Euro am Sonntag-Interview

Theo Waigel: "Stärker für Europa kämpfen"

18.02.17 08:00 Uhr

Theo Waigel: "Stärker für Europa kämpfen" | finanzen.net

Der Euro-Mitbegründer und ehemalige Finanzminister Theo Waigel über den Zustand der EU, die Folgen des Brexit und der Niedrigzinspolitik der EZB.

von Peter Gewalt, Chef-Redakteur €uro am Sonntag

€uro am Sonntag: Herr Waigel, viele Europäer wenden sich von der EU ab. Kann eine Veranstaltung wie Ihre Münchner Europa Konferenz vergangene Woche dem etwas entgegensetzen?
Theo Waigel: Ja, sehr viel sogar. Gerade in diesen schwierigen Zeiten muss es das Ziel dieser überparteilichen Veranstaltung sein, die von Münchner Bürgern gegründet wurde, die Zivilgesellschaft wieder mehr für Europa zu begeistern.

An welche Gruppen denken Sie denn?
Wir brauchen ein breites Bündnis aus Politik, Gewerkschaften, Bauernverband, Wirtschaft, Kirchen und vor allem der jungen Generation, um stärker für die europäische Idee zu kämpfen. Gerade die Jüngeren profitieren davon, dass die Grenzen gefallen sind.

Aber selbst Kommissions­präsident Jean-Claude Juncker beklagt den aktuellen Zustand der Europäischen Union.
Ich streite auch nicht ab, dass ­Europa gleich mit mehreren Krisen zu kämpfen hat. Dazu zählen besonders die Folgen der Flüchtlings- oder Finanzkrise.

Die Reaktion der Europäischen Union darauf war nicht immer professionell.
Ja, aber schließlich ist ein Europa mit 28 Mitgliedern schwerer zu koordinieren als früher mit sechs Mitgliedern. Das Gleiche gilt auch für die Währungsunion mit ihren 19 Mitgliedern. Daher ist es wichtig, dass die EU derzeit nicht weiter vertieft, sondern stabilisiert wird.

Die Deutschen kritisieren auch die lockere EZB-Geldpolitik. Zu Recht?
Ich frage mich, warum die Deutschen nur die negativen Seiten der EZB-Politik sehen. Schließlich ist der Euro zur Weltwährung Nummer 2 aufgestiegen, die Inflation ist unter Kontrolle, die deutsche Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Exporte steigen, die Schulden trotz Wiedervereinigungskosten nicht. Der Euro ist doch eine Erfolgsgeschichte.

Der die Sparer viel kostet.
Ja, aber das ist eine Folge einer Geldpolitik, die auch alle anderen wichtigen Notenbanken der Welt angesichts der Finanzkrise vollzogen haben. Und eines ist ebenso wichtig: Während der D-Mark-Ära hatten wir mehr als die Hälfte der Zeit negative Realzinsen. Auch da haben Sparer Geld verloren, aufgeregt hat sich damals aber kaum jemand.

Die Deutschen treibt ebenso die Angst um, dass sie bei einer Staatspleite für die Schulden anderer ­geradestehen müssen.
Auch da gehört es zur Wahrheit, dass der deutsche Steuerzahler auch früher gehaftet hat, wenn ein anderer Staat pleitegegangen ist und Deutschland Staatsschulden abschreiben musste.

Sie waren vor genau 25 Jahren ­einer der Unterzeichner des Maastricht-Vertrags, der dem Euro den Weg bereitete. Würden Sie den Vertrag in dieser Form noch einmal unterschreiben?
In wesentlichen Punkten ist der Vertrag, der später um den Sta­bilitäts- und Wachstumspakt ergänzt wurde, immer noch richtig. Der größte Fehler waren nicht die Verträge, sondern dass diese später - auch von Deutschland - gebrochen wurden.

Die Briten werden in Kürze den EU-Austritt beantragen. Sollten die Europäer bei den Verhand­lungen besondere Härte zeigen?
Ich halte nichts von einer Re­vanche. Man sollte sich partnerschaftlich verhalten, aber auch verhindern, dass sich die Briten die Rosinen rauspicken.

Populistische Parteien in Frankreich und den Niederlanden ­streben auch aus der EU. Haben Sie Angst vor einer Austrittswelle?
Nein. Denn ich bin sicher, dass am Ende die proeuropäischen Kräfte wie zuletzt bei der Präsidentschaftswahl in Österreich die Oberhand behalten.

Eine weitere Herausforderung für die EU ist Donald Trump. Ist der neue US-Präsident eine ­Gefahr oder Chance für die EU?
Auf jeden Fall wird Donald Trump erkennen, dass der EU auch durch den Euro weltweit viel Gewicht zukommt - ein weiter Grund ­übrigens, sich für ein geeintes ­Europa einzusetzen.

Ist die aktuelle Krise die schwerste in der EU-Geschichte?
Nein. Und wenn man sieht, welche Schwierigkeiten die EU in den letzten 40 Jahren überwunden hat, dann ist auch diese Krise zu bewältigen.

Mehr zum Thema finden Sie in der aktuellen €uro am Sonntag auf Seite 22, die ab 18. Februar 2017 erscheint.

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