IT-Branche: Deutschlands pfiffige Stars
Viele kleinere Softwarefirmen und IT-Dienstleister leben vom Wachstumspotenzial des deutschen Mittelstands. Nicht wenige dominieren ihre Nische. Auf welche der IT-Titel Anleger setzen sollten.
Werte in diesem Artikel
von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Geschafft. Zu Wochenbeginn meldete IT-Dienstleister Cancom den Abschluss eines Großprojekts. Die Datenverarbeitung in den 1.400 Märkten von Fressnapf, Europas größtem Filialisten für Haustierzubehör, wurden erfolgreich ins Internet ausgelagert. Cancom hat dafür gesorgt, dass alle Filialen der Kette in elf europäischen Ländern auf Programme wie Firmensoftware von SAP zugreifen können - via Web, versteht sich. Der Mittelständler muss aufrüsten, um im Internethandel gegen Wettbewerber wie Amazon und Zooplus bestehen zu können. Auch im Filialgeschäft wird die Konkurrenz für Fressnapf stärker, seitdem etwa Baumärkte mit Haustierabteilungen in das boomende Geschäft eingestiegen sind.
Der Marktführer aus Krefeld muss Vertrieb und Logistik optimieren, schneller liefern und gefragte Produkte immer auf Lager haben. Die notwendige Software dafür wird künftig mit wenigen Mausklicks via Internet in allen Filialen verfügbar sein. Die Programme liegen in der sogenannten Datenwolke - was bedeutet, dass sie extern in Rechenzentren laufen. Darüber hinaus gewährleistet Cancom, dass Software und Daten auf dem neuesten Stand und sicher sind.
Deutsche Erfolgsformel
Viele Mittelständler wie Fressnapf bauen darauf, dass ihre vertraulichen Daten sicher sind, wenn sie hierzulande gespeichert werden. Mit bundesweiten Netzen aus Rechenzentren verzeichnen IT-Dienstleister wie Cancom oder die schwäbische Bechtle großen Zulauf. Werden ihre Daten in der Heimat gespeichert, haben viele wenig Bedenken gegen einen Umzug in die Wolke, auf Englisch: Cloud.US-Konzerne wie Amazon, Microsoft oder Google setzen im Cloud-Geschäft zwar die Standards bei der Software, nicht zuletzt wegen der Aktivitäten der US-Geheimdienste sind Cancom und Bechtle gleichwohl hierzulande die Türöffner für die Cloud-Angebote der IT-Riesen. Dieser Markt wächst besonders schnell. Das Cloud-Geschäft ist jedoch beileibe nicht das einzige Wachstumssegment der Branche.
Mit 85 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr ist Deutschland der größte IT-Markt in Europa. Bis 2018 prognostizieren die Marktforscher von Statista hier jährliche Zuwächse von 2,5 Prozent. Damit ist Platz genug für Aufsteiger in Bereichen mit hohen Wachstumsraten.
Auch deshalb zählen Nebenwerte aus dem IT-Bereich regelmäßig zu den Outperformern an der Börse: Mit jeweils 61 und 51 Prozent Kursplus in zwölf Monaten legten die Papiere von Cancom und Bechtle deutlich stärker zu als ihre Vergleichsindizes MDAX und TecDAX, die es auf 2,6 und 2,4 Prozent brachten.
Die Stärke der deutschen IT-Unternehmen beruht auf ihren guten Beziehungen zu hiesigen Firmenkunden. "Die Amerikaner überlassen die industrielle Sphäre oft den Deutschen", sagt Felix Reinshagen. Der promovierte Informatiker hat lange für die Unternehmensberatung McKinsey im Silicon Valley gearbeitet. Dann gab Reinshagen sein Büro im kalifornischen Palo Alto auf, um seine eigene Firma zu gründen, obwohl ihm attraktive Offerten amerikanischer Venture-Capital-Firmen vorlagen. Als Standort wählte Reinshagen München - und nicht mehr das Silicon Valley.
Navvis, das Start-up des Ökonomen und Informatikers, erstellt fotorealistische 3-D-Aufnahmen von Innenräumen und will sich auf die Gebäudenavigation spezialisieren. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Firmengebäuden und Produktionsanlagen ist das ein Markt mit großem Wachstumspotenzial. Bayerns Hauptstadt sei der weltbeste Cluster für das Internet der Dinge, sagt der IT-Experte über das Netzwerk junger Technologiefirmen im Süden Deutschlands.
SAP auf der Spur
Auch abseits renommierter IT-Größen wie dem im DAX notierten Softwarekonzern SAP gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, die es mit der starken US-Konkurrenz aufnehmen können. Beispiel Nemetschek: Die TecDAX-Firma entwickelt Software für dreidimensionale Planungen von Gebäuden. In Europa ist das Familienunternehmen damit die Nummer 1. Konkurrenten wie der deutlich größere US-Konzern Autodesk halten die Bayern auf dem alten Kontinent erfolgreich auf Abstand.RIB Software, ebenfalls auf Programme für die Bauwirtschaft spezialisiert, ist in einem benachbarten Segment Spitzenreiter in Deutschland. Die Projektmanagementsoftware der Schwaben verbindet die Objektentwicklung bei Bau- und Architekturfirmen mit der Ressourcenplanung der Unternehmen. Das vereinfacht Infrastrukturprojekte und reduziert die Kosten.
