Symrise-Chef: "Trüffel schmeckt perfekt"

von Sonja Funke, Euro am Sonntag

Ein süßer, fruchtiger Duft liegt in der Luft. Er zieht den Besucher in seinen Bann, der zwischen alten Backsteinfabriken und hochmoderner Technologie über das Firmengelände von Symrise geht. Die Nase schnuppernd im kalten Nieselregen, wachsen vor dem inneren Auge vollreife, saftig-gelbe Pfirsiche. Oder Aprikosen? Bis zu 800 verschiedene Gerüche können die Parfümeure des Unternehmens mit Sitz in Holzminden unterscheiden. Vier Jahre lang werden sie für die Erforschung und Entwicklung von Duft- und ­Aromastoffen ausgebildet. Wer als Arbeitsplatz jedoch ein filmreifes, romantisches Plätzchen vermutet, wird enttäuscht. Symrise, 2003 aus der Fusion von Dragoco und Haarmann & Reimer entstanden, ist längst ein Weltkonzern. Mit 8.000 Mitarbeitern an 80 Standorten zählt das im MDAX notierte Unternehmen zu den vier Großen der Branche. Der weltweite Marktanteil liegt bei 13 Prozent. Der Chef der Duftfabrik legt Wert darauf, die Herkunft seiner Produkte genau zu kennen. Nachhaltigkeit ist ihm wichtig - auch bei den Aussichten fürs Geschäft.

€uro am Sonntag: Was ist guter Geschmack?
Heinz-Jürgen Bertram: Trüffel. Der ist perfekt. Das Aroma von weißem Trüffel: Er hat eine langsam ansteigende Amplitude, eine langsam ansteigende Tonalität. Sehr komplex. Und einen lang anhaltenden Nachgeschmack. Von gutem Geschmack haben Sie lange etwas. Mit einem einfachen Nudelgericht und einem Glas Rotwein - das hat für mich etwas Sinnliches.

Haben Sie eine gute Nase?
Eher Durchschnitt. Die Aufnahmeprüfung unserer Schule für Parfümeure würde ich nicht bestehen.

Mit dem Zukauf der Diana-Gruppe, einem Hersteller von Heimtier­nahrung, haben Sie zuletzt einen guten Riecher bewiesen. Wie schreitet die Integration voran?
Mitte des Jahres wird sie vollständig abgeschlossen sein. Auch Verkäufe von Randgeschäften und Standortschließungen sind dann erledigt. Bis dahin weisen wir die Integrationskosten von etwa 20 Millionen Euro gesondert aus. Durch Einsparungen und sonstige Maßnahmen bringt ­Diana uns unterm Strich effektiv aber auch 20 Millionen Euro ein.

Was sind die Ziele für Diana?
Wir haben den Markt und die Wettbewerber mit dem Zukauf überrascht. Die Investoren staunen und stellen fest: Da macht mal jemand ­etwas Ungewöhnliches - und es ist eine gute Idee! Wir stehen hier noch ganz am Anfang, sind aber - auch was die Integration angeht - in sicherem Fahrwasser. Da ist noch eine Menge Potenzial.

Was fehlt jetzt noch im Portfolio?
Im Moment sind wir sehr zufrieden. Unser Portfolio ist einzigartig und sehr umfassend, wir werden es mittelfristig nicht ausweiten. Es gibt aber Bereiche und Regionen, die wir noch verstärken können. In Nordamerika sind wir zum Beispiel unterrepräsentiert. Auch an neuen Technologien wie der Biotechnologie sind wir immer interessiert.

Das heißt, Sie kaufen weiter zu?
Vor allem im Technologiebereich sind kleinere Zukäufe denkbar. Mit einer Eigenkapitalquote von etwa 40 Prozent ist unsere Finanzausstattung so solide, dass wir kleinere und mittlere Akquisitionen zu jeder Zeit locker stemmen können und spätestens in einem halben Jahr auch jede große. Wir halten die Augen offen und führen immer Gespräche. Spruchreif ist derzeit aber nichts. Insgesamt ist der Markt inzwischen stark konsolidiert.

Das dritte Quartal war stark, ist das vierte ebenso gut gelaufen?
Wir sind zufrieden. Wir werden unsere Ziele erreichen und keine unangenehmen Überraschungen erleben. Auch der Ausblick bleibt bestehen. Gemessen an Umsatz und ­Ertrag war auch 2014 wieder ein ­Rekordjahr. Das erwartet der Markt von uns, und das werden wir auch abliefern.

Soll Symrise auch 2015 schneller wachsen als der Markt?
Wir streben weiterhin ein organisches Wachstum von fünf bis sieben Prozent an. Der Markt wächst pro Jahr um zwei bis drei Prozent. Bis 2020 wollen wir jährlich eine Ebitda-Marge von 19 bis 22 Prozent erzielen.

Wie wollen Sie das stemmen?
Mit unseren Aktivitäten in den Bereichen Babynahrung, Mundpfle­ge, Probiotika und Heimtierfutter haben wir unsere Kompetenzen deutlich über das klassische Geschäft mit Duftstoffen und Aromen ausgeweitet. Diese Bereiche wollen wir nun stabilisieren. Einige haben das Potenzial, deutlich schnelleres Wachstum zu generieren. ­Darauf werden wir uns nun konzentrieren.

