Online-Supermärkte: Wo Anleger zubeißen können
Noch führt der Internethandel mit Gemüse und Co hierzulande ein Nischendasein. Doch das könnte sich bald ändern: Der Markt ist appetitlich, das erste Start-up strebt bereits an die Börse.
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von Sonja Funke, Euro am Sonntag
Knackfrische Möhren, vollreife Tomaten und eine Stange sattgrünen Lauch bringt der Paketbote direkt an die Haustür. Das Berliner Start-up-Unternehmen HelloFresh liefert seinen Kunden mundgerecht gepackte Zutaten mit entsprechenden Rezepten für Mahlzeiten, die sie zu Hause selbst zubereiten. Zur Wahl stehen "Kochbox" genannte Gemüsepakete in unterschiedlichen Größen sowie eine Obstbox. Die kleinste Gemüsebox enthält drei Mahlzeiten für zwei Personen, sie kostet knapp 40 Euro.
Der Börsenaspirant aus dem Hause Rocket Internet, an dem der Wagniskapitalgeber mit 57 Prozent beteiligt ist, profitiert davon, dass immer mehr Menschen sich die Zutaten zum Kochen lieber an die Wohnungstür liefern lassen, als sie im Supermarkt selbst einzukaufen. "Ich halte das Konzept für sehr spannend und extrem vielversprechend", sagt Handelsexperte Florian Huber vom Beratungsunternehmen EY. "Solche Boxen decken gleich mehrere Trends ab, wie den zum gemeinsamen Kochen und zum Einkaufen im Netz sowie den zur Ernährung mit ausgewählten und frischen Zutaten." Gleichzeitig wachse in Deutschland die Bereitschaft, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Dies ebnet den Weg für die Onlinelieferanten.
"Enormes Potenzial"
"Der Markt ist auf jeden Fall da, und das Potenzial ist enorm", sagt Huber. Wichtigste Zielgruppen seien Berufstätige, die "den Feierabend nicht in der Schlange an der Supermarktkasse" verbringen wollen, Familien mit Kindern, die sich den Stress des Einkaufens ersparen, sowie Senioren und kranke Menschen, die keine schweren Einkaufstüten tragen können. Der Onlinehandel verändert die Einkaufsgewohnheiten der Deutschen massiv. Langsam, aber sicher spürt auch der Lebensmittelhandel diesen Wandel: Laut einer EY-Studie werden im Jahr 2020 rund zehn Prozent der Lebensmittel im Netz eingekauft werden. Zuletzt gaben die Deutschen jährlich etwa 175 Milliarden Euro für Lebensmittel aus.Noch ist der online gekaufte Anteil verschwindend gering. Doch auch die Experten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sehen Potenzial: "Obwohl der Onlineanteil mit 1,2 Prozent auf einem sehr niedrigen Niveau liegt, ist die Bedeutung des Onlinehandels mit 2,6 Milliarden Euro Umsatz 2014 nicht zu vernachlässigen", stellt GfK-Forscher Gerold Doplbauer fest. Der Druck auf den stationären Handel sei aber noch gering.
Doch das könnte sich ändern. Das wissen auch die alteingesessenen Lebensmittelhändler: Längst bieten Supermarktketten und Discounter ihre Ware in Onlineshops feil und liefern sie direkt vor die Tür. Rewe beispielsweise bringt inzwischen in mehr als 50 Städten im Internet bestellte Lebensmittel direkt nach Hause. Zwar standen die Onlineumsätze des Lebensmittelhändlers in zweistelliger Millionenhöhe zuletzt einem stationären Umsatz von 17 Milliarden Euro gegenüber, doch das Wachstum ist da: Im vergangenen Jahr vervierfachte sich das Webgeschäft mit Gemüse und Co. Anfang vergangener der Woche verkündete Aldi den Plan, das Geschäft in Großbritannien 2016 durch ein neues Onlineangebot auszubauen. Der deutsche Discounter will den Briten zunächst Wein und Nonfood-Aktionsware über das Internet verkaufen. Aldi könne damit den Kontakt zu neuen britischen Kunden herstellen, erklärte der Chef der britischen Tochter, Matthew Barnes. Der Schritt sei Teil einer langfristigen Strategie.
Im Vereinten Königreich ist der Online-Lebensmitteleinkauf längst etabliert. Angebote gibt es dort seit 20 Jahren, die Kunden haben sich an den zusätzlichen, bequemen Vertriebskanal gewöhnt. Laut Beratungsunternehmen EY wurden auf der Insel bereits 2012 Lebensmittel im Wert von 5,5 Milliarden Euro über das Internet verkauft. In Deutschland waren es da gerade mal mickrige 540 Millionen Euro.
