Absturz bei Epirus Biopharmaceuticals - Biosimilars-Branche in der Krise
Biosimilars sind Nachahmerprodukte für aufwendig herzustellende biotechnologische Medikamente (die bspw. auf monoklonalen Antikörpern basieren) und sollen dazu beitragen, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.
Die Wachstumsperspektiven sind sehr gut, weil bei einigen Blockbustern der Patentschutz ausläuft.
Die Performance der Biosimilars-Werte, die ich vor gut einem Jahr an dieser Stelle besprochen habe, ist trotzdem schwach bis katastrophal - und zwar durch die Bank. Was ist passiert? Am Beispiel Epirus Pharmaceuticals möchte ich zeigen, wie schnell das Börsenpendel von Euphorie auf Angst ausschlagen kann und was wir als Anleger daraus lernen können.
Wichtigster Medikamentenkandidat von Epirus ist bzw. war BOW015, ein Biosimilar von Remicade, das zum Zeitpunkt des Artikels im GR (18.04.2015) für Indien bereits die Zulassung erhalten hatte. Hauptziel war aber die Zulassung in den USA und Europa, und zwar für möglichst alle Indikationen.
Neben BOW015 gab es noch BOW050, ein Biosimilar für Humira und BOW070, ein Biosimilar für Actemra. Alle drei Kandidaten haben die Hauptindikation Rheumatoide Arthritis (RA). Epirus versuchte so quasi den gesamten RA-Markt abzudecken, um die Chancen auf höhere Marktanteile zu verbessern.
Der Zeitplan sah so aus, dass die Phase III-Studie für BOW015 Ende 2015 oder Anfang 2016 gestartet werden sollte, bei Kosten in der Größenordnung von 50 Millionen US-Dollar.
Die Studienergebnisse sollen dann die Basis für die Zulassungsanträge in den USA und der EU in 2017 sein. Die Zulassung selbst wäre dann optimalerweise in 2018 erfolgt.
Die Risiken für eine Zulassung im Westen schienen durch den Erfolg in Indien noch einmal geringer zu sein als dies bei Biosimilars ohnehin der Fall ist. Desweiteren wollte Epirus in 2015 weitere Lizenzierungspartnerschaften für Europa unter Dach und Fach bringen sowie Zulassungsanträge in weiteren Märkten vorlegen.
In der Tat meldete Epirus am 9.2.2016, dass die Phase III-Studie für BOW015 gestartet wird, und zwar im Rahmen einer 58-wöchigen Studie an verschiedenen Standorten in den USA, Europa und Lateinamerika. Auch die Zulassungsanträge sollten wie geplant 2017 eingereicht werden.
Etwas überraschend war zwar, dass Epirus am 9.September 2015 den Kauf des in Privatbesitz befindlichen niederländischen Unternehmens Bioceros für 14,1 Millionen US-Dollar in Cash bekanntgegeben hat.
Bioceros entwickelt monoklonale Antikörper und ist ebenfalls auf die Entwicklung von Biosimilars spezialisiert. Allerdings befinden sich die drei Kandidaten noch alle in der präklinischen, also sehr frühen, Entwicklungsphase. Es handelt sich dabei um BOW080 (Biosimilar zu Alexions Soliris), BOW 090 (Biosimilar zu Johnson & Johnson´s Stelara) und BOW100 (Biosimilar zu Johnson & Johnson´s Simponi).
Erklärt wurde die Übernahme mit einer notwendigen Verbreiterung der Pipeline an Biosimilars und mit Bioceros hatte man bereits zuvor zusammengearbeitet. Soliris, Stelara und Simponi sind Medikamente gegen sehr selten vorkommende Krankheiten, wobei die beiden letzteren aber auch im Bereich von Autoimmun-/entzündlichen Erkrankungen angesiedelt sind, insofern also schon zum Fokus von Epirus passen. Zacks Small Cap Research winkte den Deal als positiv durch und behielt das kurz zuvor erhöhte Kursziel von 15 US-Dollar bei.
Noch am 15.März 2016 meldete Epirus im Zuge der Bekanntgabe der 2015er-Zahlen, man sei "off to a strong start in 2016", bezog sich nochmal auf den Start der Phase III-Studie für BOW015 und berichtete von neuen Zulassungsanträgen für das Medikament in südostasiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Auch hinsichtlich BOW050 vermittelte man den Eindruck, alles liefe glatt. Man bereite auch hier eine globale Phase 3-Studie vor.