Auf der Kundenliste stehen mehr als 15.000 Firmen aus Deutschland. Weil diese ab Juli nach und nach auf eine neue Softwareversion umrüsten, ist die Nachhaltigkeit des Geschäfts vorerst gesichert. Bei der Internationalisierung steht die Firma aus Stuttgart aber noch am Anfang. RIB-Chef Thomas Wolf hat daher die Prioritäten in der Geschäftsentwicklung geändert: Umsatzwachstum geht vor, auch wenn es niedrigere Margen zur Folge hat. Für 2016 werden 100 Millionen Euro Umsatz angepeilt, gut ein Fünftel mehr als im Vorjahr, "auch wenn wir bei der operativen Marge die 30 Prozent nicht erreichen", sagte Wolf im November. Zulegen wollen die Schwaben in Spanien und Lateinamerika. Durch Zukäufe soll die Kundenbasis breiter werden.
An der Börse kam das nicht gut an, der Kurs rutschte ab. Seit Februar hat sich die Aktie aber stabilisiert. RIB kann sich vorübergehend Abstriche bei der Marge leisten. Die 172 Millionen Euro große Cash-Reserve ist mehr als doppelt so hoch wie der Umsatz für 2015.
Begehrte Kliniksoftware
Für den IT-Spezialisten Nexus aus Villingen-Schwenningen, einen Entwickler von Software für Krankenhäuser, bietet der Heimatmarkt genügend Wachstumsmöglichkeiten. Die jährlichen Einsparungen durch digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitssystem schätzt das Fraunhofer-Institut auf 9,6 Milliarden Euro. Dieses Potenzial will Nexus mit einem breiten Softwareangebot nutzen. Auch deshalb investieren die Schwaben rund 16 Prozent der Erlöse in die Entwicklung neuer Anwendungen - mehr als die meisten Konkurrenten. Darüber hinaus werden Firmen akquiriert. Mit Marabu in Berlin wurden Experten für digitale Archivierung eingekauft, mit CS3i in Creuzier-le-Neuf der Marktführer für digitale Patientenakten in französischen Privatkliniken. Chef Ingo Behrendt will Nexus bis 2020 zum größten Anbieter von Kliniksoftware in Europa aufbauen.Die Compugroup aus Koblenz hat das Ziel der Marktführerschaft in ihrer Nische schon erreicht. Die Firma liefert Arztpraxen- und Apotheken-Software für die Verwaltung der Betriebe. Außerdem erarbeiten die Rheinland-Pfälzer Programme für digitale Patientenakten und Diagnosesoftware. Mit über 64.000 Kunden in Deutschland kommt die Firma nach Schätzungen der Commerzbank hierzulande auf einen Marktanteil von 40 Prozent. Genauso stark sind die Koblenzer in Frankreich und in Italien. Und weil knapp 70 Prozent des Umsatzes auf mehrjährige Verträge zurückgeht, ist das Geschäftsmodell des Nischenprimus bei der Ärzte-IT nicht nur kerngesund, sondern auch stabil.
Investor-Info
Cancom
Hoch in der Wolke
Im März sammelte Cancom mit neuen Aktien bei institutionellen Aktionären rund 65 Millionen Euro ein. Deutschlands zweitgrößter IT-Dienstleister hinter Bechtle will sein Wachstum durch Zukäufe beschleunigen. Ende 2013 hatten die Bayern Kapital für den Kauf der Kölner Pironet NDH aufgenommen. Bis 2018 erwarten Analysten jährliche Gewinnzuwächse zwischen knapp 13 und 18 Prozent. Anleger positionieren sich mit der Aktie für den Boom im Cloud-Geschäft.
RIB Software
Wacker in Schwaben
Im Juli kommt die Cloud-Version der Standardsoftware iTWO. Trotz des Ziels, den Umsatz 2016 um gut ein Fünftel auf 100 Millionen Euro zu steigern, sei 2016 ein Übergangsjahr, sagt RIB-Chef Thomas Wolf. Analysten trauen den Schwaben nur 17 Prozent Umsatzplus zu. Derzeit ist der Aktienkurs
jedoch weiter unter Druck. Abwarten.
Nexus
An die Spitze
Im Mai erwarb Nexus mit Switspot einen Softwareentwickler für Personalverwaltungssysteme in Krankenhäusern. Auf der Kaufliste stehen weitere Unternehmen mit Spezial-Know-how oder regionaler Präsenz, sagt Chef Ingo Behrendt. 2020 will Nexus in Europa die Nummer 1 sein. Beim Umsatz erwarten Analysten 2016 ein Plus von zehn Prozent auf 107 Millionen Euro. Der Gewinn soll um knapp 70 Prozent zulegen. Aussichtsreich.Ausgewählte Hebelprodukte auf Alphabet A (ex Google)
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