GESAMT-ROUNDUP: Neuer Bundestag konstituiert - Klöckner ist Präsidentin

25.03.25 14:42 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - In einer Zeit innerer und äußerer Unsicherheiten hat der 21. Deutsche Bundestag seine Arbeit aufgenommen. Die 630 Abgeordneten kamen 30 Tage nach der Bundestagswahl zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Sie wählten die CDU-Politikerin Julia Klöckner mit großer Mehrheit zur neuen Bundestagspräsidentin. Die 52-Jährige rief in ihrer Antrittsrede das Parlament zu "Anstand" und einem "ordentlichen Umgang miteinander" auf.

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"Den kontroversen Diskurs müssen wir führen, aushalten, ertragen. Nach klaren Regeln und Verfahren und Mehrheiten. Ich werde darauf achten, dass wir ein zivilisiertes Miteinander pflegen", sagte Klöckner. "Es kommt beim Streiten auf den Stil an. Respekt im Umgang miteinander."

Bei der Wahl zur Bundestagspräsidentin entfielen auf Klöckner 382 Ja- und 204 Nein-Stimmen, es gab 31 Enthaltungen und 5 ungültige Stimmen.

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Erst die vierte Frau an der Spitze des Bundestages

Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin ist erst die vierte Frau in diesem Amt, das protokollarisch gleich hinter dem des Bundespräsidenten angesiedelt ist. Vor ihr hatten es von 1972 bis 1976 Annemarie Renger (SPD), von 1988 bis 1998 Rita Süssmuth (CDU) und seit 2021 Bärbel Bas (SPD) inne. Das Vorschlagsrecht dafür hat traditionell die größte Fraktion im Bundestag. Die CDU/CSU-Fraktion hatte Klöckner einstimmig nominiert.

Klöckner ruft zur Änderung des Wahlrechts auf

Klöckner rief dazu auf, das von der Ampel-Koalition 2023 reformierte Wahlrecht nochmals so zu ändern, dass alle direkt gewählten Abgeordneten auch ein Mandat bekommen. Bei der vergangenen Bundestagswahl war dies bei 23 Kandidatinnen und Kandidaten nicht der Fall.

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"Es muss doch möglich sein, das Ziel der Wahlrechtsreform - eine deutliche Verkleinerung des Bundestages - mit einem verständlichen und gerechten Wahlrecht zu verbinden", betonte Klöckner. Das sage sie auch an ihre eigene Fraktion. "Je verständlicher und gerechter ein Wahlsystem empfunden wird, desto größer dessen Akzeptanz in der Bevölkerung."

Die CDU-Politikerin empfahl den Abgeordneten eine "offene Fehlerkultur". Das könne helfen, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen. Klöckner sprach sich für eine Stärkung des Fragerechts im Bundestag aus und rief dazu auf, diesen familienfreundlicher zu machen. Man müsse sich anstrengen, um mehr Frauen in die Politik und in die Parlamente zu bringen.

In Deutschland müsse die Stimmung wieder verbessert werden, sagte Klöckner. "Wir brauchen Optimismus und Zuversicht - dieser Optimismus-Ruck muss wieder durch unser Land gehen."

Alterspräsident Gysi eröffnet die Sitzung

Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung durch den Alterspräsidenten Gregor Gysi. Der Linke-Abgeordnete ist der Politiker mit den meisten Jahren im Parlament.

Die AfD versuchte vergeblich, zur früheren Regelung für die Bestimmung des Alterspräsidenten zurückzukommen. Bis 2017 war dies der oder die älteste Abgeordnete. Das wäre diesmal der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland gewesen. Die Geschäftsordnung war dann dahingehend geändert worden, dass dieses Amt nun an den dienstältesten Abgeordneten geht.

Gysi schlägt Bogen von sicherer Rente bis Donald Trump

Auch Gysi rief die Abgeordneten zu einem respektvollen Umgang miteinander auf. "Ich wünsche unserer Bevölkerung und uns einen lebendigen Bundestag, in dem ohne Beleidigungen, ohne Beschimpfungen, ohne Unfairness durchaus hart gestritten, diskutiert und entschieden wird."

