Euro am Sonntag Exklusiv

Börsenexperte und Crash-Prophet: „Dann kommt der Crash“

13.08.13 03:00 Uhr

Alles gut an den Börsen? Von wegen: Der ausgewiesene Crash-Prophet Roland Leuschel sagt den großen Absturz voraus. Und das sei erst der Anfang. Eine Währungsreform werde ebenfalls kommen.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Der Mann ist 76 und schon ein paar Jahre im Ruhestand. Doch der langjährige Banker und Anlagestratege Roland Leuschel verfolgt die Entwicklungen an den Börsen in diesen Tagen so intensiv wie in seinen besten Zeiten als Finanzprofi. Angesichts der Rekordstände etwa im amerikanischen Leitindex Dow Jones warnt der Pfälzer vor Unheil — wie schon 1987 und vor der Lehman-Pleite im Jahr 2008.

€uro am Sonntag sprach mit dem Exbanker und Börsenexperten über historische Parallelen, manipulierte Signale an den Märkten — und warum sich Anleger besser heute als morgen mit Sachwerten wie Immobilien und Gold ausrüsten sollten.

€uro am Sonntag: Herr Leuschel, Sie gelten als Crash-Prophet. Zunächst eine provokante Frage: Der Dow ist auf Rekordstand, der DAX markierte im Mai ein Allzeithoch. Geht die Party weiter?
Roland Leuschel: Ich habe diesen Ruf, seitdem ich den Absturz der Börsen im Herbst 1987 vorausgesagt habe. Damals war die Wall Street schon Jahre gelaufen, nachdem die US-Regierung unter Ronald Reagan die Steuern massiv gesenkt hatte. Ausgelöst wurde der Crash dann letztlich dadurch, dass in Japan die langfristigen Zinsen am Rentenmarkt gestiegen sind. Heute haben wir in mehrfacher Hinsicht eine ähnliche Situation. Die Wall Street läuft bereits seit dem März 2009. Und die langfristigen Zinsen haben in den USA unlängst deutlich angezogen.

Wie lange haben wir noch Zeit?
Meiner Ansicht nach steht die Baisse unmittelbar bevor. Beim breiten US-Index S & P 500 sehe ich die Spitze bei etwa 1730 Punkten. Da sind wir schon fast. Der US-Markt ist mit ­einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 20 überbewertet. Die Anleger sind zudem viel zu optimistisch. Der Markt ist reif für einen Crash.

Wie weit geht es runter?
In etwa um die Hälfte, sowohl an den US-Börsen als auch beim DAX.

Das sind keine guten Nachrichten ...
1987 war das ähnlich. Da ging es an einem einzigen Tag im Dow um knapp 23 Prozent runter. Dass es so dick kommt, hätte ich damals auch nicht geglaubt. Es ging so schnell, dass man kaum handeln konnte.

Haben Sie damals Geld verloren?
Nein, ich war draußen. Aber ich war leider zu früh ausgestiegen und hatte einen Teil der vorangegangenen Rally verpasst. Und als ich hinterher wieder rein bin, hat es noch lange gedauert, bis sich der Markt erholt hat.

Die Überbewertung, von der Sie sprechen, ist das eine gewöhnliche in einem normalen Zyklus?
Wir leben in einer unglaublichen Welt. Ich habe schon ein gewisses Alter und habe viele Konjunktur- und Börsenzyklen erlebt. Aber ich habe noch nie gesehen, dass die Märkte so von den Notenbanken manipuliert werden. Marktzinsen und Kurse, die entscheidenden Größen, an denen sich Analytiker orientieren, sind inzwischen Produkte von Interventionen. Die Notenbanker denken offenbar, dass sie in der Lage sind, die Zyklen zu verändern. Ich misstraue diesem Glauben. Ich glaube, dass das Ganze schlimmstenfalls in einen Zusammenbruch münden wird. Es droht ein gigantischer Crash des weltweiten Finanzsystems.

Die expansive Geldpolitik hat aber doch in den USA dazu geführt, dass die US-Wirtschaft sich von der tiefen Krise erholt hat. In Europa hat die EZB den Euro stabilisiert ...
Die überfällige und notwendige Bereinigung der Ungleichgewichte und Fehlentwicklungen wurde nicht verhindert, sondern nur verschoben. Damit wurde die Lage kurzfristig zwar stabilisiert, aber längerfristig deutlich verschlimmert. Es gelten weiter fundamentale Gesetze. Die Konjunktur bestimmt die Höhe der Unternehmensgewinne, deren Höhe bestimmt die Höhe der Aktienkurse. Man hat aber auch hier den Eindruck, dass verfälscht wird. Die US-Konjunktur etwa ist nach offiziellen Zahlen im ersten Quartal real um 1,1 Prozent und im zweiten Quartal um 1,7 Prozent gestiegen. Das hört sich gut an. Aber ursprünglich waren die Schätzungen für das Wirtschaftswachstum viel höher. Zudem wurde die Inflationsrate nach unten korrigiert. Das US-Wirtschaftswachs­tum ist schwach. Es gibt sogar Experten, die der Meinung sind, dass sich die USA bereits seit Ende 2012 in einer Rezession befinden.

