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Dirk Müller: "Ein Crash ist jederzeit möglich"

aktualisiert 04.05.15 13:24 Uhr

Dirk Müller: "Ein Crash ist jederzeit möglich" | finanzen.net

Die Anleger müssen sich in den kommenden Monaten auf sehr heftige Schwankungen einstellen, sagt Mr. DAX im Interview. Sein Credo: Sich gegen starke Kurseinbrüche absichern.

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von Benjamin Summa

Herr Müller, lange Zeit sah es so aus, als könnte der Dax schlechte Nachrichten einfach abschütteln. Im vergangenen Jahr hat er die Ukraine-Krise schnell verdaut, in diesem Jahr die aufgeflammte Diskussion um eine mögliche Pleite Griechenlands. Kürzlich kam es dann aber zu einem deutlichen Rücksetzer, seitdem ist der Dax aus dem Tritt gekommen, gestern verlor er satte 3,2 Prozent. Wie geht es jetzt weiter?
Dirk Müller: Es gibt am Markt einige Gründe für steigende, aber eben auch viele für fallende Kurse. Eine Einschätzung war selten schwieriger. Wir sind schon sehr weit gelaufen, dazu kommen die Griechenland-Angst und die Aktienblase in China. Eine deutliche Korrektur ist aus meiner Sicht wahrscheinlich und auch zwingend notwendig.

Welches ist Ihrer Meinung nach mittelfristig das wahrscheinlichste Börsenszenario?
Die Anleger müssen sich in den kommenden Monaten auf sehr heftige Schwankungen einstellen, ein Crash ist jederzeit möglich. Wir haben innerhalb kürzester Zeit ein Plus von 30 Prozent nach oben gesehen, vor diesem Hintergrund ist es eher wahrscheinlich, dass es auch wieder 20 Prozent nach unten geht - das ist die Definition für einen Crash. Aber auch 30, 40 oder gar 50 Prozent nach unten kann in diesen verrückten Zeiten niemand ausschließen. Wer hier long-only ist, der geht natürlich ein hohes Risiko ein. Andererseits gibt es aber auch wenige Alternativen zu Aktien. Ich bleibe also meiner Strategie treu: in starke Unternehmen investieren und diese Investments gegen allzu starke Kurseinbrüche absichern - damit bin ich gut gefahren, auch während der heißen Phase der Finanzkrise.

Die Kurse sind rasant gestiegen, die Unternehmensgewinne sind da nicht immer mitgekommen. Was erwarten Sie denn von der laufenden Berichtssaison - Rücken- oder Gegenwind?
Die Berichtssaison ist durchwachsen und auch sehr stark von Währungsbewegungen geprägt. Aber nach wie vor finden wir gute Aktien mit fairen Bewertungen - Beispiele im Technologiesegment wären Qualcomm, Apple, Cisco. Auch im Bereich Healthcare sehe ich spannende Unternehmen.

An den meisten Deutschen geht die Entwicklung an der Börse sowieso vorbei: 87 Prozent der Menschen hierzulande besitzen laut Deutschem Aktieninstitut gar keine Anteilsscheine. Wird es hier zu einem Umdenken kommen?
Ich befürchte, dass wir Deutsche an dieser Stelle zu pessimistisch und auch zu ängstlich sind, um eine richtige Aktienkultur entstehen zu lassen, die mit der der Angelsachsen zu vergleichen wäre. Das ist schade, denn alle Untersuchungen zeigen, dass die Aktie die langfristig sinnvollste Investitionsform ist. Die Deutschen geben sehr viel Geld für die Absicherung ihrer Lebensrisiken aus. Den Schmerz über einen zeitweisen Kursverlust sind die Menschen hierzulande mehrheitlich nicht bereit auszuhalten - auf der anderen Seite machen sie sich aber wenige Gedanken darüber, dass sie mit ihren Anlagen in Geldwerte aufgrund der mickrigen Zinsen Jahr für Jahr Kapital verlieren. Ich hoffe sehr, dass bei der jüngeren Generation ein Umdenken stattfindet. Gründe für Aktien gibt es genug: Die Wirtschaft wird sich, wenn auch unter Schwankungen, auch in den kommenden Jahrzehnten immer weiterentwickeln. Wer bei einem Anlagehorizont von fünf, besser zehn Jahren breit streut, kann fast nichts falsch machen. Die guten Unternehmen werfen, auf den Aktienkurs bezogen, noch immer acht bis zehn Prozent Rendite nach Steuern ab. Sich daran zu beteiligen, kann doch nicht falsch sein.

Die meisten Analysten erwarten im Juni oder September eine Zinserhöhung in den USA. Sie auch?
Ich glaube nicht, dass diese Zinserhöhung wie erwartet kommt. Zuerst wurde diese für Anfang 2015 angekündigt, dann hieß es Sommer 2015, anschließend war Herbst im Gespräch und jetzt sind schon erste Stimmen zu vernehmen, die einen Zinsschritt in Washington nicht vor 2016 erwarten. Die amerikanische Wirtschaft ist viel schwächer, als das von vielen vorausgesagt wurde. Die Arbeitsmarktdaten dort sind verzerrt. Auch die fallenden Ölpreise und der immer stärker werdende Dollar werden die US-Wirtschaft zunehmend in die Bredouille bringen. Ich sehe nicht, dass das Land es sich leisten kann, den Dollar gegen den schwachen Euro und die übrigen Weltwährungen noch stärker zu machen und die Wirtschaft mit höheren Zinsen zu belasten. Wenn ein Zinsschritt kommen sollte, dann aus meiner Sicht nur in einem homöopathischen Ausmaß - das wäre dann reine Symbolpolitik.

