Euro am Sonntag-Einschätzung

Linde: Guter Deal oder Luftnummer für Aktionäre?

23.08.16 03:00 Uhr

Linde: Guter Deal oder Luftnummer für Aktionäre? | finanzen.net

Der Industriekonzern Linde will sich mit seinem Rivalen Praxair verbünden. Entstehen würde ein neuer Weltmarktführer. Für Aktionäre gibt es allerdings Tücken.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Es läuft schon lange nicht mehr richtig rund bei Linde. Zwei Mal hat der Münchner DAX-Konzern seine Gewinnprognose in den vergangenen beiden Jahren gekürzt. Die Aktie dümpelt seit fünf Jahren seitwärts. Dann sind da die hartnäckigen Gerüchte aus der Konzern­zentrale, dass die Stimmung zwischen Konzernchef Wolfgang Büchele und ­Finanzvorstand Georg Denoke angespannt sei. Das alles interessiert aber plötzlich nur noch am Rand.



Linde steht vor einem spektakulären Einschnitt: Der Konzern verhandelt mit dem amerikanischen Konkurrenten Praxair über eine Fusion. "Die Gespräche laufen und haben noch zu keinen konkreten Ergebnissen oder Vereinbarungen geführt", bestätigte Linde. Ähnlich äußerte sich Praxair.

In Finanzkreisen wird mit einer Entscheidung noch in diesem Herbst gerechnet. Dafür spricht, dass die Gespräche offenbar schon seit vielen Monaten, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, laufen. Auf drei Wegen können Linde und Praxair zusammenfinden: Aus Sicht der Linde-Anteilseigner am attraktivsten wäre ein Übernahmeangebot der Amerikaner. In solchen Fällen ist ein Preisaufschlag üblich. Für Linde-Aktionäre wären das schnelle Gewinne. Dass Linde selbst als Käufer auftritt, ist angesichts der höheren Bewertung von Praxair unwahrscheinlich.


Derzeit allerdings deutet alles auf eine dritte Variante hin: eine Fusion ­unter Gleichen wie bei der Deutschen Börse und der LSE. Dieses Modell hat aus Sicht der Linde-Aktionäre den Nachteil, dass es keine Bargeldabfindung geben wird. Aktionären beider Unternehmen würde stattdessen nach einem bestimmten Schlüssel Aktien zugeteilt. Das wird ein kniffliges ­Rechenspiel.

Nach Marktkapitalisierung ist Praxair rund zehn Prozent größer als Linde. Nach Umsatz aber waren die Münchner im vergangenen Jahr fast doppelt so stark wie der Verhandlungspartner aus dem US-Bundesstaat Connecticut. Die Diskrepanz der Zahlen erklärt sich durch die unterschiedliche Aufstellung der Unternehmen. Lindes Schwachstelle ist die Konzernsparte für Anlagenbau. Dort schrumpfte der Umsatz im ersten Halbjahr um 20 Prozent. Zugleich ist die Marge in diesem Bereich deutlich niedriger als im Gasegeschäft. Das drückt den Börsenwert.


Eine Gewichtung der Machtverhältnisse nur nach Umsatz wäre darum nicht sinnvoll. "Linde-Aktionäre sollten einen höheren Anteil des neuen Konzerns erhalten, als es der Börsenwert unmittelbar vor den ersten Fusionsgesprächen widerspiegelt", argumentiert die Privatbank M.M. Warburg.

Zweiter Knackpunkt ist die Zustimmung der Wettbewerbshüter. Der Markt für Industriegase ist nach zahlreichen Übernahmen auf wenige Unternehmen konzentriert. Die vier stärksten kontrollieren mehr als 75 Prozent des Geschäfts. Linde und Praxair würden zusammen auf 40 Prozent Marktanteil kommen und damit den bisherigen Primus Air Liquide verdrängen. Die Franzosen hatten sich ebenfalls durch eine Übernahme an die Spitze gebracht.

Raus aus der Wachstumsfalle

Um faire Verhältnisse für die Kunden zu gewährleisten, würden Wettbewerbs­hüter bei Linde und Praxair Zugeständnisse einfordern. Beide müssten Teilbereiche verkaufen. An Auflagen der Wettbewerbshüter dürften die beiden Konzerne ihre Pläne aber nicht scheitern lassen. Denn die Argumente für einen Zusammenschluss sind stark.

