"Die Russen leben noch, Herr Steiner. Wie leben Sie damit?"
Der Chef des Kalidünger- und Salzherstellers K+S, Norbert Steiner, über die Folgen des "schwarzen Dienstags" vor fast einem Jahr und die Strategie des DAX-Konzerns.
Werte in diesem Artikel
von Mario Müller-Dofel, €uro Magazin
€uro: Herr Steiner, als die Kali-Welt noch in Ordnung war, sagten Sie einmal, ein normaler Bürotag bei Ihnen dauere von 8 bis 19 Uhr. Hat sich da etwas seit dem "schwarzen Dienstag" im Juli 2013 verändert?
Norbert Steiner: Abgesehen davon, dass für einen Unternehmensvorstand die Arbeit nach dem Bürotag selten beendet ist, gab es nach dem schwarzen Dienstag erst einmal keine normalen Tage mehr. An jenem 30. Juli 2013 hatte der russische Kaliproduzent Uralkali angekündigt, wesentlich mehr Kali in die Märkte zu bringen und einen deutlichen Preisrückgang prognostiziert. Und wenn nach solchen Nachrichten die Wellen an den Märkten hochschlagen, liegt man als betroffener Wettbewerber auch einmal nachts wach und überlegt, wie man das Schiff ruhig und gefasst durch die Turbulenzen steuert.
Ein Analyst sagte über Uralkali: "Ich habe nie zuvor gesehen, dass eine Firma am offenen Markt Selbstmord begeht." Doch die Russen leben noch. Wie leben Sie damit?
Wir kommen damit schon zurecht. Wenn ich mir unsere 2013er-Zahlen anschaue, finde ich, dass wir uns im Markt nicht verstecken müssen. Unser Vorteil: Wir verkaufen nicht nur Standard-Kali, sondern auch Spezialprodukte. Und wir haben mit unserem Salzgeschäft ein starkes zweites Standbein.
Vor fünf, sechs Jahren konnten Sie die Tonne Kali für fast 1000 US-Dollar verkaufen, vor einem Jahr noch für 450 und heute nur noch für 350 bis 300 Dollar - ein Niveau, das Uralkali am schwarzen Dienstag vorausgesagt hatte. Ist die Talsohle erreicht?
Die Märkte sind nach wie vor verunsichert, haben sich aber beruhigt. Wir sehen Anzeichen dafür, dass die Talsohle durchschritten ist, wagen aber keine Prognose für den Rest des Jahres. Die Nachfrage ist aber ordentlich.
Wegen des Preisverfalls haben Sie K+S eine Diät verordnet. Bis Ende 2016 wollen Sie eine halbe Milliarde Euro sparen. Wo genau?
Das ist nicht bloß eine Antwort auf den schwarzen Dienstag. Wir hatten vorher schon begonnen, konzernweit die Effizienz zu steigern, und intensivieren die Maßnahmen jetzt. Vor allem die Arbeitsprozesse wollen wir verbessern. Und wir drehen jeden Euro noch einmal mehr um, ehe wir ihn ausgeben.
Prozessbedingte Effizienzsteigerungen kosten oft Arbeitsplätze.
Das ist nicht auszuschließen, aber Fakt ist: Wir haben jetzt erst mal einen Einstellungsstopp und nutzen die natürliche Fluktuation. Unser Fokus liegt zunächst bei den Sachkosten. Hier sehen wir schon erste Erfolge.
Trotz der schwierigen Lage bauen Sie seit 2012 in der kanadischen Prärieprovinz Saskatchewan eine neue Kalimine. Sind Ihre Startmotive für das teuerste Projekt der Unternehmensgeschichte noch aktuell?
Zunächst kostet Ihre Vision aber hübsche drei Milliarden Euro.
Was Sie Vision nennen, ist für uns real: Deshalb investieren wir - auch wenn die Dinge nach dem schwarzen Dienstag nicht einfacher geworden sind. Wir gehen fest davon aus, das Werk im zweiten Halbjahr 2016 mit zwei Millionen Tonnen Kali Anfangskapazität pro Jahr in Betrieb zu nehmen. Dann sind wir bei neun Millionen Tonnen Gesamtkapazität bei Kali- und Magnesiumprodukten.