Aufgelaufen waren in 2015 unterdessen Verluste von 52,2 Millionen US-Dollar, was aber so in etwa geplant war. Der Cashbestand war auf 31,5 Millionen US-Dollar gesunken.
Auch in der zugehörigen Analystenkonferenz gab es überwiegend positive Statements. Die niedrigen Umsätze mit BOW015 wurde von einem Analysten kritisch hinterfragt. CEO Amit Munshi erklärte, der Markt dort sei halt noch sehr klein und man leiste hier auch Vorarbeit, in dem man Praxisergebnisse sammle für die wichtigeren Zulassungsentscheidungen in den USA und Europa.
Angesprochen auf den Abschluss der wichtigen und für die weitere Finanzierung notwendigen Partnerschaft für den US-Markt, antwortete Munshi eher vage, das sei von verschiedenen Parametern abhängig und erläuterte, was für eine Art von Partner man suchen und dass man dabei möglichst günstige Konditionen für Epirus rausschlagen möchte.
Vor allem aber sprach er davon, dass man "eine ganze Palette an Optionen eruiere und man das einzige "unbelastete" Infliximab (Remicade)-Programm am Start habe, das nicht abgesondert innerhalb einer großen Firma sei. Und insofern "ist, wie sie sich vorstellen können, beträchtliches Interesse an uns vorhanden".
Unter dem Strich klang auch diese Aussage positiv und optimistisch, wenn auch relativ vage. Alles schien im Großen und Ganzen nach Plan zu laufen.
Aussagen wie "Die Entscheidung, die wir hier treffen, ist absolut kritisch für den langfristigen Erfolg und sogar für die kurzfristige Cashburn-Rate (also wieviel Cash man verbrennen kann bzw. darf)" und "Deshalb gehen wir das methodisch und vorsichtig an" sind im Nachhinein in einem anderen Licht zu sehen. Ein Warnsignal war im Nachhinein auch, dass der Aktienkurs inzwischen schon unter 3,00 US-Dollar gefallen war.
Die Schockmeldung
Diesen Montag folgte dann für die Aktionäre die Schockmeldung:
Man verlagere den Fokus der Pipeline auf BOW080 (also auf einen der Medikamentenkandidaten in der frühen Entwicklungsphase, den man erst vergangenen Herbst durch die Übernahme von Bioceros erworben hatte) sowie BOW070 und suspendiere die Weiterentwicklung von BOW015. Das BOW015-Programm wolle man rationalisieren, was mögliche Partnerschaften, Verkäufe oder andere Alternativen beinhalte.
Gleichzeitig werde die Belegschaft um 40 Prozent abgebaut, CEO Amit Munshi trat mit sofortiger Wirkung zurück und wurde durch das Aufsichtsratsmitglied Scott Rocklage, einem ehemaligen CEO von Cubist Pharmaceuticals, ersetzt.
Die Aktie verlor darauf hin nochmals über 50 Prozent und notiert aktuell nur noch bei 0,78 US-Dollar.
Wie fast immer folgte die Abstufung der Analysten erst hinterher. Wedbush reduzierte nun das Kursziel von 11 auf 2 US-Dollar und die Einschätzung auf "neutral". Selbst diese 2 US-Dollar erscheinen noch optimistisch, weil man die zu erwartenden Spitzen-Lizenzumsätze für BOW15 nur um 35 Prozent reduziert hat und die für BOW070 und BOW080 um 45 Prozent, letztere auf Grund der frühen Entwicklungsphase. Das leuchtet nicht ein, denn die frühe Entwicklungsphase war ja vorher auch schon bekannt und nun will man ja gerade die Entwicklung dieser beiden Kandidaten beschleunigen.
Stattdessen rechnen die Experten nun allen Ernstes mit Spitzen-Lizenzumsätzen für BOW070 und BOW080 von 177,9 Millionen bzw. 77,5 Millionen US-Dollar für das Jahr 2024(!). Zur Entscheidung, die Entwicklung von BOW015 abzubrechen, gibt es keinen Kommentar.
