Ökonomen-Barometer: Wolfsburg lässt die Experten kalt
Führende Volkswirte reagieren gelassen auf die Turbulenzen bei Volkswagen. Das Ökonomen-Barometer stabilisiert sich.
von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag
Die führenden deutschen Volkswirte zeigen sich im Oktober von der schwächelnden Konjunktur in den Schwellenländern und vom ausufernden Volkswagen-Skandal nicht sonderlich beeindruckt: Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv lag in diesem Monat mit 60,9 Punkten nur leicht unter dem Vormonat (61,9).
Insgesamt ist sogar eine allmähliche Stabilisierung auf diesem Niveau erkennbar. "Die Einschätzung der Konjunktur hat sich nicht verändert, trotz neuer Unsicherheiten wie zum Beispiel VW-Skandal und Flüchtlingswelle", sagte Juergen B. Donges von der Uni Köln. Dass der Ausblick mit 60 Punkten erstmals in diesem Jahr unter die aktuelle Lageeinschätzung rutschte, dürfte Folge der labilen Situation in den Schwellenländern sein. "Die Unsicherheit darüber steigt", bringt es Wilfried Fuhrmann von der Uni Potsdam auf den Punkt.
Besorgter hatten die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Investoren und Analysten reagiert. Der am vergangenen Dienstag veröffentlichte ZEW-Index für Oktober war überraschend kräftig um 10,2 Punkte auf 1,9 Punkte gefallen. Es war bereits der siebte Rückgang in Folge. Doch selbst das ZEW bescheinigt Deutschland eine nach wie vor gute wirtschaftliche Lage und hält ein Abrutschen in die Rezession für sehr unwahrscheinlich.
In dieses Bild passt, dass die Bundesregierung am vergangenen Mittwoch ihre Wachstumsprognose für Deutschland 2015 nur leicht von 1,8 auf 1,7 Prozent gesenkt hat. 2016 werden unverändert 1,8 Prozent erwartet - getragen von der guten Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung. Die Arbeitslosenzahl dürfte demzufolge 2016 erstmals wieder steigen.
Stärkere Rolle der Weltbank
Die von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv befragten Experten beschäftigten sich diesmal unter anderem mit der Rolle der Weltbank, die langfristige Entwicklungs- und Aufbauprojekte rund um den Globus finanziert. Die USA und China wünschen sich einen stärkeren Auftritt dieser Institution und haben insbesondere eine verbesserte Eigenkapitalausstattung der Bank angeregt. Dies wird im Grundsatz von einer Mehrheit der im Barometer befragten Ökonomen befürwortet. Ökonomen wie Bruno Schönfelder von der Uni Freiberg sehen allerdings in erster Linie Reformbedarf bei der Weltbank. "Diese Institution ist so orientierungslos geworden, dass man ihr nicht noch mehr Geld anvertrauen kann." Eine Kapitalerhöhung generiere nur weiteres Spielgeld.Martin Kocher von der LMU schlägt eine stärkere Regionalisierung der Weltbank vor, um näher an den Betroffenen zu sein. Ähnlich sieht das Dirk Ehnts vom Bard College Berlin. "Die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern wie China oder Vietnam hat gezeigt, dass eine internationale Behörde nicht unbedingt besser weiß, was ein Land benötigt."
In der Oktober-Umfrage ging es schließlich auch um die Finanzierung der Energiewende, insbesondere des Netzausbaus. Um den Wegfall süddeutscher Atomkraftwerke zu kompensieren, hatte die Bundesnetzagentur insbesondere den Ausbau von Nord-Süd-Trassen angemahnt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte dabei eine Erdverlegung durchgesetzt.
Die Finanzierung des Netzausbaus über die Netzentgelte wird dabei von 53 Prozent der befragten Ökonomen als sachgerecht beurteilt. In ihren Antworten vertreten viele Ökonomen auch die Auffassung, dass die Energiewende völlig übereilt zustande kam (Franz Peter Lang von der Uni Braunschweig) und dass "die sie verursachenden Wähler (Steuerzahler) letztendlich auch den Preis dafür zahlen sollten".
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