Was haben Sie als Nächstes vor?
Wir sind in den letzten Jahren stürmisch gewachsen, nun klemmt es an allen Stellen der Infrastruktur. Wir bauen gerade für 30 Millionen Euro ein neues Kraftwerk auf dem Gelände in Holzminden. Insgesamt vertraue ich darauf, dass 2015 ein gutes Jahr wird.

Wie profitieren Sie von den niedrigen Rohstoff- und Energiepreisen?
Im Augenblick haben wir die perfekte aller Welten: Energie ist billig, Öl ist billig, bestimmte Rohstoffe steigen nicht im Preis. Aber es ist schon abzusehen, dass die Preise, zum Beispiel bei Vanille, wieder etwas anziehen.

Gibt der Ölpreis 2015 Rückenwind?
Experten gehen davon aus, dass der Ölpreis niedrig bleibt. Das heißt, die Verbraucher haben mehr Geld für Ernährung und ­Körperpflege zur Verfügung - das wäre natürlich indirekt auch für uns gut. Ob es aber ein weiteres Jahr mit überschäumendem Wachstum wird, hängt auch von den geopolitischen Risiken und der Entwicklung weltweiter Krisenherde ab.

Wird Zahnpasta billiger, wenn der Ölpreis sinkt?
Das kann durchaus sein. Allerdings ist der in Zahnpasta enthaltene Anteil an Menthol, das aus Rohöl gewonnen wird, sehr gering. Der Preisnachlass dürfte kaum spürbar werden. Grundsätzlich kann ich steigende oder sinkende Rohstoffkosten natürlich an die Kunden weitergeben - da es sich aber um eine lange Kette handelt, beträgt die zeitliche Verzögerung immer etwa ein halbes Jahr.

Wo steuert Symrise hin?
In zehn Jahren wird Symrise vermutlich nicht nur im DAX, sondern auch noch weiter diversifiziert sein. Wir wollen in allen Kernbereichen rückwärts integriert sein.

Rückwärts integriert?
Das heißt, wir wollen den Acker und den Landwirt kennen, von dem die Rohstoffe für unsere Produkte stammen. Seien es Zwiebeln aus Deutschland, Sellerie aus Frankreich, Bananen aus Ecuador oder Vanille aus Madagaskar. Dort haben wir jetzt drei Fabriken und kennen die Herkunft unserer Vanilleschoten ganz genau.

Nachhaltigkeit ist Ihnen wichtig. Was machen Sie sonst noch besser als die Wettbewerber?
Wir haben ein viel umfassenderes Portfolio. Wir sind die Einzigen, die etwas für die ganze Familie haben: für die Frau, den Mann, den Sohn, die Tochter, den Opa, den Hund und die Katze. Selbst Futter für Aquakulturen. Und wir können unsere Kompetenzen wunderbar miteinander kombinieren.

Inwiefern?
Wir haben seit Kurzem eine Technologieplattform für probiotische Lösungen in der Mundpflege - das ist neu.
... die also lebensfähige Mikroorganismen enthalten ...
Probiotika lassen sich aber auch anderweitig anwenden: in der Körperpflege, in Hautcremes, in der Tiernahrung. Heraus kommen überraschende Lösungen, und wenn die funktionieren, sind wir die Ersten und Einzigen, die das haben. Das verdeutlicht, wo wir noch eine Menge Potenzial sehen. Wir sind stürmisch gewachsen und werden nun erst einmal ernten, was wir gesät haben.

Als Sie 2009 Symrise-Chef wurden, stand der Kurs bei zehn Euro. Mit über 50 Euro sind die Aktien jetzt recht teuer - kaufen Sie noch?
Ich habe erst kürzlich gekauft, für 46 Euro. Billiger wird es nicht. Das Problem war, dass der Markt kein Vertrauen hatte. Es hat lange gedauert, das aufzubauen.

Was ist das Tolle an Ihrem Job?
Es macht mir Spaß, mit ungewöhnlichen Ideen zu überraschen, kreative Lösungen zu finden und ein Unternehmen zu führen, auf das ich stolz sein kann.

Ihr Traum für Symrise?
Ich möchte ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen führen, in dem Menschen mit Teamgeist und frischen Ideen ihre Leidenschaft leben. Viel zu oft gehen den Leuten ihre Träume verloren, wenn sie eine Krawatte tragen.

Der Herr der Düfte
Heinz-Jürgen Bertram (56) ist Landwirt und promovierter Chemiker. Der elterliche Hof wuchs unter seinen Fittichen von 15 auf 300 Hektar. In der Hildesheimer Börde baut er ­Zuckerrüben, Weizen und Raps an. Seine berufliche Laufbahn begann der gebürtige Niedersachse 1987 bei Bayer. 1990 wechselte er zur Haarmann & Reimer GmbH nach Holzminden, die 2003 im neu entstehenden Symrise-Konzern aufging. Nach verschiedenen leitenden Positionen wurde er dort 2009 zum Vorstandschef berufen.