MARKT-AUSBLICK/Rückschläge wahrscheinlich - DAX hat Soll erfüllt
Von Herbert Rude
DOW JONES--Nach dem jüngsten Erholungsschub an den Börsen stellen sich Marktteilnehmer nun auf Rückschläge ein. Für solche sprechen sowohl die fundamentale als auch die technische Situation. Sollten die Märkte in der kommenden verkürzten letzten Aprilwoche noch relativ stabil handeln, dürfte sie im Laufe des Mai deutlicher fallen.
Aus fundamentaler Sicht ist vor allem die Lage am US-Markt weiter schwierig. Die Folgen des Trump'schen Liberation Day lassen sich nur als desaströs beschreiben. Auch wenn Trump nun an der einen oder anderen Stelle zurückrudert, der Schaden ist angerichtet. Die US-Verbraucher sind zutiefst verunsichert, wie die Datenlage zeigt. JP Morgan erwartet nun, dass die Gewinnschätzungen in der Berichtssaion weiter sinken. Das Haus rechnet mit weniger optimistischen Ausblicken und erwartet im Basiszenario nun nur noch einen akkumulierten Gewinn je Aktie bei den Unternehmen im S&P-500 von 250 Dollar. Damit liegt das KGV bei hohen 22.
Sentix verweist darauf, dass die Dividendenrendite am US-Markt deutlich unter der Rendite zehnjähriger US-Anleihen liegt. "Damit ist der Aktienmarkt teuer", so Sentix-Analyst Manfred Hübner. Er ergänzt, derzeit sei allerdings auch der US-Anleihenmarkt wenig attraktiv, da die Inflation im Service-Bereich immer noch hoch sei und die Inflationsgefahr bei Gütern wegen der Zölle sogar zugenommen habe. "Damit ist eine Unterstützung über Notenbank-Liquidität im Unterschied zu früheren Krisen erst einmal nicht zu erwarten", sagt Hübner, der sogar eine Rezession aufgrund der Trump'schen Politik nicht ausschließt.
Gegen den DAX spricht dagegen vor allem die technische Lage. Der DAX hat sein Soll erfüllt: Am Freitag hat er die technische Abrisskante der Korrektur bei 22.226 Punkten angelaufen, wie Jörg Scherer von HSBC Trinkaus sagt. Hier verläuft die so genannte Nackenlinie der Top-Bildung: Ein Rücklauf gilt in der technischen Analyse als wenig überraschend, ein nachhaltiges Überwinden im ersten Anlauf dagegen schon. Zugleich hat der DAX große charttechnische Lücken oder Gaps gerissen, und zwar nicht nur in der Kasse, sondern auch, eher eine Seltenheit, im DAX-Future. Sein Gap liegt zwischen 21.837 und 21.641 Punkten, das Gap im Kassa-DAX zwischen 21.297 und 21.723 Punkten. Da der DAX in der Vergangenheit nahezu alle Gaps geschlossen hat, ist es äußert wahrscheinlich, dass auch diese Lücken zeitnah zugemacht werden.
MDAX könnte relativ gut abschneiden
Trotzdem sollte der deutsche Aktienmarkt auch in den kommenden Monaten besser abschneiden als der US-Markt. Zwar ist auch der DAX nach dem deutlichen Plus seit September nicht mehr günstig bewertet. Trotzdem könnte ein Frieden in der Ukraine die Risikobereitschaft der Anleger noch einmal stärken, besonders, wenn dann auch der Ölpreis deutlicher fallen sollte. Zugleich verfügt Deutschland mit den neuen Investitionspaketen der kommenden Bundesregierung über einen Puffer, mit dem die Staatsnachfrage Dellen beim Privaten Verbrauch oder den Unternehmensinvestitionen ausgleichen könnte. Das sollte laut Sentix vor allem den mittleren und kleineren Unternehmen zu Gute kommen: "Die jahrelange Underperformance des MDAX könnte zu Ende gehen", so Analyst Hübner.
Auf der Makro-Seite steht das Highlight der kommenden Woche erst am Freitag mit dem US-Arbeitsmarktbericht für April an. Der Beschäftigungsaufbau dürfte deutlich nachgelassen haben, auf etwa 125.000 neue Stellen bei einer unveränderten Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent und einem unveränderten Anstieg der Stundenlöhne um 0,3 Prozent. In Deutschland dürften neue Inflationszahlen am Mittwoch einen Rückgang auf knapp 2 Prozent anzeigen, wie es bei der Commerzbank heißt. Das Bruttoinlandsprodukt soll im ersten Quartal leicht um 0,2 Prozent zugenommen haben. Und die Berichtssaison könnte weiterhin Anlässe für Stockpicking geben, sie läuft in der kommenden Woche auch in Europa auf Hochtouren. Mit der fortschreitenden HV-Saison könnte dem DAX dagegen die Stütze der Dividendenkäufe zunehmend verloren gehen.
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April 25, 2025 07:21 ET (11:21 GMT)