021 | Fresenius SECo Underperform | Jefferies & Company Inc. |
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