Euro am Sonntag-Titel

Euro am Sonntag-Jubiläum: 20 Jahre Spannung pur

20.10.18 16:00 Uhr

Euro am Sonntag-Jubiläum: 20 Jahre Spannung pur | finanzen.net

Im Oktober 1998 erschien €uro am Sonntag zum ersten Mal. Was sich seitdem im DAX getan und was die Märkte bewegt hat.

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von Floriana Hofmann, Euro am Sonntag

Der DAX ist innerhalb von drei Monaten um 38 Prozent abgestürzt, die Stimmung an der Börse am Boden: Als die Finanzzeitung €uro am Sonntag im Oktober 1998 erstmals erscheint, ächzen die Märkte unter der Russland-Krise. Nach dem Ende der Sowjetunion ist der russische Staat hoch verschuldet. Die Anleiherenditen schießen nach oben. Im August 1998 gibt Präsident Boris Jelzin den russischen Rubel frei, der daraufhin um 60 Prozent einbricht. Der Staat ist pleite, russische Anleihen sind über Nacht wertlos. Auch die Bonds anderer Schwellenländer brechen ein. "Anleihen stürzen. Was nun?" titelt €uro am Sonntag in der ersten Ausgabe. Aber schon bald geraten die Turbulenzen in den Hintergrund.



Denn der Hype um die T-Aktie ist in vollem Gange. Im November 1996 ist die Deutsche Telekom an die Börse gegangen. Dank einer groß angelegten Werbekampagne greifen Millionen Privatanleger bei den insgesamt drei Tranchen zu. Der Kurs klettert vom Ausgabepreis von 28,50 D-Mark (14,57 Euro) bis auf 103,50 Euro im April 2000. Aber die Rally gerät bald ins Stocken. 2001 muss die Deutsche Telekom den Wert ihrer Grundstücke um 2,5 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Die T-Aktie bricht ein. Am 26. Juni 2002 notiert der Kurs auf dem Tiefpunkt bei 8,14 Euro. Heute kostet ein Papier wieder rund 14 Euro - und ist bei Anlegern insbesondere wegen der hohen Dividendenrendite von rund fünf Prozent beliebt.

Hype und Crash am Neuen Markt

Ähnliches Spiel auch im Segment Neuer Markt, wo junge Firmen aus den Zukunftsbranchen Informationstechnik, Telekommunikation, Biotechnologie oder Multimedia notiert sind. Der Nemax-Index startet im März 1997 bei 505 Punkten. In den folgenden drei Jahren geht es steil bergauf: 337 Unternehmen sind gelistet, der Index klettert bis auf 8559 Punkte. Das Plus summiert sich auf sagenhafte 1595 Prozent. Der Hype ist riesig, die Rally scheint kein Ende zu nehmen.



Doch im März 2000 beginnt die Talfahrt des einstigen Hoffnungssegments. Die Kurse brechen um insgesamt 95 Prozent ein - bis auf 403 Punkte im März 2003. Die Bilanzen vieler Firmen sind unsolide oder schlicht gefälscht, ein Skandal reiht sich an den nächsten. Viele Unternehmen melden Insolvenz an. Im Juni wird das Segment geschlossen.

Einige der einst gehypten Firmen aus dem Neuen Markt konnten sich allerdings mittlerweile in der deutschen Aktienlandschaft etablieren, etwa das Mobilfunkunternehmen Freenet (früher Mobilcom) oder der Biotechnologiekonzern Morphosys.


Im Jahr 2001 ist die Stimmung an den Börsen durch die geplatzte Internetblase denkbar schlecht. So richtig unter Druck geraten die Kurse dann durch die Terroranschläge vom 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon. Der DAX bricht um 8,5 Prozent ein. An der Wall Street wird der Handel bis zum 17. September ausgesetzt. Die US-Notenbank Fed greift ein, um die Kurse zu stützen, senkt den Leitzins um 50 Basispunkte auf drei Prozent. Der Dow Jones fällt um sieben Prozent. Die Talfahrt der Kurse an den Börsen dauert Monate.

Unabhängig von den Turbulenzen an den Kapitalmärkten wird am 1. Januar 2002 der Euro in der Bundesrepublik und in elf weiteren Staaten als Bargeld eingeführt. Der Name von €uro am Sonntag ist damit aktueller denn je. Hierzulande stehen die Deutschen der Gemeinschaftswährung zunächst skeptisch gegenüber, denn das Einkaufen wird gefühlt teurer.

Erst Absturz, dann Erholung

Nach den Terroranschlägen in New York und dem Platzen der ­Internetblase kommt es im DAX zum längsten Bärenmarkt der Geschichte, zu fallenden Kursen. Das hinterlässt tiefe Spuren bei der deutschen Bevölkerung, die auch heute noch spürbar sind: Die Aktie ist als Wertanlage trotz Niedrigzinsen wenig verbreitet.

