Unterhaus stimmt über Brexit-Vertrag ab
Die Chancen für eine Annahme des umstrittenen Brexit-Vertrags im britischen Parlament stehen schlecht.
Am Tag des ursprünglich geplanten EU-Austritts wollen die Abgeordneten über den zwischen Premierministerin Theresa May und Brüssel ausgehandelten Vertrag abstimmen. Auch während der Debatte im Unterhaus am Freitag zeichnete sich kein Durchbruch ab. Wird der Vertrag abgelehnt, droht ein chaotisches Ausscheiden Großbritanniens aus der EU zum 12. April oder eine lange Verschiebung des Brexits mit Teilnahme des Landes an der Europawahl Ende Mai.
Doch selbst wenn die Abgeordneten dem Austrittsvertrag zustimmen sollten, könnte das Abkommen noch nicht in Kraft treten. Nach dem britischen EU-Austrittsgesetz muss das Parlament beide Teile des Brexit-Deals absegnen. Dazu gehört auch die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen, die dieses Mal nicht zur Abstimmung steht.
Die Regierungschefin hatte bereits ihren Rücktritt angeboten, sollte das Abkommen im Parlament in London doch noch eine Mehrheit finden.
Ursprünglich wollte sich Großbritannien am 29. März von der Europäischen Union trennen. Doch dieser Termin war nicht mehr einzuhalten. Das Parlament ist im Brexit-Kurs völlig zerstritten. Erst am Mittwoch hatte das Unterhaus acht Alternativvorschläge zum Abkommen abgelehnt.
Die nordirische Partei DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, wollte nicht für den Vertrag stimmen. Auch die größte Oppositionspartei Labour lehnt ihn ab: Sie bezeichnete das Vorgehen der Regierung als "Brexit im Blindflug".
Erwartet wird zwar, dass einige Brexit-Hardliner angesichts des Zeitdrucks Mays Deal doch noch in letzter Minute stützen - ob das allerdings reichen wird, ist äußerst fraglich. Unterstützung bekam die Regierungschefin ausgerechnet von ihrem Widersacher Boris Johnson, dem Ambitionen auf ihr Amt nachgesagt werden.
Der frühere Außenminister deutete seine Unterstützung für den Vertrag an. "Es ist sehr schmerzhaft, für diesen Deal zu stimmen", schrieb Johnson im Kurznachrichtendienst Twitter. Er setze aber nun darauf, dass man zusammenarbeite, um die Mängel daran zu beheben und den Brexit umzusetzen, für den die Briten gestimmt hätten.
Handelsminister Liam Fox warnte in einem BBC-Interview davor, dass die Wähler sich betrogen fühlen könnten, wenn der Vertrag durchfalle. Fox sieht sogar die "politischen Strukturen" des Landes in Gefahr.
Auch EU-Unterhändler Michel Barnier unterstrich die Bedeutung der Abstimmung: "Wichtiger Tag heute im Unterhaus", schrieb Barnier am Freitag auf Twitter. Werde der Austrittsvertrag gebilligt, sichere dies Großbritannien eine Verschiebung des EU-Austritts bis zum 22. Mai. Ende dieser Sitzungswoche läuft eine von der EU gesetzte Frist ab, bis zu der in London zumindest der Brexit-Vertrag gebilligt sein muss.
Barnier hatte Vertretern der 27 bleibenden EU-Staaten am Donnerstag noch einmal drastisch die Konsequenzen der Entscheidung im Unterhaus aufgezeigt: Sollte das Austrittsabkommen wieder durchfallen, blieben nur noch die Optionen eines ungeregelten Brexits oder eines langen Aufschubs mit Teilnahme der Briten an der Europawahl Ende Mai. Entsprechende Informationen der BBC aus einer Sitzung der EU-Botschafter wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Das Unterhaus hatte den Deal, den May mit der EU ausgehandelt hatte, als Ganzes zuvor bereits zweimal abgelehnt. Eine dritte Abstimmung hatte Parlamentspräsident John Bercow kürzlich verhindert. Er berief sich auf eine 415 Jahre alte Regel, wonach ein und dieselbe Vorlage nicht beliebig oft zur Abstimmung gestellt werden kann.
Um die dritte Abstimmung nun zu ermöglichen, wandte May einen Trick an: Das Vertragspaket zum EU-Austritt wurde in zwei Teile zerlegt. Die Abgeordneten werden am Nachmittag nur über den Vertrag zum Austritt, nicht aber über die Politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen abstimmen. Bercow hatte dieses Vorgehen akzeptiert.
Der Brexit-Vertrag regelt nur den Austritt Großbritanniens aus der EU. Er ist ein internationales Abkommen. Die künftigen Beziehungen sollen dagegen rechtsverbindlich erst nach dem Brexit-Tag festgeschrieben werden, in der etwa zweijährigen Übergangsphase. Die Politische Erklärung ist ein Leitfaden dafür.
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LONDON (dpa-AFX)
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