Exklusiv-Interview

Wie überrascht sind Sie von der Rally in DAX und Dow, Folker Hellmeyer?

22.12.16 03:00 Uhr

Wie überrascht sind Sie von der Rally in DAX und Dow, Folker Hellmeyer? | finanzen.net

Der Chefanalyst der Bremer Landesbank über Risiken an den Aktienmärkten, den Ölpreis, die Notenbankpolitik und Gold.

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von Benjamin Summa

Herr Hellmeyer, Dax, Dow und Co. sind nach der Trump-Wahl im Rallye-Modus. Wie sehr hat Sie diese Entwicklung überrascht?
Für den DAX war ich auch vor der US-Wahl zuversichtlich, weil er in Bezug auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis historisch unterbewertet war, zudem gab es eine hohe Dividendenrendite von 3,2 Prozent zu dieser Zeit. Insofern ist die DAX-Entwicklung nach der Trump-Wahl für mich nicht überraschend. Die Rallye der US-Börsen kam hingegen schon überraschend, weil das gesamte US-Establishment und die Wall Street im Vorfeld erklärte Trump-Gegner waren. Sie haben dann einfach eine Kehrtwende gemacht. Jetzt haben wir im S&P, Nasdaq und Dow Jones im historischen Kontext eine drastische Überbewertung.

Welche Chancen und welche Risiken machen Sie in den kommenden Monaten konkret für die Aktienmärkte aus?
Für mich ist das aktuell überkaufte Niveau an den Aktienmärkten sicherlich ein Risiko, das auch für Rücksetzer sorgen wird. Aber ich bin für das kommende Jahr sehr zuversichtlich, dass wir im DAX historische Höchstmarken sehen werden. Ich erwarte 2017 in der Eurozone ein Wachstum von mindestens 1,7 Prozent - ich schließe zwei Prozent für die Eurozone und Deutschland nicht aus. Zudem wird meines Erachtens die Weltwirtschaft stabiler laufen, auch hier dürften wir mit einem Wachstum von mindestens 3,6 Prozent am obersten Ende landen. Dementsprechend gibt es mehr Skaleneffekte und Gewinnpotenziale für die Unternehmen.
Das größte Risiko bleibt für mich hingegen die Geopolitik. Wenn Donald Trump wirklich das liefern sollte, was er versprochen hat - nämlich ein Ende der Regime-Change-Politik und eine Befriedung der Welt -, dann ist eine Friedens- und Wachstumsdividende zu erwarten. Sollte aber, aus welchen Gründen auch immer, diese Konstellation nicht eintreten und die neokonservativen Kräfte in den USA wieder die Oberhand gewinnen, dann bleiben die geopolitischen Risiken ein schwerer Belastungsfaktor für die Weltwirtschaft und damit für die Aktienmärkte.

Die kürzlich erfolgte Leitzinserhöhung der US-Notenbank war am Markt eingepreist. Ist Ihrer Meinung nach damit auch eine echt Zinswende eingeläutet?
Ja, nominal ist diese nun eingeläutet, weil das Thema "niedrige Inflationsraten" vorbei ist. Dieses war ohnehin ausschließlich durch die Rohstoff-Baisse induziert. Durch die geplanten Infrastrukturprojekte in den Emerging Markets und den USA sowie dem EU-Juncker-Plan werden wir rohstoffseitig in inflationäres Fahrwasser kommen. Darauf werden die Zentralbanken reagieren müssen. Ich schließe eine Zinserhöhung zum Ende des kommenden Jahres durch die EZB nicht aus.

Mit der strafferen Geldpolitik sorgt Janet Yellen dafür, dass der Dollar weiter Auftrieb erhält. Das bedeutet auch, dass es zu Kapitalabflüssen aus den Emerging Markets kommt. Wie gefährlich ist der starke Dollar also für eine globalisierte Wirtschaft?
Er ist heutzutage weitaus weniger gefährlich, als das vor 20 Jahren der Fall war. In den aufstrebenden Ländern haben wir ein sogenanntes Deleveraging gesehen, ein Teil der Dollarkredite ist also abgebaut worden. In Russland ist dies sogar stark forciert worden. Auch ein zweiter Aspekt ist zu nennen: Heute haben wir eine sehr kommode Situation bei den Devisenreserven in den Emerging Markets. Dort werden mittlerweile 70 Prozent aller Devisenreserven weltweit kontrolliert. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Risiken als überschaubar an.
Eine andere Frage muss aber gestellt werden: Kann ein immer stärker werdender US-Dollar im Interesse einer Trump-Administration sein? Denn ein fester Dollar führt zu einem verstärkten Importsog und erschwert deutlich die Exporte. Auf Dauer wird die momentane Dollar-Stärke aus meiner Sicht nicht trendfähig sein.

Die Opec und die nicht zu ihr gehörenden Förderländer haben sich geeinigt, die Produktion zu reduzieren. Dadurch soll der Ölpreis steigen. Wird das gelingen?
Das Vorhaben der OPEC wird sicherlich Auswirkungen auf den Ölpreis haben. Weitaus mehr wird sich aber die veränderte Nachfrage angesichts des erhöhten Tempos in der Weltwirtschaft auswirken. Für das kommende Jahr erwarte ich Ölpreise zwischen 45 und 65 Dollar pro Barrel. Sobald wir bei über 50 Dollar stehen, macht auch das US-Fracking wieder Sinn. Damit wird die Angebotsseite üppiger und das nimmt Fantasien über 65 Dollar hinaus.

Die Zinserhöhung der Fed hat den Goldpreis in den Keller geschickt. Statt einer Risikoaversion herrscht derzeit rund um den Globus eher ein Risikoappetit, was dem gelben Edelmetall gar nicht gut bekommt. Wie bewerten Sie derzeit das Edelmetall?
Ich bin auch etwas verkühlt angesichts der schlechten Performance des Goldpreises. Für mich ist diese Korrektur aber übertrieben und nur temporärer Natur. Ich sehe uns in einem mittelfristigen Aufwärtstrend, der weiterhin intakt ist. Ich will nicht ausschließen, dass wir noch mal unter die 1.100 Dollar rutschen können. Aber die Korrektur ist meiner Einschätzung nach nicht trendfähig.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.

Bildquellen: Chefvolkswirt der Bremer Landesbank