Dass auf eine Baisse wieder eine Hausse folgt, ist den meisten offenbar nicht klar. Denn der Bullenmarkt mit steigenden Kursen ist in der Öffentlichkeit kaum Thema. Anders hingegen bei einem Crash. 2003 kommt es, wie es kommen muss, an der Börse geht es wieder nach oben. Den Startschuss zur Erholung gibt der Einmarsch von US-Streitkräften in den Irak im März. Der irakische Machthaber Saddam Hussein wird beschuldigt, über verbotene Massenvernichtungswaffen zu verfügen - und Verbindungen zu dem Terrornetzwerk al-Qaida zu haben und damit in die Anschläge des 11. September verwickelt gewesen zu sein. Eine falsche Annahme, wie sich später zeigt.

Durch den Irak-Krieg ist die Zeit der Unsicherheit nach den Anschlägen vom 11. September vorüber. Der Bullenmarkt im DAX dauert rund vier Jahre. Zusätzlichen Rückenwind gibt die expansive Geldpolitik der Fed. Deren Chef Alan Greenspan hält die Geldschleusen weiter offen, um einem drohenden konjunkturellen Abschwung vorzubeugen. Die Leitzinsen hatten im Sommer 2001 noch bei fünf Prozent gelegen. Bis Mitte 2003 werden sie bis auf ein Prozent gesenkt.

Auf der anderen Seite der Welt macht mittlerweile China von sich reden. Das zeigt sich insbesondere auf dem Markt für Rohstoffe. Denn durch den wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik steigt die Nachfrage - und die Preise für Kupfer, Aluminium oder Nickel, aber auch für Getreide schießen zu Beginn des Jahrtausends nach oben.

Das billige Geld, eingeführt nach den Anschlägen in New York, soll sich bald als großes Problem erweisen. Denn die niedrigen Zinsen schieben die Kreditvergabe an, vor allem in den USA. Noch dazu werden die Standards für die Vergabe gelockert. Selbst Menschen mit geringer Bonität kommen nun leicht an Immobiliendarlehen. Mit diesen sogenannten "Subprime Loans" kann sich quasi jeder ein Eigenheim kaufen.

Die Immobilienkrise zieht auf

Häufig besteht die Sicherheit für den Kreditgeber lediglich darin, dass die Schuldner das Darlehen mit dem Wert der Immobilie refinanzieren können: Man setzt darauf, dass die Preise für Häuser immer weiter steigen. Solche Immobilienkredite sind bei vielen Amerikanern beliebt - und sie bleiben auch von den Investmentbanken nicht unentdeckt.

Die Geldhäuser bündeln diese ­Immobilienkredite mit niedriger, mittlerer und hoher Qualität zu ­sogenannten "Collateralized Debt Obligations" (CDOs). Durch die unterschiedlichen Bonitäten der erhaltenen Kredite geht man davon aus, einen Puffer für mögliche Ausfälle zu haben. Die CDOs erhalten Bestnoten von den Ratingagenturen und versprechen hohe Renditen. Die Kreditpakete werden dann nochmals gebündelt und an andere Banken, Versicherungen und Pensionsfonds weiterverkauft.

Ab Ende 2004 hebt die Fed die Zinsen wieder an. Das Problem: Die Subprime Loans sind an die zunächst niedrigen Leitzinsen gekoppelt. Jetzt aber müssen Hausbesitzer höhere Raten für ihre Hypothekenkredite zahlen. Das können sich viele nicht leisten. Immer mehr Immobilien müssen zwangsversteigert werden.

Dadurch kommt es 2007 zum Teufelskreis. Durch das Überangebot auf dem Häusermarkt fallen die Preise wider Erwarten, die Speku­lation der Immobilienbesitzer auf einen hohen Wiederverkaufswert geht nicht auf. Es kommt zu noch mehr Zwangsversteigerungen, das Angebot wird noch größer - der amerikanische Immobilienmarkt bricht zusammen.

Als die Banken fallen

Die Krise am Immobilienmarkt entwickelt sich zur Bankenkrise: Das System mit den CDOs fällt wie ein Kartenhaus zusammen. Die Kreditpakete erweisen sich als wertlos, die Banken müssen sie - vormals ­gekauft als vermeintlich sicheres ­Investment - abschreiben. Hierzulande geraten die Mittelstandsbank IKB und Landesbanken wie die SachsenLB, BayernLB oder WestLB in Schieflage. In den USA steht im März 2008 die fünftgrößte Invest­mentbank Bear Stearns vor der Pleite. Auf Druck der Fed springt die Großbank JP Morgan Chase ein.

Im September 2008 geht es Schlag auf Schlag. Anfang des Monats werden die angeschlagenen US-Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac verstaatlicht.

Die Investmentbank Lehman Brothers muss die ausgefallenen Kreditpakete abschreiben und kann ihren 613 Milliarden US-Dollar schweren Schuldenberg nicht mehr tragen. Lehman muss jetzt die CDOs verkaufen, um an Geld zu kommen. Das Minus in den Büchern ist damit ein realer Verlust. Am 15. September beantragt das Geldhaus Insolvenz - der Höhepunkt der Krise. Durch die Pleite kommt es zur Kettenreaktion.

