Oprah Winfrey: Hier kommt Frau Allmächtig
Erfolgreiche Investorin: Kaum jemand war vergangenes Jahr an der Börse so einflussreich wie Amerikas TV-Ikone Oprah Winfrey.
von Andreas Pilmes, Euro am Sonntag
Den Ausschlag gaben 15 Pfund: So viel hat Oprah Winfrey nach eigenen Angaben mithilfe des Programms der Weight Watchers verloren. 2,88 Millionen Dollar war ihr jedes einzelne Pfund wert. Denn für insgesamt 43,2 Millionen Dollar erstand Amerikas TV-Ikone im Anschluss 6,4 Millionen Aktien des Abspeck-Konzerns, mithin zehn Prozent des Unternehmens - plus eine Option auf weitere fünf Prozent sowie einen Sitz im Verwaltungsrat. Die Veröffentlichung dieser Nachricht im vergangenen Oktober löste einen unvergleichlichen Run auf die Aktie aus: Der Kurs verdoppelte sich postwendend. Zwei Tage später lag er bereits 280 Prozent im Plus.
Ein Glücksgriff für Oprah Winfrey. Und ein Glücksfall für den kränkelnden Konzern, der zuvor im Lauf des Jahres drei Viertel seines Werts verloren hatte. Die Konkurrenz von kostenlosen Diäten und immer neuen modernen Fitnessgeräten machten den angestaubten Weight Watchers schwer zu schaffen. Bis Oprah kam - und mit ihr der "Oprah-Effekt": Was diese Frau auch anfasst, es wird zu Gold. Hätten ein Warren Buffett oder ein Carl Icahn eine ähnliche Kursexplosion auslösen können? Wohl kaum. Denn die 61-Jährige ist ein Phänomen. Eines, wie es nur die USA hervorbringen können. Wer auch immer zeigen möchte, dass der amerikanische Traum nach wie vor am Leben ist, er nimmt Oprah Winfrey als Beispiel. Sie ist der personifizierte Erfolg. Und die personifizierte Medienmacht - womöglich auch die letzte tatsächlich existente.
Ihre "Oprah Winfrey Show" hatte zu ihren Glanzzeiten 21 Millionen Fernsehzuschauer in 105 Ländern. Zwischen dem 8. September 1986 und dem 25. Mai 2011 war sie dreimal wöchentlich auf dem Bildschirm zu sehen. Mit 4500 Folgen ist es die am längsten laufende Talkshow der TV-Geschichte. Ob Hollywood-Star, Künstler, Politiker oder Firmenlenker - eine Einladung zu Oprah galt als Ritterschlag. Bei ihr berichtete Michael Jackson über seine seltene Hautkrankheit Vitiligo, Tom Cruise gestand, auf dem Sofa herumhüpfend, seine Liebe zu Katie Holmes, und der bereits schwer von Aids gezeichnete Entertainer Liberace hatte bei Oprah seinen letzten öffentlichen Auftritt. Aber auch gänzlich Unbekannte bekamen hier ihr Forum: Ein Ehepaar bat die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche nach seiner verschwundenen Tochter, ein durch einen Verkehrsunfall schwer Entstellter traf die Mutter des Unfallverursachers.
"Mitgefühl", das sei die Triebfeder ihrer Arbeit, erklärte Oprah Winfrey 2013 bei einem Auftritt in der Stanford Business School. Ein anderer Grund für ihren Erfolg ist die Tatsache, dass sie die Kunst des Gleichmachens beherrscht. "Die Zuschauer fanden sich in mir wieder. Ich habe immer verstanden, dass kein Unterschied zwischen dem Publikum und mir besteht", sagte sie den Studenten. Und: "Ich bin immer mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben, auch wenn ich heute mehr und bessere Schuhe habe." Es sind eher simple Weisheiten, die Oprah Winfrey über das Leben verbreitet, aber womöglich hat sie damit ja recht.
Aus der Kleinstadt zum Weltstar
Humor, Empathie, Intelligenz, Schlagfertigkeit, Glaubwürdigkeit, dazu diese amerikanische Eigenschaft der bis an die Naivität grenzenden Offenheit - die Mischung dieser Merkmale haben Oprah Winfrey nicht nur zum Liebling der Nation, sondern auch zur Milliardärin gemacht. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzt ihr Vermögen auf 3,2 Milliarden Dollar. Nicht schlecht für ein Mädchen, das nicht gerade unter den besten sozialen Voraussetzungen auf die Welt kam. Sie ist die uneheliche Tochter minderjähriger Eltern. Im Alter von neun Jahren, so gibt sie selbst an, sei sie sexuell missbraucht worden. Mit 14 wurde sie ungewollt schwanger, das Kind starb kurz nach der Geburt. Sie nahm Drogen und war esssüchtig.Ihre Karriere begann sie als Nachrichtenfrau in Baltimore, Maryland. 1983 wechselte sie zum Frühstücksfernsehen nach Chicago. Aus dieser Talkshow wurde "The Oprah Winfrey Show". Das Konzept wurde weltweit kopiert, auch im deutschen Fernsehen - in jenen berüchtigten Nachmittags-Talkshows voller menschlicher Merkwürdigkeiten, die als "Hausfrauen-Fernsehen" gehandelt wurden. Doch selten war der Spruch "oft kopiert, nie erreicht" so zutreffend wie in diesem Fall.
