Spahn zu AstraZeneca: Spätere Nachimpfung mit anderem Mittel möglich - Impfstoff wirksamer bei größerem Dosen-Abstand - Ärger in Italien
Nach einer Immunisierung mit dem AstraZeneca-Impfstoff ist laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachimpfung mit einem anderen Wirkstoff denkbar.
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Das sei "problemlos möglich", falls etwa am Ende des Jahres alle Impfwilligen geimpft seien und noch Impfstoff verfügbar sei, sagte der CDU-Politiker am Samstag bei einer Fragerunde mit Bürgern.
Der Präsident des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, schränkte allerdings ein, dass bislang noch nichts darüber bekannt sei, "ob man später dann einen anderen Impfstoff nehmen kann, um nochmal vielleicht in einem Jahr die entsprechende Schutzwirkung zu boosten". Es hätten aber bereits klinische Studien dazu begonnen.
Die Frage nach einer Nachimpfung mit einem anderen Mittel steht im Raum, weil der Wirkstoff von AstraZeneca eine geringere Wirksamkeit hat als die anderen beiden in der EU zugelassenen Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer.
Vor einigen Tagen hatte bereits Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, eine spätere Nachimpfung vorgeschlagen. "Man kann die Immunität, die man mit dem AstraZeneca-Impfstoff ausgelöst hat, ohne Probleme mit einem mRNA-Impfstoff später noch einmal verstärken."
Spahn: 'In echt schwieriger Phase der Pandemie'
Deutschland ist nach Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) momentan in einer "echt schwierigen Phase" der Corona-Pandemie. Bei einer Online-Diskussion zum Thema Impfen sagte der CDU-Politiker am Samstag weiter, alle seien nach zwölf Monaten müde. "Ein Kind, das zehn Jahre alt ist, hat jetzt ein Zehntel seines Lebens in der Pandemie verbracht." Es sei die Erwartung da, dass es mit gesunkenen Zahlen auch wieder ein Stück rausgehe aus den Beschränkungen. Spahn erwähnte zugleich die Mutationen. Es gebe zurzeit viele Themen. Zuversicht gebe aber das Impfen.
Lauterbach: AstraZeneca-Impfstoff für alle drei Prioritätsgruppen
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat gefordert, den AstraZeneca-Impfstoff sofort für alle Impfberechtigten unter 65 Jahren aus den ersten drei vorrangig zu impfenden Gruppen freizugeben. "Es bleibt Impfstoff liegen, weil sich nicht genug Personen aus der ersten Prioritätsgruppe anmelden oder nicht zum Termin erscheinen. Das ist eine absurde und unerträgliche Situation", sagte Lauterbach der "Bild am Sonntag". "Wir sollten beim AstraZeneca-Impfstoff jetzt unbürokratisch die Impfzentren für alle unter 65 Jahren aus den ersten drei Prioritätsgruppen öffnen. Dann könnten wir die Impfzentren endlich voll auslasten."
Bei der Impfreihenfolge in Deutschland sind drei große Gruppen festgelegt: Gruppe eins mit "Höchster Priorität", Gruppe zwei: "Hohe Priorität", und Gruppe drei: "Erhöhte Priorität". Der Impfstoff von AstraZeneca wird in Deutschland zurzeit nur Menschen zwischen 18 und 64 Jahren verabreicht - es fehlen Daten zur Wirkung bei Älteren. Deshalb bekommen die Beschäftigten in Pflegeheimen oder Intensivstationen in dieser Altersgruppe nun vorrangig dieses Vakzin geimpft. Die Vorbehalte gegen das Präparat sind aus Sicht von Wissenschaftlern unbegründet.
AstraZeneca-Impfstoff bei größerem Dosen-Abstand wirksamer
Mindestens zwölf Wochen Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfdosis haben beim Impfstoff von AstraZeneca und der Universität Oxford den Entwicklern zufolge positive Auswirkungen auf dessen Wirksamkeit. "Da die Verfügbarkeit [der Impfstoffe] begrenzt ist, kann die Strategie, zunächst mehr Menschen mit einer Dosis zu impfen, womöglich zu einer größeren Immunität der Bevölkerung führen, als nur die Hälfte der Menschen mit zwei Dosen zu impfen", schrieb der Chef-Entwickler des Impfstoffs, Andrew Pollard, von der Universität Oxford in der Fachzeitschrift "The Lancet".
Die am Freitag veröffentlichten Ergebnisse jüngster klinischer Studien mit mehr als 17 000 Probanden in Großbritannien, Südafrika und Brasilien, aus denen Auszüge zuvor bereits online veröffentlicht worden waren, untermauern die Strategie der britischen Regierung, ein größeres Intervall zwischen erster und zweiter Impfdosis einzuplanen - zumindest für das AstraZeneca-Vakzin.
Bei einem Abstand von mindestens zwölf Wochen zwischen erster und zweiter Dosis wies der Impfstoff demnach eine Wirksamkeit von 81 Prozent auf. Diese lag lediglich bei 55 Prozent, wenn zwischen beiden Dosen nur bis zu sechs Wochen lagen.
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission bislang, bei AstraZeneca die zweite Dosis 9 bis 12 Wochen nach der ersten zu verabreichen.
AstraZeneca sorgt mit weniger Lieferungen in Italien für Ärger
AstraZeneca hat weniger Corona-Impfdosen als vorgesehen nach Italien geliefert und damit Unmut der Politik auf sich gezogen. Die Situation sei "inakzeptabel", sagte der Präsident der wirtschaftsstarken Region Lombardei, Attilio Fontana, am Sonntag im Fernsehen. Italiens neuer Ministerpräsident Mario Draghi solle sich in Europa mehr Gehör verschaffen, um die Impfkampagne zu sichern.
Der Konzern hatte bereits im Januar angekündigt, im ersten Quartal des Jahres weniger Impfdosen nach Italien zu liefern als geplant und geriet damals schon in die Kritik. Wie aus einer Mitteilung des Unternehmens vom Samstagabend hervorgeht, will AstraZeneca nun bis Ende März 4,2 Millionen Dosen liefern. Die Regierung hatte mit acht Millionen Dosen für die ersten drei Monate gerechnet.
Mit einer Lieferung am Freitag bekam Italien nach Angaben des Unternehmens sieben Prozent weniger Ampullen als erwartet. Die zuständige Behörde berichtete nach Informationen der Tageszeitung "La Repubblica", dass die Lieferung 506.000 statt 566.000 Dosen betrug. Das wären sogar über 10 Prozent weniger.
Der Konzern schrieb zur Erläuterung, die Herstellungsprozesse für den Impfstoff seien komplex. Eine Vielzahl von Produktionsfaktoren und Qualitätstests könne bei jeder Lieferung Menge und genauen Termin beeinflussen. In der Vorwoche sei beispielsweise etwas mehr nach Italien geliefert worden als geplant.
/jr/DP/nas
BERLIN (dpa-AFX)
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