Ich bin 29 und setze auf den MSCI World, um eines Tages finanziell frei zu sein - so bewertet ein Experte diese ETF-Strategie
Ein 29-jähriger Anleger setzt auf den MSCI World, um seine finanzielle Freiheit zu erreichen. Doch reicht diese ETF-Strategie wirklich aus?

Daniel Kanzler, Investmentchef bei Gerd Kommer Invest, analysiert das Depot eines Business-Insider-Lesers und bemerkt eine hohe Konzentration im IT-Sektor.
Ein 29-jähriger Anleger verfolgt ein Ziel: Er will die finanzielle Unabhängigkeit ab der Rente erreichen. Und dafür will er kein Investment in Einzelaktien tätigen und setzt nur auf breitgestreute ETFs.
Das Portfolio sei besser diversifiziert als viele Einzelaktiendepots, jedoch fehlen Schwellenländer und eine breitere geografische Streuung.
Ein 29-jähriger Anleger hat ein Ziel: finanzielle Unabhängigkeit im Ruhestand. Statt auf Einzelaktien setzt er ausschließlich auf breit gestreute ETFs, unter anderem auf den MSCI World.
Doch ist sein Depot wirklich optimal aufgestellt? Er hat uns seine gesamte ETF-Auswahl geschickt – und ein Profi hat sie unter die Lupe genommen.
Wenn ihr wissen wollt, wie eure eigene Anlagestrategie abschneidet, erfahrt ihr hier mehr.
Dieses Mal hat sich Daniel Kanzler das Depot angeschaut. Kanzler ist Investmentchef bei Gerd Kommer Invest. Das ist die Vermögensverwaltung des bekannten ETF-Experten Gerd Kommer.
Mit dem MSCI World in die finanzielle Freiheit?
Business Insider: Ist das Portfolio ausreichend über verschiedene Anlageklassen, Sektoren und geografische Regionen diversifiziert?
Daniel Kanzler: „Das Portfolio bildet ausschließlich die Assetklasse Aktien. Dies erscheint wenig verwunderlich, da der Anleger jung ist und einen Anlagehorizont bis zur Rente nennt. Insofern erscheint das passend.“
Aus Sektorsicht ergebe sich eine hohe Konzentration von rund 30 Prozent im IT-Sektor. Dies sei dadurch bedingt, dass der US-Anteil bei mehr als 80 Prozent liegt und in diesem Land besonders viele IT-Unternehmen gelistet seien. „Ebenfalls führen manche der ESG-Ansätze zu höherem IT-Exposure.“
Geografisch fallen dem Experten zwei Dinge auf: „Zum einen beträgt der US-Anteil rund 80 Prozent. Zum anderen werden die Schwellenländer gar nicht berücksichtigt.“
Auf Einzeltitelebene gebe es eine Konzentration in den größten US-Aktien. „Damit sind sowohl die USA übergewichtet als auch die meisten anderen Länder, aber insbesondere die Schwellenländer untergewichtet.“
Außerdem ergebe sich eine Konzentration auf nachhaltigere Aktien. „Diese Entscheidung ist vermutlich bewusst gewählt und muss jeder für sich treffen. Verwunderlich ist allerdings, dass völlig verschiedene und verschieden strenge Nachhaltigkeitsansätze gewählt werden.“
Insgesamt sei das Portfolio jedoch deutlich besser diversifiziert als die meisten Privatanlegerdepots, die in einzelne Aktien investieren.
Business Insider: Welche Stärken hat das Depot?
Kanzler: „Wenn der US-Aktienmarkt und IT-Sektor wie in den letzten rund 15 Jahren weiterhin besonders gut rentieren, könnte die Rendite sehr hoch sein.“

Business Insider: Welche Schwächen hat das Depot?
