Euro am Sonntag

Europa: In Zeiten der Unsicherheit

18.12.18 09:12 Uhr

Europa: In Zeiten der Unsicherheit | finanzen.net

In Großbritannien, Frankreich und Italien gibt es Proteste. Politisches Hin und Her verstärkt das Durcheinander. Warum Anleger dennoch Ruhe bewahren sollten.

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von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Sie haben völlig unterschiedliche Ziele. Doch ihr Wunsch, sich Gehör zu verschaffen, eint sie. In Großbritannien gehen Menschen auf die Straße, weil sie die Europäische Union nicht verlassen wollen. In Frankreich protestieren sie gegen soziale Ungerechtigkeit. Und in Italien rufen sie nach einem starken Mann, der sie von vermeintlichen Zwängen der EU befreit. Halb Europa ist auf der Straße.



Währenddessen streiten sich die Weltmächte USA und China darum, ob der eine den anderen im gemeinsamen Handel ausnutzt, und überziehen sich mit Zöllen und Gegenzöllen.

Selten hat die Politik der Wirtschaft und der Finanzwelt die Stimmung so sehr vermiest wie momentan. Das gilt vor allem für Europa. "Eine Reihe von externen Schocks und politischen Risiken hat die Region in einen Kreislauf der Angst gestoßen", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Es ist die Ungewissheit, was in Großbritannien, Frankreich, Italien, aber auch in den USA und China geschehen wird, die die Laune deutlich trübt. "Weil sich die Unsicherheit ausbreitet, reagieren Unternehmen und Verbraucher nervöser auf Nachrichten, mit denen sie in ruhigeren Zeiten lockerer umgehen würden", erklärt Schmieding.


Besonders chaotisch präsentiert sich momentan Großbritannien. Vor einer Woche hätte das britische Parlament über den zwischen Premierministerin Theresa May und der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen müssen. Doch am Tag zuvor zog May die Notbremse und sagte das Votum ab. Es schien unausweichlich, dass das Parlament die Vereinbarung ablehnt.

Wenig später stellten Mitglieder von Mays Partei einen Misstrauensantrag gegen die Premierministerin. Am Mittwoch stimmten 200 Konservative für May, 117 gegen sie. Die Premierministerin bleibt damit im Amt, doch ein Zeichen von Stärke ist das Ergebnis nicht.


Zwar kann May nun für ein Jahr nicht mehr erneut per Misstrauensvotum angegriffen werden - eine Sorge weniger. Doch einer Zustimmung des Parlaments zum Austrittsvertrag ist Großbritannien damit keinen Schritt näher gekommen. Sämtliche Szenarien - verschiedene Formen eines "weichen" Brexits, Neuwahlen, ein ungeordneter "harter" Brexit, ja selbst ein Verbleib in der EU - sind damit weiterhin möglich und tragen die Ungewissheit ins neue Jahr.

Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag haben May und die übrigen EU-Staatschefs erneut hart um Lösungen gerungen. Ob die Ergebnisse für eine Zustimmung des britischen Parlaments zur ausgehandelten Vereinbarung reichen, ist offen.

Adieu Stabilität

Frankreich war nach der Wahl von Präsident Emmanuel Macron zunächst ein Hort der Stabilität. Doch in den vergangenen Wochen haben Proteste der sogenannten Gelbwesten für Unruhe gesorgt. Was zunächst als Krawall abgetan wurde, hat nun direkte Auswirkungen auf die französische Wirtschaftspolitik. Am Montag ging Macron auf einige Forderungen der Demonstranten ein. Er versprach unter anderem, den Mindestlohn zu erhöhen und Überstunden nicht mehr zu besteuern. Einige Tage zuvor hatte er bereits die geplante Steuererhöhung auf Kraftstoffe ausgesetzt.

Viele Ökonomen üben Kritik. "Politisch musste Macron reagieren, um die Lage zu beruhigen und die Gewalt einzudämmen", sagt Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts. "Aber die gewählten Maßnahmen halte ich für problematisch." In Frankreich sei der Mindestlohn bereits so hoch, dass er die Beschäftigung der schwächeren Gruppen am Arbeitsmarkt verringere. Auch ­Steuererleichterungen für Überstunden seien kontraproduktiv, da sie Überstunden förderten und nicht denen zugute kämen, die nur Teilzeitjobs oder keine Arbeit haben.

Noch einmal mehr Gefahrenpotenzial geht unterdessen von Italien aus. Die EU droht dem Land mit milliardenschweren Strafen, weil die neue Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte eine hohe Neuverschuldung plant und damit die EU-Stabilitätskriterien verletzt. Bereits jetzt ist Italien nach Griechenland der am zweithöchsten verschuldete Staat der Eurozone.

Falls das Land in Schieflage gerät und weiter an Bonität verliert, droht Ungemach. "Sollten andere europäische Peripheriestaaten mit Finanz­problemen angesteckt werden und der Staaten-Banken-Kreislauf wieder davon betroffen sein, könnten höhere Zinsen, ein reduziertes Kreditangebot sowie ein Vertrauensschock die Folge sein", sagt Apolline Menut, Ökonomin für die Eurozone bei AXA Investment Managers.

Immerhin scheint die italienische Regierung beweglich zu sein. Nach einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker stellte Conte ein Defizitziel von 2,04 Prozent der Wirtschaftsleistung in Aussicht. Die EU fordert zwar weniger als zwei Prozent, scheint aber nun zumindest zur neuerlichen Prüfung des italienischen Haushalts bereit.

Anleger können mit dem Chaos auf der politischen Bühne Europas nicht ­zufrieden sein. Die vielfältigen Sorgen könnten aber auch etwas Positives haben - wenn sie sich denn als unbegründet erweisen. "Falls sich die Risiken, vor denen sich die Märkte und Unternehmen fürchten, im ersten Quartal nicht verwirklichen, könnte sich der Ausblick entscheidend aufhellen", sagt Berenberg-Ökonom Schmieding.

Anziehende Kurse an den Börsen sind dann wahrscheinlich. "Taktisch kann man auf eine Erholung setzen", schreibt daher die Investmentgesellschaft Deka - und warnt zugleich vor weiteren Rücksetzern an den Aktienmärkten in den nächsten Monaten. "Solche Episoden stellen jedoch gute Einstiegsmöglichkeiten in die Märkte dar." Die Deka sieht deshalb im Jahr 2019 eine gute Phase für den kontinuierlichen Aufbau eines langfristig orientierten Wertpapierportfolios - nicht trotz der Unsicherheiten, sondern wegen.

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