Sie brauchen Kalipreise von über 420 Dollar pro Tonne, um die avisierte Prämie von 15 Prozent auf die Kapitalkosten in Kanada zu verdienen. Analysten sind da skeptisch.
Angesichts der aktuellen Preise verstehe ich das. Aber wir brauchen unseren Zielpreis nicht sofort, sondern langfristig. Das Werk wird von Anfang an schwarze Zahlen schreiben, auch wenn der Kalipreis 2016 bei 300 Dollar läge. Wir glauben jedoch nicht, dass er immer auf diesem Niveau verbleibt.
Die kanadische Mine soll auch die K+S-Standorte hierzulande stärken. Wie das?
Weil wir bislang Kali nur in Deutschland fördern, haben wir höhere Kosten als unsere Wettbewerber. Durch das Werk in Kanada werden die Durchschnittskosten im Konzern sinken, was die Wettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Kalisparte stärkt.
Andere große Kaliproduzenten haben sich in Preiskartellen vereint, um ihre Marktmacht zu stärken. Warum hält sich K+S da heraus und schlägt sich alleine durch?
Was in solchen Vertriebskooperationen passieren kann, haben wir gesehen, als Uralkali sich von seinem weißrussischen Partner am schwarzen Dienstag getrennt hat. Jetzt gibt es noch den nordamerikanischen Zusammenschluss, der ausschließlich in Kanada produziertes Kali in Märkte außerhalb Nordamerikas verkauft. Das ist ein closed shop.
Zu dem K+S gehören könnte, wenn die Mine in Kanada läuft?
Unsere Kunden wollen uns so wie wir sind: unabhängig und, Spezialprodukte eingerechnet, mit zehn Prozent Weltmarktanteil trotzdem gewichtig. So fühlen wir uns sehr wohl.
2013 trug Ihre Kalisparte mit zwei Milliarden Euro Umsatz die Hälfte zum Konzernumsatz bei. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen machte mit 553 Millionen Euro 84 Prozent aus. Beide Kennzahlen lagen unter dem Vorjahreswert. Wie wird 2014?
Dieses Jahr erwarten wir niedrigere Durchschnittspreise. Da kann sich jeder ausrechnen, dass der Gewinn von K+S ebenfalls sinken wird. Das ist schon länger klar.
Geht es konkreter?
Konkrete Prognosen für einzelne Sparten veröffentlichen wir nicht. Was ich noch sagen kann, ist, dass die Absatzmengen im ersten Halbjahr zufriedenstellend sind. Die aktuelle Nachfrage übersteigt unsere Kapazitäten.
Die Gesamtabsatzmenge im Weltkalimarkt pendelt seit 2011 zwischen 55 und 60 Millionen Tonnen. Wo ist das Mengenwachstum, von dem Sie immer sprechen?
Es wird kommen, da ist sich alle einig. Wenn die Erde bis 2050 knapp zehn Milliarden Menschen ernähren soll, wird der Menschheit nichts anderes übrig bleiben als zunehmend auch Kalidüngemittel zu nutzen, um die landwirtschaftlichen Erträge zu steigern. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Abnahmemengen vor allem in Asien und Afrika noch weit unter dem dortigen Bedarf liegen. So hat die Chinas Importorganisation einmal gesagt, dass Chinas Landwirtschaft 20 Millionen Tonnen Kalidünger pro Jahr bräuchte, aber nur rund die Hälfte davon bekommt.
Woran liegt das?
Zum Beispiel an verschobenen politischen Entscheidungen, an denen Agrarsubventionen hängen. Und an fehlenden Strukturen.
Ihre zweite Säule neben dem K ist das S, das Salzgeschäft. Hier haben Sie 2009 den US-Wettbewerber Morton Salt für 1,3 Milliarden Euro gekauft. Was hat es gebracht?
Erstens eine wunderbare Balance, weil wir nun in Europa und in vielen Teilen Nordamerikas Auftausalz verkaufen. Das Schöne ist: Selbst wenn wir in Europa mal einen beinahe schneefreien Winter haben wie zuletzt, dann schneit es eben in den USA. Zweitens sind wir in Nordamerika heimisch geworden, wodurch sich uns die Tür zu unserem Minenprojekt in Kanada geöffnet hat. Und drittens erzielen wir Synergien mit der Kalisparte und diversifizieren mit dem Salzgeschäft das Gesamtrisiko. Es leistet einen schönen Gewinnbeitrag, auch wenn dies 2013 den Rückgang beim Kali nicht kompensiert hat.