Inhaltlich schlug der Linke-Politiker in seiner fast 40-minütigen Rede einen verwegenen Bogen von sicheren Renten und Steuergerechtigkeit über Gesundheit und Pflege bis hin zum Krieg in der Ukraine und der Politik von US-Präsident Donald Trump. Für mehrere angesprochene Bereiche schlug er das Einsetzen unabhängiger Gremien vor. Außerdem plädierte er dafür, den 8. Mai, an dem Deutschland 1945 durch die Alliierten von der nationalsozialistischen Diktatur befreit worden war, zum bundesweiten gesetzlichen Feiertag zu machen.

Spätestens als der 77-Jährige die fünf verschiedenen Steuersätze für Weihnachtsbäume vortrug, kam Unruhe im voll besetzten Plenarsaal auf. Bei der Union regte sich während und am Ende der Rede keine Hand zum Beifall für Gysi, aber auch bei SPD und Grünen hielt sich die Begeisterung in Grenzen.

Staatssekretärin und Bundesministerin

Klöckner saß schon von 2002 bis 2011 im Bundestag und war seit 2009 auch Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Anschließend wechselte sie in die Landespolitik ihrer Heimat Rheinland-Pfalz und versuchte dort zweimal vergeblich, Ministerpräsidentin zu werden.

Bei der Bundestagswahl 2017 meldete sie sich in Berlin zurück und war dann bis 2021 Bundeslandwirtschaftsministerin im Kabinett der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die gelernte Journalistin gehörte zwischen 2012 und 2022 zur Riege der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden und war bis zu ihrer Nominierung als Bundestagspräsidentin Schatzmeisterin ihrer Partei. Im alten Bundestag war sie wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion.

Leitung der Sitzungen und Vertretung nach außen

Die Aufgaben der Bundestagspräsidentin sind in der Geschäftsordnung genau beschrieben. "Der Präsident vertritt den Bundestag und regelt seine Geschäfte. Er wahrt die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause", heißt es dort unter anderem.

Der Präsidentin stehen das Hausrecht und die Polizeigewalt in allen Gebäuden des Bundestages zu. Sie ist oberste Dienstbehörde für die Beamten der Bundestagsverwaltung und schließt die Verträge ab, die für die Verwaltung besonders wichtig sind.

Neues Amt als Herausforderung

Trotz ihrer langen politischen Erfahrung - das neue Amt dürfte zu einer großen Herausforderung für Klöckner werden. Der Umgangston im Bundestag ist seit dem Einzug der AfD 2017 erheblich rüder geworden, wie alle anderen Fraktionen beklagen. Und im neuen Bundestag hat sich die Fraktionsstärke der AfD verdoppelt - was nicht für ruhigere Zeiten spricht.

Spürbar wurde dies bereits in der konstituierenden Sitzung, als Gysi aus den Reihen der AfD-Fraktion als "Galionsfigur der radikalen Linken" bezeichnet wurde und der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner den anderen Fraktionen entgegen schmetterte: "Sie sind die Vergangenheit des alten, ruinierten Deutschlands, wir sind die Zukunft eines blühenden, blauen Deutschlands."

Auch die Zahl der in der 20. Wahlperiode auf 134 hochgeschnellten Ordnungsrufe verdeutlicht das oft raue Klima. In der 19. Legislaturperiode waren es laut Bundestagsverwaltung nur 49 gewesen. Allein 85 dieser Ordnungsrufe kassierten in den vergangenen drei Jahren Mitglieder der AfD-Fraktion.

Steinmeier entlässt Regierung Scholz

An der Sitzung nahm auf der Gästetribüne auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Da nach dem Grundgesetz mit der Konstituierung eines neuen Bundestages die Amtszeit der Bundesregierung endet, wollte Steinmeier am späten Nachmittag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Kabinett die Entlassungsurkunden überreichen. Sie bleiben aber bis zur Ernennung einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt./sk/DP/mis