Kanzler: „Aktuell sind die Bewertungen in diesen Segmenten sehr hoch. Das kommt daher, dass die Kurse stärker gestiegen sind als die Gewinne der Unternehmen. Sobald es zu einer Normalisierung der Bewertungen kommt, wird dies zu einer Unterperformance führen.“
In den 2000er Jahren beispielsweise wäre die Rendite eines solchen Portfolios nahe null gewesen – und das über 10 Jahre. Es könne also sein, dass das Portfolio in einer Phase der Normalisierung – Regression zum Mittelwert genannt – unterperformt. „Solche Phasen können schnell ablaufen, können sich aber auch über mehrere Jahrzehnte ziehen.“
Ein Beispiel hierfür sei der japanische Aktienmarkt. „Japan hatte von ungefähr von 1990 bis 2020 eine Rendite nahe Null. Das lag insbesondere daran, weil es in den zwei Jahrzehnten zuvor astronomische Renditen hatte, allerdings ein Großteil davon auf Bewertungssteigerungen zurückzuführen war.“ Über den Gesamtzeitraum habe Japan eine Rendite, die Nahe am MSCI World war.
Business Insider: Welche Risiken könnten aus den Schwächen entstehen? Und wie kann der Anleger diese abmildern? Welche prozentuale Verteilung der ETFs ergibt Sinn?
Kanzler: „Zum Abmildern der Risiken USA, IT und Megacaps könnte der S&P 500 ESG Leaders veräußert werden oder in einer wenigen drastischen Form nicht weiter bespart werden. Die freien Gelder könnten dann auf die anderen Aktienmärkte außerhalb der USA verteilt werden, also das Gewicht im MSCI World und Europe erhöht werden, sowie zusätzlich Schwellenländer beigemischt werden.“ Eine Aufteilung könne beispielsweise wie folgt aussehen: 0 Prozent S&P 500, 60 Prozent MSCI World, 20 Prozent MSCI Europe und 20 Prozent MSCI EM.
Business Insider: Wie schätzen Sie das Risiko des Depots insgesamt ein?
Kanzler: „Es ist mit den oben beschriebenen Ausnahmen ein diversifiziertes Aktienportfolio. Demnach sei kein Risiko eines vollständigen Verlusts gegeben, jedoch sind die laufenden Schwankungen hoch. „Zwischenzeitliche Verluste bis mehr als 50 Prozent müssen jederzeit in einer heftigen Krise erwartet werden und dann auch verdaut werden können.“
Business Insider: Gibt es Investments, die ergänzt werden sollten?
Kanzler: „Zur Diversifikation innerhalb der Aktien sind das die Schwellenländer. Diese machen rund 10 Prozent des Weltaktienmarkts und 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus.“ Anleger sollten sie deshalb nicht ignorieren. „Wer eine Allokation unter 10 Prozent in den Schwellenländern hat, nimmt eine aktive Untergewichtung vor.“
Business Insider: Gibt es ein Investment in dem Portfolio, welches Sie entfernen würden?
Kanzler: „Im MSCI World sind Stand Anfang 2025 bereits rund 70 Prozent US-Aktien enthalten. Das Gewicht weiter zu erhöhen, gleicht einer gezielten Wette auf die USA.“
Business Insider: Welche 3 Tipps würden Sie dem Anleger geben?
- „Breiter diversifizieren, auch innerhalb der Aktien durch Reduktion des US-Exposures und Hinzunahme von Schwellenländern und anderen Ländern außerhalb der USA“, so Kanzler
- „Der Anleger wählte ETFs mit drei verschiedenen Nachhaltigkeitsansätzen. Es stellt sich die Frage, welcher Ansatz gewünscht ist. SRI ist sehr streng und schließt viele Aktien aus, bei den Leaders ist es etwas weniger stark und beim Screened gibt es nur geringfügige Ausschlüsse. Je nachdem, was dem Anleger wichtig ist, könnte er sich für eine einheitliche Strategie entscheiden.“
- „Eine Strategie treffen und diese langfristig halten.“