US-Notenbankpräsident Ben Bernanke ist der Meinung, dass es mit der US-Wirtschaft allmählich aufwärtsgeht ...
Dieser Meinung war er auch im Sommer 2008. Damals befand sich die US-Wirtschaft bereits seit einem halben Jahr in einer Rezession, die er ebenso wenig erkannte wie die Gefahren der Immobilienblase. Ich weigere mich zu glauben, dass die Bürokraten in den Notenbanken durch eine entsprechende Geldpolitik die Marktgesetze außer Kraft setzen können. Die Zinsen sind seit Jahren quasi auf null, zusätzlich gibt es riesige Anleihekäufe. Die Bilanzen der Notenbanken in den USA, in Europa, auch in Japan sind extrem aufgebläht. Durch die Geldflut entsteht ein gewaltiges Inflationspotenzial. Das alles ist unverantwortlich.

Wohin führt uns dieses geld­politische Experiment?
Amerika bewegt sich am Rande einer Rezession. Die Verschuldung steigt. Ich glaube nicht, dass die USA die Verschuldung auf gewöhnlichem Wege, durch Tilgung, abbauen können. Das geht nur über die Inflation. Auch die meisten Länder in Europa werden ihre Schulden nicht bedienen können. In Europa wird es deshalb zu einer Währungsreform kommen. Das könnte schon im nächsten Sommer geschehen.

Jetzt bitte langsam. Im September ist Bundestagswahl. Kommt danach ein weiterer Schuldenschnitt in Griechenland?
Ja, erst kommt ein Schnitt in Griechenland, dann werden auch Portugal, Spanien und Italien zumindest einen teilweisen Schuldenerlass fordern. Ich lebe die Hälfte des Jahres in Portugal. Dort ist nichts los, weder in den Geschäften noch auf der Straße, es gibt keine Staus, die Wirtschaft lahmt. Diese Länder brauchen eine Währungsreform, sonst kommt ihre Wirtschaft nicht mehr in die Gänge. Das war bei uns nach dem Zweiten Weltkrieg ja auch der Fall, damals haben Länder wie Griechenland auf Reparationszahlungen verzichtet. Jetzt sollten wir großzügig sein und den Südeuropäern ein Wirtschaftswunder ermöglichen.

Wenn das alles tatsächlich so ­eintritt — wie können Anleger ihr Vermögen schützen?
Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich tue, um für meine vier Kinder und neun Enkel vorzusorgen. Basis ist eine eigene Immobilie, in der man wohnt. Möglichst schuldenfrei. Nach einer Währungsreform muss man allerdings damit rechnen, dass hierauf Steuern erhoben werden, Immobilienbesitz ist fast überall verbrieft. Darüber hinaus halte ich die Hälfte meines Vermögens in Cash. Zudem sollte man mindestens 25 Prozent in Gold anlegen. Ich könnte mir vorstellen, dass ein neues Währungssystem in irgendeiner Form an Gold aufgehängt wird, so wie es vor 1971 auch im System von Bretton Woods war. Wir brauchen ein stabiles Währungssystem für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Und wir brauchen ein Zinsniveau, das die Sparer nicht enteignet.

Wer hat die Kontrolle in dem neuen System?
Diejenigen, die das meiste Gold besitzen, also die Asiaten. Sie werden das Sagen haben. Die Europäer und die Deutschen sind nur noch kleine Rädchen in diesem System.

Macht es Ihnen eigentlich Spaß, der Welt vorauszusagen, dass sie untergeht?
Nein, die Welt geht nicht unter. Es wäre aber unverantwortlich, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Mir macht es aber nichts aus, als Crash-Prophet zu gelten. Ich habe viel Geld mit meinen Einschätzungen verdient. Und Aktien nach einem Crash einzusammeln, das ist schon eine kleine satanische Freude für mich.

Was tun Sie, wenn der große Knall ausbleibt?
Gar nichts. Ich freue mich darüber, dass wir noch sozialen Frieden haben. Wenn es wirtschaftlich besser laufen sollte, dann gibt es höchstwahrscheinlich eine Inflation, was Gold zugutekommt. Ja, womöglich wursteln wir noch ein, zwei Jahre weiter, ich bin schließlich kein Prophet. Aber irgendwann kommt etwas, beispielsweise ein Krieg, ein lokaler, der global wird, oder soziale Unruhen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Das hat in der Geschichte immer zu Konflikten geführt. Und dann kommt der Crash.

Kurzvita

Roland Leuschel
Exbanker
Roland Leuschel wurde 1937 in Neustadt an der Weinstraße geboren, studierte Wirtschafts­ingenieurwesen in Karlsruhe und in Berlin. Leuschel arbeitete lange Jahre als Direktor und Anlagestratege der Banque Bruxelles Lambert, die 1998 von der niederländischen ING übernommen wurde. Im Sommer 1987 sah er einen Crash voraus, der am 19. Oktober 1987, dem Schwarzen Montag, eintrat. Auch vor dem Lehman-Crash im Jahr 2008 warnte Leuschel vor einem Kurssturz. Anfang des Jahrtausends entdeckte Leuschel Gold als attraktive Anlage und investierte ins Edelmetall.

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