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Volkswagen: Versagen, Verlust, Totalausfall

06.04.16 13:00 Uhr

Volkswagen: Versagen, Verlust, Totalausfall | finanzen.net

Ein gutes halbes Jahr nach Bekanntwerden des Diesel-Desasters kommt bei Volkswagen die Aufarbeitung kaum voran. Nur eines ist sicher: Die Flut der Klagen schwillt weiter an - und die Dividende wackelt.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Die jüngste Klage kommt von der FTC. Mit dem Slogan "Clean Diesel" warb Volkswagen in den USA für den Selbstzünder, dessen Abgase laut Werbespot selbst blütenweiße Schals nicht beschmutzen. Dies sei irreführend, urteilt die US-Handelsbehörde, die sich den Schutz der US-Verbraucher auf die Fahnen geschrieben hat. Ihr Vorwurf: VW habe Amerikaner dazu bewegt, "Autos zu kaufen, die mit Schummelsoftware ausgestattet waren".



Das Diesel-Desaster, einer der größten deutschen Wirtschaftsskandale, scheint endlos: Nach dem Versagen im Vorstand und dem Kontrollverlust im Aufsichtsrat stapeln sich jetzt bei Chef Matthias Müller die Klagen. Für Aktionäre wird es immer bitterer. Seit dem Hoch im April 2015 hat die Vorzugsaktie mehr als die Hälfte ihres Werts eingebüßt. Jetzt droht womöglich ein Totalausfall der Dividende, wie Insider warnen. Es wäre das erste Mal seit vielen Jahrzehnten.

Gewinn 2015 löst sich auf

Die Schlüsselfrage lautet: Wird VW für 2015 einen Gewinn ausweisen? Denn ein Überschuss gilt als Voraussetzung für eine Ausschüttung. Anfang März sollte Müller die Bilanz präsentieren. Wegen unzähliger ungeklärter Fragen verschob der Chef den Termin auf den 28. April. Wochen später ist nur eines klar: Über Gewinn oder Verlust 2015, über Dividende oder Ausfall entscheidet die Höhe der Sonderbelastungen.

Wie hoch diese sind, hängt jedoch von den notwendigen Maßnahmen ab. Und hier hakt die Sache. In Europa sind erst wenige Tausend der betroffenen knapp neun Millionen Fahrzeuge auf ­ gesetzeskonformem Stand. Der riesige Rest wartet auf eine Umrüstung. Derzeit hakt es etwa beim Massenmodell Passat. Der Rückruf sollte bereits Ende Feb­ruar anlaufen. Aber noch immer fehlt das Okay des Kraftfahrtbundesamts zu den Nachrüstungsplänen des Konzerns.


Müllers größtes Problem liegt jedoch in den USA. Soeben erreichten die Niedersachsen beim zuständigen Bezirksrichter in San Francisco vier Wochen Fristverlängerung für eine technische Lösung bei den betroffenen 580.000 US-Fahrzeugen. Bis allerspätestens 21. April muss VW jetzt darlegen, wie man sich mit der US-Umweltbehörde EPA auf eine Beseitigung der Schummeleien einigen will. Gelingt kein außergerichtlicher Vergleich, droht eine Strafe in astronomischer Höhe: Die EPA fordert bis zu 46 Milliarden Dollar.

Zur Not alles aufkaufen

Diesen schlimmsten Fall wird Müller unter allen Umständen verhindern wollen. Die Deutschen könnten sich deshalb gezwungen sehen, ihren US-Kunden die Wagen abzukaufen, wenn eine Umrüstung technisch nicht möglich ist. Auch das käme sehr teuer. Die Kosten eines solchen Rückkaufs veranschlagen Fachleute auf zehn Milliarden Dollar.

Operativ läuft es bei den Wolfsburgern trotz des Skandals indes einigermaßen rund. In den USA war der Konzernabsatz in den ersten Monaten nach dem Skandal zwar zeitweise prozentual zweistellig eingebrochen. In den Monaten Januar und Februar haben sich die Absatzeinbußen aber auf etwa sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr beruhigt. Auf dem europäischen Automarkt verliert das Unternehmen Marktanteile, wächst aber leicht. Und in China hält vor allem die wichtige Premiummarke Audi bislang in etwa die Vorjahreszahlen.


Ex-Chef Martin Winterkorns Traum vom automobilen Weltmarktführer, der im ersten Halbjahr 2015 vorübergehend Wirklichkeit wurde, ist einstweilen ausgeträumt. Doch das robuste Geschäft des Konzerns 2015 kann wohl eine zweistellige Milliardenbelastung auffangen. "Bis zu einer Sonderbelastung von etwa 15 Milliarden Euro dürfte der Konzern 2015 noch Gewinne schreiben", sagt Analyst Zafer Rüzgar von Independent Research.

Folgt man Stimmen aus Wolfsburg, so kommt es womöglich anders. Zur Dividende munkeln Aufsichtsratskreise bloß unheilvoll: "Es gibt keinen Hinweis, dass es Hoffnung auch auf nur einen Cent gibt." Wahrscheinlich ist, dass die von Einsparungen bedrohte Arbeitnehmerseite hier auf einen Verzicht drängt. Und klar ist auch, dass die riesige Welle an Schadenersatzforderungen und Sammelklagen von Aktionären und Kunden gerade erst anrollt.

Investor-Info

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Handbremse ziehen

Den möglichen Dividendenausfall hat die ­Vorzugsaktie gut verkraftet, ein Signal, dass schon viel Negatives im Kurs enthalten ist. Die Belastungen durch den Skandal sind aber schwer abzuschätzen. Die Schweizer UBS geht von einem Barwert der Belastungen nach Steuern von 34 Milliarden Euro aus. Der um branchenweite Kursverluste bereinigte Schwund der VW-Marktkapitalisierung seit September 2015 liegt bloß bei 15 Milliarden Euro. Fazit: noch Luft nach unten. Meiden!

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