Exklusiv-Interview

Kommt jetzt der Crash, Robert Halver?

05.04.17 22:28 Uhr

Kommt jetzt der Crash, Robert Halver? | finanzen.net

Der Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, Robert Halver, spricht im Interview über Trump, die Fed, Gold und den Ölpreis.

Werte in diesem Artikel
Rohstoffe

2.708,90 USD 0,00 USD 0,00%

Devisen

1,0417 USD -0,0059 USD -0,56%

0,9596 EUR 0,0000 EUR 0,00%

von Benjamin Summa

Herr Halver, die Wall Street lahmt seit Tagen, auch im DAX ist der Rückenwind deutlich abgeflaut. Ist die Trump-Rally schon vorbei?
Der ungestüme Drang nach oben hat sich erst mal beruhigt. Denn Trumps vollmundigen wirtschaftspolitischen Wahlversprechen müssen jetzt Taten folgen. Offenbar ist selbst der republikanisch dominierte US-Kongress nicht bereit, einfach so nach Trumps Pfeife zu tanzen, siehe Obamacare. Ist Donald Trump also nur ein Donald Duck? Die Republikaner wissen jedoch, dass nach den Kongresswahlen Ende 2018 eine demokratische Kongressmehrheit droht, wenn sie die Zeit bis dahin nicht für Standortreformen nutzen. Nachdem viele Vermögensverwalter nach dem 1. Quartal auf satten Renditepolstern sitzen, ist der Performancedruck aktuell gering und man wartet zunächst die Wahl in Frankreich ab.

Welche Risiken sehen Sie für die Märkte?
Würde Marine Le Pen Staatspräsidentin von Frankreich, wäre das politische Europa, wie wir es kennen, in existenzieller Not. Aber wie in den Niederlanden wird es auch in Frankreich nicht so kommen. Markante Zinserhöhungen würden nicht nur die langjährige Aktienhausse abrupt in das Gegenteil verkehren. Angesichts einer weltweit überbordenden Verschuldung käme ein Zinsschock der letzten Ölung an den Finanzmärkten gleich. Die Notenbanken sind zu Gefangenen ihrer eigenen lockeren Geldpolitik geworden.

Wir blicken auf eine achtjährige Hausse zurück: Bitte schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Bewertungsniveaus dies- und jenseits des Atlantiks ein.
Die Bewertungen sind tatsächlich sehr hoch. Das erkennt man deutlich an der Abkopplung der Marktkapitalisierung von der volkswirtschaftlichen Wirtschaftsleistung. Achtjährige Haussen sind natürlich selten. Aber daraus lässt sich abseits einer gesunden Konsolidierung keine Crash-Gefahr ableiten. Denn die Zeiten sind auch besondere: Wir sehen seit 2008 eine beispiellos lockere Geldpolitik, die für einen großen Anlagenotstand pro Aktien gesorgt hat, weil Zinsanlagen keine konkurrenzfähige Anlageform mehr sind. In der Geschichte sind Aktienhaussen immer dann kaputtgegangen, wenn die Geldpolitik restriktiv wurde und die Zinsen massiv angehoben wurden. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass wir nie mehr normal hohe Zinsen sehen werden.

Vergangene Woche hat Theresa May den Abschiedsbrief nach Brüssel geschickt. Wie real ist die Gefahr eines Brexit-Bebens an den Finanzmärkten?
Es stehen zermürbende Verhandlungen mit der EU bevor. Einerseits kann Brüssel den Briten keinen guten Deal anbieten, der dann weitere EU-Länder zu unerwünschten Nachahmeffekten animierte. Andererseits wird Premierministerin May ihren Landsleuten kein Austrittsergebnis mit markanten Wohlstandseinbußen präsentieren wollen, das den Briten ihren Abstimmungsfehler von Juni 2016 deutlich vor Augen führte. Der Brexit ist ein Experiment mit völlig unklarem Ausgang. Vom harten, ungeregelten Austritt bis zum Verbleib des Landes in der EU ist alles möglich. Natürlich sind Beeinträchtigungen im bisherigen Freihandel zwischen Großbritannien und Deutschland Handicaps für deutsche Exportunternehmen. Doch wird sich im Rahmen europäischer Anlagestrategien der deutsche Aktienmarkt als natürliche Anlagealternative für Exit-belastete britische Aktien etablieren können. Wir sind ab sofort erste Wahl.

Die Fed hat die Leitzinsen im März erhöht, vor allem auch deswegen, weil die US-Wirtschaft kaum noch auf die Unterstützung durch die Geldpolitik angewiesen zu sein scheint. Sehen Sie darin schon die Chance auf eine nahende Zinsnormalisierung?
Nein, der aktuelle Zinserhöhungszyklus der Fed ist der taubenhafteste aller Zeiten. Solange die Inflationsrate oberhalb von Notenbankzinsen liegt, kann von restriktiver Geldpolitik keine Rede sein. US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen weiß, dass deutliche Zinserhöhungsschritte die Gefahr eines Platzens der Anleiheblase und einer konjunkturschädlichen Kapitalflucht aus den Schwellenländern in die USA mit allen konjunkturellen Kollateralschäden erhöhen.

Die Inflation im Euro-Raum lag im Februar erstmals seit Langem wieder leicht über der Zielmarke der EZB von knapp unter zwei Prozent. Vor diesem Hintergrund werden die Rufe nach einem Ende des ultraexpansiven Kurses wieder lauter. Wie ist Ihre Einschätzung: Werden diese Rufe erhört?
Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Die EZB hat ein willkommenes Alibi für "Weiter so" erhalten. So ist die deutsche Preissteigerung im März von 2,2 auf 1,6 und in der Eurozone von 2,0 auf 1,5 Prozent gefallen. Verantwortlich hierfür ist der auslaufende Basiseffekt durch nicht weiter steigende Rohstoffpreise, der sich über das Jahr fortsetzt. In der Eurozone wird die EZB aufgrund der hohen Verschuldung und der wirtschaftshemmenden Reformverweigerung in vielen Mitgliedsstaaten bei einer grundsätzlich lockeren Geldpolitik bleiben müssen. Die EZB könnte aber den derzeit negativen Einlagezins für Banken wieder auf null erhöhen, um die Banken von Zinskosten zu entlasten.

Der Ölpreis stand in den vergangenen Wochen wieder stark unter Verkaufsdruck. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Iraner, Russen und selbst Saudis haben mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Daher fördern sie trotz versprochener Förderkürzungen so viel wie möglich, was den Ölpreis belastet. Prinzipiell wird Fracking ab einem Ölpreis von etwas mehr als 50 Dollar attraktiv. Damit dient diese Gewinnschwelle als Preis-Orientierung. Öl ist demzufolge keine empfehlenswerte Anlageklasse.

Gold glänzt seit einigen Wochen wieder stärker. Politische Verunsicherung und Inflationsszenarien sorgten zuletzt für Preise deutlich über der 1.200-Dollar-Marke. Wie bewerten Sie das Edelmetall?
Gold bleibt für mich die heimliche Anlegerliebe. Es wird zwar nicht dramatisch steigen, bis Jahresende erwarte ich maximal 1.350 Dollar je Feinunze. Die Notenbanken haben etwas gegen zu hohe Goldpreise. Das Edelmetall bleibt aber eine hervorragende sachkapitalistische Absicherung vor dem Hintergrund eines überschuldeten, instabilen Weltfinanzsystems, das nur noch mit billigem Geld überleben kann. Gold gehört in jedes Portfolio.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.

Bildquellen: Robert Halver