Experten schätzen, dass Deutschland beim Online-Lebensmittelhandel den Briten etwa sieben Jahre hinterherhinkt. In Großbritannien habe die Ausbreitung des Webgeschäfts dazu beigetragen, dass die stationäre Filialdichte gesunken sei, so EY-Experte Huber.
Von Emmas Enkel bis AmazonFresh
Den Umbruch will auch Europas größter Handelskonzern, die Metro AG, nicht verpassen. Vor einem knappen Jahr stiegen die Düsseldorfer beim Start-up Emmas Enkel ein. Soeben gab der MDAX-Konzern bekannt, dass die Expansion in deutschen Innenstädten deutlich vorangetrieben werden solle. Das junge Unternehmen bietet seinen Kunden die Wahl, frische Lebensmittel, Drogerie-, Haushaltsartikel und Bürobedarf in kleinen, innenstädtischen Geschäften an der Ladentheke zu kaufen oder per QR-Code über das Smartphone online zu bestellen.Sogar die Deutsche Post mischt mit: Der Onlinesupermarkt Allyouneed, eine Beteiligung der Bonner, hat zwar keine Anbindung an etablierte Lebensmittelhändler, versucht aber gleichwohl, sich Marktanteile zu sichern.
Die richtig Großen bereiten sich akribisch vor: Nach einem Probelauf im US-amerikanischen Seattle rüstet auch der weltgrößte Onlinehändler, Amazon, für den Angriff auf den Markt. Der Start des Lebensmittel-Lieferdiensts AmazonFresh in Deutschland wird konkreter: Berichten zufolge führen die Amerikaner Gespräche mit Lieferanten, die umfangreiche Frischesortimente wie Obst und Gemüse bereitstellen können. Bis zu einem möglichen Einstieg dürfte allerdings noch Zeit vergehen. "Das wird sicherlich erst 2016 der Fall sein", sagt ein Insider. Dann jedoch dürfte der Onlinehändler den Markt mit seiner starken Kundenbasis kräftig aufmischen.
Bis es so weit ist, ist das Start-up HelloFresh womöglich schon an der Börse. Finanzkreisen zufolge ist die Erstnotiz noch für Oktober oder November geplant. Denn die Geschäfte laufen prima, und das Wachstum weckt Begehrlichkeiten: Der Erlös schnellte im ersten Halbjahr um 408 Prozent auf 112,5 Millionen Euro in die Höhe. Es wurden Zutaten und Rezepte für 18,2 Millionen Mahlzeiten ausgeliefert - ein Plus von 355 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Abonnenten stieg auf 420.000. Trotz der enormen Zuwächse ist das 2011 gegründete Unternehmen jedoch längst nicht profitabel. 2014 schrieben die Berliner bei einem Umsatz von rund 70 Millionen Euro einen operativen Verlust von knapp zwölf Millionen Euro.
Seit dem Einstieg des britischen Fondsanbieters Baillie Gifford vor wenigen Tagen wird das Start-up mit 2,6 Milliarden Euro bewertet. Der Firmenwert hat sich damit seit Februar mehr als vervierfacht. Das wirkt wie eine Vitaminspritze auf Anteilseigner wie die Start-up-Fabrik Rocket Internet. Keine Frage: Das Rennen um die Gunst des Kunden wird spannend! "Frisch bleiben" heißt da die Devise.
Investor-Info
Rocket Internet
Schwache Zahlen
Der Wagniskapitalgeber wächst kaum noch und machte im ersten Halbjahr 45,9 Millionen Euro Verlust. Dennoch schoss die Aktie nach Vorlage der Zahlen nach oben. Ein Grund war die Spekulation auf einen Börsengang von Hello-Fresh. Trotz der insgesamt schlechten Entwicklung ist die Aktie teuer. Zudem endet bald die Haltefrist für Altaktionäre.
Amazon
Frisches Gemüse
Mit einem Umsatzsprung von 20 Prozent kehrte der weltgrößte Onlinehändler zuletzt in die Gewinnzone zurück. Die Aktie ist zwar teuer, doch der Schwung im Kerngeschäft, höhere Profitabilität und starkes Wachstum im Cloud-Bereich unterstreichen das Aufwärtspotenzial. Der Start des Lebensmittel- Lieferdiensts AmazonFresh birgt Potenzial
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Bildquellen: Adisa / Shutterstock.com, Francesco83 / Shutterstock.com
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