Seit einigen Monaten können Anleger aus aller Welt ganz einfach im Rahmen des sogenannten "Hongkong Shanghai Stock Connect"-Programms über Broker in Hongkong Aktien in Shanghai kaufen. Nicht wenige Experten warnen vor Exzessen in Chinas Aktienmarkt, während gleichzeitig das Wirtschaftswachstum abnimmt. Wie ist Ihre Lesart in dieser Frage?
In China passiert derzeit das, was wir im Neuen Markt erlebt haben. Anleger zocken wie wild am Aktienmarkt. Jedes Unternehmen, das dort an die Börse geht, startet sofort mit 44 Prozent Kursgewinn - das ist der Maximalwert, der zulässig ist. Eine zusätzliche Gefahr besteht darin, dass die Chinesen ihre Investments auch noch auf Kredit tätigen. Wir sehen eine immense Blasenbildung bei gehypten Unternehmen, mit zweifelhafter Qualität. Der Neue Markt hierzulande ging auch ein paar Jahre gut. Wir dürfen gespannt sein, wie lange die Chinesen durchhalten.

Sie haben kürzlich einen eigenen Aktienfonds aufgelegt. Was unterscheidet diesen von anderen und wie wählen Sie Titel für den Fonds aus?
Mein Aktienfonds steht ganz klassisch in der Tradition von Benjamin Graham und Warren Buffett. Aber wir konzentrieren uns nicht nur auf Value-Unternehmen, die nur stark in der Vergangenheit waren, sondern auch eine gute Wachstumsperspektive haben. Unsere Aktien möchten wir natürlich zu einem guten Kurs einkaufen. Der Wert eines Unternehmens lässt sich sehr gut kalkulieren, beispielsweise über die Cashflows und die prognostizierten Gewinnerwartungen für die kommenden vier bis fünf Jahre. Wenn ich diese Unternehmen an der Börse billiger bekomme, als ihr eigentlicher Wert ist, dann greife ich zu. Gleichzeitig machen wir auch Absicherungen auf den Gesamtmarkt, damit große Kursverluste vermieden werden.

Aber was machen Sie konkret anders?
Wir verzichten zum Beispiel auf die sogenannte Wertpapierleihe. Die allermeisten Fonds verleihen Aktien, die sie für ihre Kunden gekauft haben, auf dem Repo-Markt an solche Menschen, die dann auf fallende Kurse genau dieser Aktien wetten können. Das ist natürlich extrem ärgerlich, weil dadurch die eigene Position und die der Kunden gedrückt werden. Noch gefährlicher wird es, wenn Banken in Schieflage geraten sollten und einige dieser Entleiher vom Markt verschwinden. Von wem bekomme ich dann meine Aktien wieder? Der Fonds hätte dann nicht mehr die ursprünglichen Wertpapiere im Depot, sondern vermeintliche Sicherheiten vom Entleiher - das können aber auch spanische Staatsanleihen sein.
Auch in Bezug auf Transparenz gehen wir neue Wege: Wir legen die komplette Liste unserer Aktien offen, wir informieren die Leute sehr intensiv über unsere Website, die sozialen Medien und über Webinare über unsere Schritte. Einmal im Jahr veranstalten wir zudem ein großes Anlegertreffen.

Wie viel Geld haben Sie zum Start eingesammelt?
Wir sind noch besser gestartet als erwartet: Bereits zum Fondsstart haben wir 25 Millionen Euro direkt von den Anlegern - ohne sogenanntes Seed-Capital - eingesammelt, bis zum Jahresende 2016 wollen wir bei einem Volumen von 100 Millionen Euro stehen. Dann soll auch zum ersten Mal die Managementgebühr gesenkt werden. Auch dieser Ansatz ist relativ neu, ich wüsste nicht, wer das sonst noch so macht. Eine zusätzliche Erfolgsgebühr gibt es selbstverständlich gar nicht.

Themawechsel: Die US-Ratingagentur Standard & Poor´s rechnet für das laufende Jahr mit einem globalen Wachstum von 3,5 Prozent und im kommenden Jahr von 3,9 Prozent. Warum sind Rohstoffe allgemein so schwach, wenn doch die Weltwirtschaft angeblich so brummt?
Das widerspricht sich in der Tat. Ich weiß aber nicht, wo die 3,9 Prozent Wachstum herkommen sollen. Wir sehen beim Öl eine große Schwemme - und auch eine relativ geringe Nachfrage. Und in den BRICS-Staaten - allen voran Russland und China - kühlt sich die Wirtschaft massiv ab. In Europa ist zwar die akute Angst vor einer Rezessionsgefahr etwas in den Hintergrund getreten, aber die Sorgen um die Region bleiben. Aus meiner Sicht ist eine Knappheit an Rohstoffen so schnell nicht zu erwarten.

Weder die Zahlungsprobleme Griechenlands noch der Schwächeanfall des DAX haben dem Goldpreis bislang in höhere Kursregionen verholfen. Wie erklären Sie sich dieses vermeintliche Desinteresse?
Grundsätzlich bin ich ein großer Goldfan - ich befürchte aber, dass es noch mal einen kräftigen Schlag nach unten geben könnte. Erst dann werden die letzten zittrigen Hände aus dem Goldmarkt gespült sein. Gold ist derzeit Spielball der unterschiedlichen Marktinteressen. Der physische Markt ist dabei nicht das Problem, die Goldnachfrage der asiatischen Investoren und Notenbanken ist extrem hoch. Das Problem sind die Papiermärkte: Hier haben große Marktteilnehmer aufgrund ihrer eigenen Positionierung ein Interesse daran, den Goldpreis künstlich niedrig zu halten.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.

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Bildquellen: Dirk Müller

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