Gewinn-Champions: Wo Anleger am meisten verdienen
An der Börse wird die Zukunft gehandelt. Deshalb wagt €uro am Sonntag einen Blick weit nach vorn in das Jahr 2015: Welche Unternehmen mit besonders hohen Gewinnsteigerungen aufwarten könnten.
Werte in diesem Artikel
von S. Parplies und K. Schachinger, Euro am Sonntag
Eine gnadenlose Analyse: "ThyssenKrupp war in vielen Geschäftsfeldern und Funktionen nicht mehr wettbewerbsfähig", konstatierte Konzernchef Heinrich Hiesinger jüngst auf der Hauptversammlung des Stahltitanen. 6,5 Milliarden Euro Verlust hat der DAX-Konzern allein in den vergangenen beiden Jahren aufgetürmt.
Viele Bilanzkennziffern sind noch immer ernüchternd. Trotzdem: Auf dem Weg der Erneuerung habe man viel erreicht, bekräftigt Hiesinger. Seine Vision: Als diversifizierter Industriekonzern soll ThyssenKrupp von globalen Megatrends profitieren. Beispielsweise als Hersteller von energiesparenden Aufzügen und Rolltreppen, die in den wachsenden Großstädten immer wichtiger werden. Das Gewicht des krisenanfälligen Stahlgeschäfts schrumpft derweil. Im vergangenen Jahr machte es nur noch 30 Prozent vom Konzerngesamtumsatz aus.
ThyssenKrupp ist eine der spannendsten Aktien Deutschlands. Kann Hiesinger seine Pläne umsetzen, wird das Unternehmen bald wieder schwarze Zahlen schreiben. Für das laufende Jahr bereits erwarten Analysten mit 36 Cent je Aktie einen Nettogewinn. Im kommenden Jahr soll der Überschuss nach Vorstellung der Börsenprofis auf 1,22 Euro steigen. Das wäre ein Zuwachs von 241 Prozent - und die stärkste Wachstumsrate eines DAX-Konzerns in jenem Jahr.
Auf der Suche nach den Siegern von morgen wagt die Redaktion einen Blick weit in die Zukunft. Ab sofort sind im Kursteil von €uro am Sonntag für die wichtigsten Unternehmen Gewinnschätzungen auch für das Jahr 2015 aufgelistet. Basis sind Aussagen aus dem Management, Hochrechnungen von Analysten und makroökonomische Projektionen von Volkswirten. Bei Daten, die so weit in die Zukunft reichen, ist die Unsicherheit naturgemäß groß. Die Börse aber handelt die Zukunft. Derzeit konzentrieren sich die meisten Anleger auf die Prognosen für 2014. Je weiter aber das Jahr fortschreitet, desto stärker werden die Erwartungen für 2015 die Kurse bewegen. Da kann es nicht schaden, frühzeitig weit nach vorn zu blicken.
Aktien von Unternehmen mit besonders hohen Steigerungsraten (siehe Tabelle unten) bieten große Chancen, sind aber auch entsprechend riskant. Denn die große Prozentzahl kommt meist dadurch zustande, dass der Gewinn zuvor eingebrochen ist. Womöglich sitzen die Probleme auch tiefer, als man es von außen erkennen kann.
Die Prozentprotze aus dem DAX befinden sich allesamt in Umbruchphasen: Deutsche Bank und Commerzbank, denen Analysten unter den DAX-Konzernen besonders deutliche Zuwachsraten zutrauen, kämpfen noch immer mit den Auswirkungen der Finanzkrise. Der Chemiekonzern Lanxess hat zu stark auf Produkte für die Automobilindustrie gesetzt und sucht jetzt nach Auswegen. Die Lufthansa bewegt sich als Fluggesellschaft in einem hart umkämpften Geschäftsfeld.
Hohe Prozente, hohe Risiken
Besonders viele Turnaround-Spekulationen finden sich unter den Nebenwerten. Eine davon ist Koenig & Bauer. Auf dem Papier verspricht die Aktie eindrucksvolle Steigerungsraten. Mehr als 450 Prozent Gewinnwachstum sind im kommenden Jahr möglich. Aber nur, wenn alles reibungslos läuft. Der weltweit zweitgrößte Hersteller von Druckmaschinen ist ein Opfer des Internets. Immer mehr Informationen werden digital verbreitet. Das klassische Printgeschäft schrumpft. Der Weltmarkt für Bogendruckmaschinen hat sich halbiert. Koenig & Bauer hat 2013 rote Zahlen geschrieben. Künftig will sich das Unternehmen stärker auf Wachstumsfelder konzentrieren, etwa die Bedruckung von Verpackungen. Zugleich werden Jobs gestrichen und die Strukturen gestrafft. Das wird nach Einschätzung der Analysten 2015 deutlich in der Bilanz sichtbar.
Auf soliderem Fundament als Turnaround-Kandidaten stehen Unternehmen, die profitabel sind und schon in der Vergangenheit verlässliche Gewinnsteigerungen geliefert haben. Im DAX werden laut der Datenbank von €uro am Sonntag mehr als die Hälfte der Unternehmen ihren Gewinn im laufenden und im kommenden Jahr jeweils zweistellig steigern. Adidas, Bayer, Beiersdorf und SAP haben sich bereits im Geschäftsjahr 2013 zweistellig verbessert. Diese Firmen verbindet ein eher defensives Geschäftsmodell.
Adidas profitiert als Sportartikelhersteller vom steigenden Gesundheitsbewusstsein vieler Menschen. Bayer steigert seine Erträge im Kerngeschäft Pharma mit seiner noch jungen Produktpalette. Beiersdorf bedient als Hersteller von Konsumgütern den täglichen Bedarf und ist daher kaum von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig. SAP wiederum wächst mit der steigenden Bedeutung des Internets für Unternehmenskunden.