Ihr Salz macht auch Probleme: Die hessische Landesregierung will, dass K+S eine Pipeline für seine Salzabwässer an die Oberweser oder an die Nordsee baut, statt sie weiter in den Fluss Werra zu kippen.
Wir favorisieren eine lokale Lösung. Das heißt, wir nutzen die Werra und den Untergrund weiterhin als Entsorgungsweg, reduzieren aber die Salzabwassermengen weiter. Zum Gewässerschutz setzen wir derzeit ein Maßnahmenpaket um, in das wir nahezu 400 Millionen Euro investieren. Die Erfolge unserer vielen Umweltschutzanstrengungen sind längst spürbar: In der Werra leben inzwischen sogar wieder empfindliche Fische. Und wir sind natürlich auch nicht die einzigen, die die Gewässerqualität beeinflussen.
Soll heißen, Sie verwehren der hessischen Landesregierung den Pipeline-Wunsch?
Ich habe gesagt, welche Lösung wir favorisieren und gangbar finden. Wir haben, schon aus unternehmerischer Sorgfalt, Genehmigungsverfahren für die Fernleitungen gestartet. Abgesehen von deren Ausgang kann niemand voraussagen, ob eine Fernleitung jemals gebaut werden darf, wenn - was nicht auszuschließen ist - dagegen geklagt wird.
Was würde K+S eine Pipeline kosten?
Die lange Nordsee-Version aus heutiger Sicht bis zu 900 Millionen Euro, die kürzere an die Oberweser rund 400 Millionen. Dazu kämen jährliche Betriebskosten in Millionenhöhe.
Sind Sie genervt ob der jahrelangen Querelen um die Werra?
Nein, die gehören zum Geschäft. Ich fürchte nur, viele Deutsche glauben, wir schweben auf einer Wohlstandswolke, die durch nichts zu gefährden ist. Woher kommt denn die Wertschöpfung, für die Deutschland in aller Welt beneidet wird? Die fängt im Rohstoffsektor an! Es wäre ein Irrtum zu glauben, wenn man vorne an der Wertschöpfungskette ein paar Glieder entfernt, laufen die nachgelagerten Glieder einfach weiter. Ohne Eingriffe in die Natur geht es im Rohstoffsektor nun mal nicht, nirgendwo in der Welt. Auch wenn das so mancher Bürger verdrängt, obwohl er den technischen Fortschritt sehr gerne genießt: Die Politik sollte es wissen.
Ausgewählte Hebelprodukte auf K+S
Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf K+S
Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
---|
Name | Hebel | KO | Emittent |
---|
Weitere K+S News
Bildquellen: K+S
Nachrichten zu K+S AG
Analysen zu K+S AG
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
22.11.2024 | K+S Sell | UBS AG | |
15.11.2024 | K+S Halten | DZ BANK | |
15.11.2024 | K+S Hold | Deutsche Bank AG | |
15.11.2024 | K+S Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
15.11.2024 | K+S Neutral | JP Morgan Chase & Co. |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
15.11.2024 | K+S Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
15.08.2024 | K+S Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
14.08.2024 | K+S Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
14.08.2024 | K+S Add | Baader Bank | |
06.08.2024 | K+S Add | Baader Bank |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
15.11.2024 | K+S Halten | DZ BANK | |
15.11.2024 | K+S Hold | Deutsche Bank AG | |
15.11.2024 | K+S Neutral | JP Morgan Chase & Co. | |
14.11.2024 | K+S Neutral | JP Morgan Chase & Co. | |
14.11.2024 | K+S Hold | Warburg Research |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
22.11.2024 | K+S Sell | UBS AG | |
14.11.2024 | K+S Sell | Baader Bank | |
14.11.2024 | K+S Sell | UBS AG | |
14.11.2024 | K+S Underperform | Jefferies & Company Inc. | |
13.11.2024 | K+S Underperform | Jefferies & Company Inc. |
Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für K+S AG nach folgenden Kriterien zu filtern.
Alle: Alle Empfehlungen