Was ist nun tatsächlich Sache? Im Prinzip ist es ganz simpel: Epirus schafft es nicht mehr, neue Geldgeber zu rekrutieren. Der operative Vorstand (COO) Michael Wyand spricht in einem Interview mit Bioworld.com von einer "Kontraktion der Kapitalmärkte".
Speziell im Biotech-Sektor gab es zuletzt zwar in der Tat auch bei Blue Chips starke Kursrückgänge. Dass aber ausgerechnet Epirus keine Kapitalgeber mehr findet, dürfte auch damit zusammenhängen, dass speziell bei Biosimilars der anfänglichen Euphorie eine deutliche Ernüchterung gefolgt ist.
Die nur marginalen Umsätze mit BOW015 in Indien dürften dazu beigetragen haben, aber wohl auch die Wahrnehmung, dass es bei Biosimilars zu einem erbitterten Preiskampf kommen könnte (weil eben viele verschiedene Pharma- und Biotechfirmen an Biosimilars für die Blockbuster-Medikamente arbeiten, bei denen der Patentschutz in Kürze auslaufen wird). Die bisherigen Patentinhaber dürfen zudem versuchen, ihre Haut mit Klagen gegen die neue Konkurrenz zu retten oder sich zumindest möglichst teuer zu verkaufen.
Noch ist zudem nicht ganz klar, wie die FDA den Biosimilars gegenüber stehen wird. Zwar gibt es in den USA inzwischen zwei Zulassungen, die Hoffnung machen, aber eine gewisse Unsicherheit bleibt.
MEIN FAZIT:
Epirus hat sich mit dem Ziel, an die ganz großen Fleischtöpfe zu kommen schlicht übernommen und dabei große Summen an Cash verbrannt. Die Strategie als Quasi-Start-up-Unternehmen gegen große etablierte Player wie Amgen, Pfizer oder wesentlich finanzstärkere Biosimiliarspezialisten wie Celltrion oder Samsung Biologics anzutreten, ist - trotz durchaus vorhandener operativer Erfolge - nicht aufgegangen. Nun zieht sich Epirus in die Nische zurück, wo die klinischen Studien wesentlich günstiger, weil weniger umfangreich und einfacher sind.
Der bisherige CEO Amit Munshi zieht nahtlos einfach zum nächsten Arbeitgeber weiter (Arena Pharmaceuticals). Der Verdacht liegt nahe, dass Munshi bereits im Herbst letzten Jahres geahnt hat, dass der Markt zunehmend schwieriger werden würde und man deshalb die Bioceros-Übernahme getätigt hat, um nach dem Ende von BOW015 und BOW50 überhaupt eine nennenswerte Pipeline in der Hinterhand zu haben.
Was die Zukunft von Epirus selbst betrifft, hängt nun viel davon ab, ob und zu welchen Konditionen neue Investoren gefunden werden und ob es gelingt, BOW015 eventuell zu einem akzeptablen Preis zu verkaufen.
Hier regiert das Prinzip Hoffnung und die ist schon einmal enttäuscht worden. Denn Epirus war via Reverse Merger mit der gescheiterten Zalicus an die Börse gekommen und ließ die damals schon arg geschröpften Zalicus-Aktionäre wieder hoffen. Der Langfrist-Chart zeigt wie verheerend sich die Aktie seit 2006 entwickelt hat.
Wer seither dabei ist, sitzt de facto auf einem Totalverlust und hatte das zweifelhafte Vergnügen mit einer Aktie gleich zwei Firmen scheitern zu sehen.
Insgesamt hat sich die Stimmung in der Biosimilars-Branche dramatisch verschlechtert. Auch andere Branchenvertreter wie Coherus, Pfenex und die deutschen Formycon sowie amp biosimilars haben deutlich verloren. Hier eine Übersicht:
Falls Sie in einem Werte investiert sind, sollten sie kritisch prüfen, ob Sie die Risiken beim Kauf angemessen berücksichtigt haben und ob nicht einem der obigen Werte ein ähnliches Schicksal wie Epirus drohen könnte.
Grundsätzlich gilt: Seien Sie sich bewusst, dass Investments in Biotechfirmen letztlich einer Lotterie ähnlich sind. Wenige gewinnen, die meisten verlieren und nur ganz wenige knacken den Jackpot. Lesen Sie hierzu auch meinen GR-Artikel vom 24.10.2015.
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Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.