Die Branche hat ein Problem: Weil viele Kunden aus der Industrie kommen, ist die Nachfrage mit der schwächelnden Weltkonjunktur ins Stocken geraten. Als neuen Wachstumsmarkt haben die Unternehmen den Gesundheitssektor entdeckt. Dort liefern sie Gase zur Behandlung von chronischen Erkrankungen wie Asthma. Das war Ende vergangenen Jahres auch der Antrieb für Linde, American HomePatient zu kaufen. Die US-Firma hat sich auf ­Beatmungstherapien spezialisiert, etwa für Patienten mit Lungenerkrankungen. Fortschritte im Gesundheitssektor werden aber überlagert durch Probleme in den anderen Geschäftsfeldern. "Wo bleibt das Wachstum?" - das fragte die Investmentbank JP Morgan nach den jüngsten Geschäftszahlen von Linde. Bei den Münchnern ist der Gesamtumsatz im ersten Halbjahr um fünf Prozent geschrumpft. Im Rest des Jahres dürfte es nicht besser werden. Auch bei Praxair kalkulieren die Profis mit einem leichten Umsatzrückgang.

Gemeinsam könnten beide klassische Größenvorteile ausschlachten, etwa durch Einsparungen in der Verwaltung oder größere Verhandlungsmacht beim Einkauf. Die Analysten von Warburg taxieren die Synergien auf bis zu 660 Millionen Euro. Das Analysehaus Baader kommt sogar auf bis zu 800 Millionen Euro. Das würde den Unternehmen einen wertvollen Schub geben und erklärt die positive Reaktion der Börse auf die Fusionsverhandlungen.

Personalpoker

Eine besondere Note bekommt die ­Situation durch Personalien im Hause Linde: Im Mai ist Wolfgang Reitzle, der langjährige Vorstandsvorsitzende, als Aufsichtsratschef zurückgekehrt. Unter seiner Führung hatte Linde einst den britischen Konkurrenten BOC übernommen und war damit in die Welt­spitze vorgerückt. Reitzle kennt sich also aus mit spektakulären Deals.

Knifflig ist die Lage für Vorstandschef Wolfgang Büchele. Während sein Vorgänger auch dank der guten Wirtschaftslage den Aktienkurs kräftig nach oben getrieben hat, ist er vor allem als Krisenmanager gefragt.

Bücheles Vertrag läuft bis Herbst 2017. Gewöhnlich wird mit Managern in dieser Position ein Jahr im Voraus verlängert. Das macht nur dann Sinn, wenn langfristig mit Büchele geplant wird.

Bei einer Fusion mit Praxair allerdings wäre ein Chef zu viel an Bord. Büchele oder sein Kollege bei Praxair, Steve Angel, müsste gehen - oder freiwillig in die zweite Reihe rutschen.

Spannend sind auch die Verhandlungen über den Firmensitz. Sollte Linde durch die Fusion in die USA auswandern, müsste der Konzern sogar seinen Platz im DAX räumen.

Investor-Info

Glossar
Übernahme und Fusion

Wenn ein Unternehmen wachsen will, ist der Kauf eines anderen Unternehmens der schnellste Weg. Eine Übernahme erfolgt entweder freundlich, also mit Zustimmung des Managements der Zielfirma, oder feindlich, wenn sich der Käufer direkt an die Aktionäre richtet. Nach Abschluss der Transaktion übernimmt der Käufer die Kontrolle. Eine Fusion signalisiert dagegen, dass beide gleichberechtigt sind. Bei der Umsetzung gibt es viele Wege. Die Fusionspartner können in einer neuen Firma verschmolzen werden. Möglich ist auch, dass eine Firma auf die andere wie bei einer Übernahme verschmolzen wird.

Linde
Offene Rechnung

Nach Bekanntgabe der Fusionsgespräche schoss die Linde-Aktie elf Prozent nach oben. Danach ist der Kurs leicht gesunken, liegt aber noch immer über dem Ausgangsniveau. Da bislang keine Details der Gespräche bekannt sind, tun sich Börsianer schwer, den genauen Wert von Linde in einer Fusion unter Gleichen einzuschätzen. Die DZ Bank stufte das Papier auf "Verkaufen" herunter, die meisten anderen Analysten haben ihr Anlageurteil nicht geändert. Die Redaktion stuft die Aktie als Halteposition ein.

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Bildquellen: Linde

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28.10.2024Linde OutperformBernstein Research
11.10.2024Linde OverweightJP Morgan Chase & Co.
06.08.2024Linde BuyJefferies & Company Inc.
06.08.2024Linde KaufenDZ BANK
02.08.2024Linde OutperformBernstein Research
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09.12.2024Linde NeutralUBS AG
31.10.2024Linde NeutralUBS AG
09.09.2024Linde NeutralUBS AG
28.08.2024Linde HoldJefferies & Company Inc.
28.08.2024Linde NeutralUBS AG
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07.02.2023Linde ReduceBaader Bank
19.01.2023Linde ReduceBaader Bank
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25.10.2022Linde ReduceBaader Bank
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