Die Banken untereinander misstrauen sich noch mehr, der Interbankenzins steigt sprunghaft an: Für die Institute wird es immer teurer, sich gegenseitig Geld zu leihen. Hierzulande bringt das die drittgrößte Bank, die Hypo Real Estate (HRE), in Schwierigkeiten. Bereits im Januar hatte die HRE wegen der wertlos gewordenen CDOs 390 Millionen Euro abschreiben müssen. Jetzt kommt sie kaum mehr an frisches Kapital und steht am 28. September vor der Insolvenz. Die Bundesregierung handelt mit der Branche die Rettung der HRE aus, die Bank wird verstaatlicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigen kurz darauf ein Rettungspaket für die gesamte Finanzbranche an. Das kommt an der Börse gut an: Der DAX schießt um 11,4 Prozent nach oben - und macht damit den größten Tagesgewinn seiner Geschichte.

Auch die Commerzbank wird noch Geld vom deutschen Staat bekommen müssen. Durch die Lehman-Pleite gerät auch dieses Geldhaus ins Wanken. Grund: hohe Altlasten der Dresdner Bank. Ende August 2008 hatte die Commerzbank die verlustreiche Dresdner Bank für 9,8 Milliarden Euro übernommen.

Der deutsche Staat springt mit mehr als 18 Milliarden Euro ein und wird mit 25 Prozent der Aktien größter Einzelaktionär der Commerzbank. Einen Großteil der Staatshilfen zahlt diese im April 2011 nach einer Kapitalerhöhung zurück. Noch heute besitzt der Bund rund 15 Prozent der Anteile. Ob der deutsche Staat diese verkauft, ist unklar. Derzeit wäre das jedenfalls ein schlechtes Geschäft: Vom damaligen Kaufpreis von 26 Euro je Aktie ist der Kurs bei momentan rund neun Euro weit entfernt.

Nach der Finanzkrise kommt es zur Rezession. Die deutsche Wirtschaft schrumpft im Gesamtjahr 2009 so stark wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt fällt um fünf Prozent. Der private Konsum sinkt vor allem im ersten Quartal deutlich, die Produktion in der Industrie bricht ein. An der Börse hellt sich die Stimmung indes langsam auf. Im März 2009 beginnt die bis heute andauernde und zugleich längste DAX-Rally der Geschichte.

Der Bulle trotzt den Krisen

Mehrere Krisen im Laufe der Jahre bringen den Bullenmarkt zwar kurz ins Stocken - aber noch nicht an sein Ende. Denn wenige Monate nach der Finanzkrise steht den Börsianern bereits die nächste Belastung ins Haus: die Schuldenkrise in Europa.

Rund um den Globus steigen nach der Finanzkrise die Staatsausgaben, etwa für Bankenrettung und Konjunkturprogramme. Damit wachsen auch die Schulden. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Einnahmen. Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland leben zudem über ihre Verhältnisse. Im Frühling 2010 wird klar, dass Griechenland seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, die Zinsen für griechische Staatsanleihen schießen nach oben.

Um eine Pleite abzuwenden, beantragt die Regierung Finanzhilfen. Der DAX geht in die Knie. Die Staats- und Regierungschefs der EU und der Internationale Währungsfonds beschließen im Mai das erste Rettungspaket, im Gegenzug muss Griechenland sparen. An der Börse wird das Hilfspaket gefeiert, der deutsche Leitindex erholt sich schnell von seinem Rücksetzer.

Doch das Griechenland-Drama ist damit noch nicht ausgestanden. 2015 steht sogar der sogenannte "Grexit", der Austritt aus der Eurozone, im Raum. Im August 2018 läuft das dritte - und wohl letzte - Rettungspaket aus. Ob Griechenland jetzt tatsächlich auf eigenen Beinen stehen kann, muss sich erst noch zeigen.

Die Stimmung an der Börse bleibt zu Beginn des neuen Jahrzehnts im Zuge der Eurokrise weiter eingetrübt - bis Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), 2012 seinen bekanntesten Satz äußert: Die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. Die Währungshüter starten ein bil­lionenschweres Anleihekaufprogramm, senken die Leitzinsen drastisch. Seit rund zwei Jahren sind die Zinsen in der Eurozone negativ.

Die Geldschwemme der EZB stützt auch weiterhin die Kurse. Als die Briten 2016 überraschend für den Austritt aus der Europäischen Union stimmen, gibt der DAX nur kurz nach. Der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl sorgt sogar für eine neue Rally. In den USA springt der Dow Jones von Rekord zu Rekord.

Inzwischen sorgen die steigenden Zinsen in den USA für Verunsicherung bei Anlegern, der Börsen­monat Oktober zeigt sich von seiner düsteren Seite. Wie in den vergangenen 20 Jahren wird die Redaktion von €uro am Sonntag ihren Lesern auch künftig gerade in turbulenten Börsenzeiten mit Rat und Tat zur Seite stehen - und für sie langfristig gewinnbringende Investments ausfindig machen.





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Bildquellen: Finanzen Verlag, DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

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