Da nicht nur Stars und Sternchen in Winfreys Sendung kamen, sondern vor allem Menschen, die Schicksalsschläge erlitten hatten oder schlichtweg arm waren, engagierte sich der Star bald auch als Philanthropin. Sie gründete etwa "The Angel Network", das Geld für wohltätige Zwecke sammelt, und die "Oprah Winfrey Leadership Academy for Girls" in Südafrika, eine Schule für Mädchen aus armen Verhältnissen. Schon 2005 führte "Business Week" den TV-Star mit einem geschätzten Spendenvolumen von 300 Millionen Dollar ganz oben in der Liste der spendabelsten Reichen.
Erfahrene Businessfrau
Das Geld kommt längst nicht mehr nur von ihren Gagen. Oprah Winfrey spielt heutzutage in der Liga der Medienmogule. In den 90er-Jahren gründete sie "Oprah’s Book Club", bei dem Autoren im Fernsehen ihre neuen Werke vorstellen und die Zuschauer diese gleich im angeschlossenen Buchklub bestellen. Im Web gibt es dazu persönliche Lesetipps von Winfrey. Bill Clinton etwa nutzte dieses Forum, um den Verkauf seiner Autobiografie anzuschieben.Mittlerweile ist der Buchklub ein Indikator für die Bestsellerlisten in den USA. Dafür gab es nicht nur Applaus. Sie gehe mit ihrer Popularität und Medienmacht nicht immer verantwortungsvoll um, monierten Kritiker. Die "Washington Post" etwa warf ihr unkritischen Umgang mit politischen Gästen vor. Immerhin machte Winfrey nie einen Hehl aus ihrer politischen Gesinnung. Sie unterstützte Barack Obama im Wahlkampf und belegte die Konservative Sarah Palin mit einem Auftrittsverbot.
Im Jahr 2011 startete sie ihren eigenen Pay-TV-Sender OWN, Oprah Winfrey Network. Neben Kochsendungen und Realityshows bietet der Kanal natürlich Talkshows - zu Alltagsthemen wie Psychologie, Gesundheit oder Geld. Auch die Chefin hat ihre eigene Sendung: "Oprah’s Next Chapter". Daneben gibt sie zwei Magazine heraus, "O" und "O at Home", besitzt den Fernsehsender Oxygen, ist Gelegenheitsschauspielerin, etwa in "Die Farbe Lila", und Präsidentin ihrer Produktionsfirma Harpo (Oprah rückwärts geschrieben). Die schickt alles - von Seifenopern bis zur von Kritikern hochgelobten Biografie von Martin Luther King - auf die Bildschirme und Kinoleinwände. Sie hat diverse Bücher geschrieben - von Lebenshilfe bis Kochen - und tourte 2014 mit der Ratgebershow "The Life You Want" (Das Leben, das du willst) durch die USA. Das billigste Ticket kostete 99 Dollar. Selbst der Handelsriese Amazon wirbt neuerdings mit Oprah Winfrey: In den USA wurde die Sparte "Oprah’s Favorite Things" auf der Homepage eingeführt - die Lieblingsstücke sind ein buntes Sammelsurium aus elektrischem Grill, Mode, Schuhe, Schmuck, Küchenutensilien und Hundekostümen.
Dieses Imperium beschert ihr Jahr für Jahr einige Hundert Millionen Dollar. "Forbes" führte sie 2015 auf Platz 211 der Liste der reichsten Amerikaner (Top: Bill Gates). Darüber hinaus belegte sie Rang 5 unter Amerikas Selfmade-Frauen (Platz 1: die Biotech-Unternehmerin Sarah Holmes) sowie Rang 12 der Power-Frauen (ganz vorn: Angela Merkel). Ihr Apartment in Chicago hat sie im November verkauft - für 4,6 Millionen Dollar. Die Grande Dame des Showgeschäfts wohnt mit ihrem Lebensgefährten, dem Unternehmer Stedman Graham, mittlerweile vornehmlich in Montecito, Kalifornien. Sie wache jeden Morgen zuverlässig zwischen 7.16 und 7.23 Uhr auf, ohne Wecker, berichtete sie dem "Fast Company Magazine". Fünfeinhalb Stunden Schlaf genügen ihr - und zur Arbeit ihr Kopf und ein iPad mini. Sie mache gern die Tür hinter sich zu, sitze einfach da und atme.
Das mag nun nicht als allgemeingültiges Erfolgsrezept durchgehen. Ebenso wenig wie das Engagement eines Prominenten für eine darbende Börsengesellschaft, warnt Mark Rogers, Gründer von BoardProspects, einem Forum und Vermittler von Führungskräften. Im Fall Winfrey aber könne das durchaus funktionieren: Denn sie ist nicht nur Superstar, sondern auch erfahrene Business-Frau. "Ihre Expertise ist genau das, was Weight Watchers braucht", urteilt Rogers. Außerdem sei sie glaubwürdig, weil sie stets offen und ehrlich zu ihren Gewichtsproblemen gestanden habe.
Tatsächlich hat sich kurz nach Winfrey auch noch ein Hedgefonds an Weight Watchers beteiligt. Und das Kursfeuerwerk der Aktie war keine Eintagsfliege - sie notiert zur Freude der Anteilseigner noch immer auf dem Niveau nach dem Oprah-Einstieg. Die 15 Pfund haben sich gelohnt.
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