In der zweiten Reihe fällt die Airbus Group mit einem stabilen Aufwärtstrend auf. Der Flugzeughersteller profitiert von der großen Nachfrage. Fluggesellschaften modernisieren ihre Flotte, weil neue Maschinen weniger Sprit schlucken und deshalb billiger fliegen. Zugleich steigt mit dem Aufstieg der Schwellenländer die Zahl der Reisenden. Die Auftragsbücher sind gefüllt: 4682 Bestellungen im Wert von knapp 650 Milliarden Dollar muss Airbus noch abarbeiten.
Die Kleinen drehen groß auf
Weiter stabile Wachstumsraten sollte ebenso United Internet liefern. Firmenchef Ralph Dommermuth ist immer kreativ bei der Entwicklung zusätzlicher Einnahmequellen. Das Unternehmen vermarktet unter anderem Internetzugänge, Mobilfunkverträge und ein Konkurrenzprodukt zum elektronischen Brief der Deutschen Post. Unter den kleineren Nebenwerten sticht auch CTS Eventim heraus. Der Ticketvermarkter verkauft Eintrittskarten vor allem über das Internet. Das Wachstumspotenzial ist noch immer groß. CTS dürfte im laufenden Jahr um gut 25 Prozent zulegen, im kommenden Jahr um weitere 15 Prozent. Das rechtfertigt das vergleichsweise hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie. Überdurchschnittliche und nachhaltige Wachstumsraten werden auch für den Anlagen- und Motorenbauer Deutz erwartet.
Insgesamt dürfte die Masse der Unternehmen aus den großen Indizes der DAX-Familie ihre Gewinne im laufenden und kommenden Jahr deutlich verbessern können. Treibende Kraft ist die sich verbessernde Wirtschaftslage in den wichtigsten Absatzregionen. Zusätzlich hebeln bei den meisten Unternehmen Optimierungs- und Sparprogramme die Ertragskraft. Für das laufende Jahr errechnet sich aus unserer Datenbank für die 30 DAX-Konzerne gleichgewichtet ein Gewinnwachstum von durchschnittlich 27 Prozent. Für 2015 ergibt sich auf Basis der Prognosen ein Zuwachs von nochmal 28 Prozent. Bei Nebenwerten, die sich in einem positiven Wirtschaftsumfeld meist besser schlagen als die Großen, sind die Raten oft deutlich höher.
Prognosen auf dem Prüfstand
Wie zuverlässig aber sind Gewinnschätzungen? Derzeit präsentieren die Unternehmen ihre Geschäftsergebnisse für 2013 und geben Prognosen für das neue Jahr. Dabei fällt auf, dass viele Unternehmen eher verhaltene Ziele ausgeben. Das kommt an der Börse nicht gut an. Vor allem Fresenius oder Volkswagen gerieten deutlich unter Druck, weil die Prognosen nicht an die Erwartungen der Analysten heranreichten.
Offenbar wollen die Unternehmen zu Jahresbeginn auf Nummer sicher gehen. Denn: Wer einen vorsichtigen Ausblick gibt, muss sich später nicht vorhalten lassen, zu viel versprochen zu haben. Zudem gibt es gegenwärtig schwer zu kalkulierende Risiken. Exportstarke Unternehmen kämpfen mit Währungsschwankungen. Der erstarkte Euro schrumpft die Erträge in vielen Auslandsmärkten. Als zuverlässiger Wegweiser für Anleger haben sich Stimmungsindikatoren aus der Wirtschaft erwiesen. Sie sind klassische Vorlaufindikatoren, da sie harte Wirtschaftsdaten relativ zuverlässig vorwegnehmen. Diese Indizes basieren auf der Einschätzung von Entscheidungsträgern in den Unternehmen und sind daher nah dran am Geschehen.
Das Münchner Ifo-Institut befragt jeden Monat rund 7.000 Manager deutscher Unternehmen. Deren Signale waren zuletzt ermutigend: Der Index stieg im Februar den vierten Monat in Folge um 0,7 auf 111,3 Punkte. Europaweit ist das Geschäftsklima laut Daten der EU-Kommission sogar zum zehnten Mal in Folge gestiegen, um 0,2 auf 101,2 Punkte. Werte über 100 weisen auf eine wachsende Wirtschaft hin.
Widersprüchliche Signale
Gemischt fällt das Bild in den USA aus: Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe war zu Jahresbeginn deutlich gesunken, erholte sich aber im Februar und liegt damit weiter über der für diesen Index geltenden Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Für China hingegen ist der vom Markit-Institut und der Großbank HSBC berechnete Einkaufsmanagerindex im Februar auf 48,3 Punkte und damit den tiefsten Stand seit sieben Monaten gefallen.
Die Frühindikatoren zeichnen also kein einheitliches Bild, sprechen aber in der Summe für weiter steigende Unternehmensgewinne. Damit rechnen offenbar auch aktive Anleger. Obwohl Analysten ihre Gewinnschätzungen für die DAX-Konzerne seit dem Sommer nach Berechnung der Landesbank Baden-Württemberg um knapp sieben Prozent gekürzt haben, sind die Kurse weiter gestiegen. Das hat den Index teurer gemacht. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX liegt laut Datendienst Bloomberg auf Basis der für das Jahr 2014 erwarteten Gewinne knapp über 13 und damit acht Prozent über dem langjährigen Schnitt. Um den Aufschlag zu rechtfertigen, müssen die Unternehmen ihre Gewinne also spürbar verbessern.
Deutsche Aktien: Die Gewinnsteigerer für 2015 (pdf)
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