Euro am Sonntag-Einschätzung

IAA: Wie die Autobranche überzeugen will

12.09.17 03:00 Uhr

IAA: Wie die Autobranche überzeugen will | finanzen.net

Deutschlands Autokonzerne sind auf der diesjährigen Automobilmesse IAA unter besonderer Beobachtung der Investoren. Sind sie auf den Umbruch vorbereitet - oder laufen ihnen Firmen wie Tesla den Rang ab?

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von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Benzin liegt immer noch in der Luft, wenn sich in wenigen Tagen die Tore der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) öffnen. Die weltgrößte Auto­show zieht alle zwei Jahre Hunderttausende von Autonarren und PS-Liebhabern nach Frankfurt. Nur einen Steinwurf vom verruchten Frankfurter Bahnhofsviertel entfernt taucht der Besucher in eine Scheinwelt, in der Themen wie der Dieselskandal, Vertrauensverlust in die ­Autobauer und drohende Fahrverbote für Selbstzünder in Innenstädten keinen Platz haben.



Auf Hochglanz polierte Bo­liden wie der 700 PS starke ­Porsche 911 GT2 RS oder der Mercedes-AMG Project One mit wasch­echtem Formel-1-Motor und über 1.000 PS werden die Besucherströme in die heiligen Hallen der Automobilindustrie locken. Natürlich ist hier auch Platz für Elektroautos wie BMWs überarbeiteter Version vom elektrisch angetriebenen Stadtflitzer i3. Das Hauptinteresse des Publikums dürfte aber den schnittigen PS-Protzen gelten.

Also alles wie gewohnt? Mitnichten. Zahlreiche Hersteller, darunter Fiat Chrysler, Mitsu­bishi, Jeep, Nissan, Peugeot und der Elektroautopionier Tesla, bleiben der Leitmesse fern. Gerade für Tesla wäre die IAA eine Möglichkeit gewesen, die Kunden vom neuen Mittelklassestromer Model 3 - Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nennt es die wohl wichtigste Autoneuheit 2017 - zu überzeugen. Tesla-Chef Elon Musk sagte in diesem Zusammenhang aber jüngst, angesichts der enormen Nachfrage mache es keinen Sinn, die Bestellungen weiter in die Höhe zu treiben. Nach unternehmenseigenen Angaben liegen 450.000 Bestellungen für das Model 3 vor. Bis zur Auslieferung müssen Kunden nach aktuellem Stand mindestens ein Jahr warten. Wobei nicht sicher ist, ob Tesla den Schritt vom Nischenhersteller zum Massenproduzenten bewältigen kann und die selbst gesteckten Produktionsziele wirklich erreicht.

Von Hoch zu Hoch

Kommen die von Abgasskandal und Kartellvorwürfen geplagten deutschen Hersteller zu spät, um den Siegeszug von Musk zu stoppen? Der Blick auf die Aktienkurse von BMW, Daimler und Volkswagen lässt das vermuten. Von ihren Rekordständen sind alle Titel weit entfernt. Die Tesla-Aktie eilt von einem Hoch zum nächsten.

Die deutschen Hersteller sind erst spät auf den Hype um die Elektromobilität aufgesprungen. Vorreiter BMW hat mit dem i3 seit 2013 zwar ein eigens entwickeltes Elektroauto im Programm. Zu so aufsehenerregenden Erfolgsmeldungen wie Musk lassen sich die Münchner aber trotz stattlicher Wachstums­raten nicht hinreißen. In der Konzernzentrale im Münchner BMW-Vierzylinder, der weit in der Stadt zu sehen ist, herrscht gelassene Nüchternheit. Im ersten Halbjahr setzte der DAX-Konzern knapp 43.000 elektrifizierte Fahrzeuge - dazu zählen Elek­troautos und Plug-in-Hybride - ab.



Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Zuwachs von 80 Prozent. Im selben Zeitraum verkaufte BMW aber auch fast 1,2 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Der Anteil der Fahrzeuge mit alternativem Antrieb ist verhältnismäßig gering. Auch für Daimler und VW sind Elektrofahrzeuge noch immer eine Nische, mit der sich nur schwer Geld verdienen lässt. Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, warum die Deutschen teure Experimente, wie sie Musk mit Rückendeckung und Geld der Wall Street unternimmt, nur zögerlich eingehen.

Angesichts der Diskussion um die schädlichen Abgase von Dieselmotoren und drohender Fahrverbote muss die deutsche Autoindustrie allerdings dringend handeln. Das Landesverwaltungsgericht Stuttgart hatte zuletzt geurteilt, dass Fahrverbote trotz Softwarenachbesserung für Dieselfahrzeuge, welche die deutschen Autobauer auf ihre Kosten durchführen, praktisch unvermeidlich seien.

Auch das Umweltministerium hält weitere technische Nachrüstungen für unabdingbar, um Fahrverbote in Zusammenhang mit dem Ausstoß giftiger Stickstoffdioxide zu vermeiden. Die Deutsche Umwelthilfe strebt sogar eine Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Dabei geht es nicht nur um ­ältere Fahrzeuge. Sogar die neuesten Euro-6-Dieselfahrzeuge stoßen zu viele Stickoxide aus - und könnten aus den Städten verbannt werden.

Lust vergangen

Angesichts solcher Unsicherheiten ist den Deutschen die Lust auf den Selbstzünder vergangen. Der Dieselanteil bei den Neuzulassungen lag im August nur noch bei 38 Prozent - acht Prozentpunkte weniger als im Vorjahr.

Was die wenigsten wissen: Ob Dieselfahrverbote kommen, liegt vorrangig nicht in den Händen der Bundesregierung oder deutscher Gerichte, die nur EU-Vorgaben umsetzen. Bereits 2015, also vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals bei VW, leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Länder ein. Der Vorwurf: In Dutzenden von Großstädten und Regionen werden die geltenden Stickstoffdioxidgrenzwerte immer wieder überschritten.

Seither hat sich wenig geändert, weshalb die EU-Kommission das Verfahren gegen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien im Februar dieses Jahres deutlich verschärft hat. Im nächsten Schritt können die EU-Beamten eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einreichen.

In einem vertraulichen Schreiben regte die EU-Kommission schon vor zwei Jahren von Deutschland ein Förderprogramm für Elektrofahrzeuge, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und Fahr­verbote für Dieselautos in besonders belasteten ­Gebieten an. ­Außerdem ist der Kommission das deutsche Steuerprivileg für Dieselkraftstoff ein Dorn im Auge. Gut möglich, dass viele Politiker nach der Bundestagswahl am 24. September das ­unpopuläre Thema angehen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fordert dies bereits vehement. Streicht die künftige Bundesregierung den Steuervorteil von 18,4 Cent pro Liter, dürfte der Anteil von Dieselfahrzeugen bei den Neuzulassungen von ganz alleine drastisch einbrechen.

Verbrenner am Pranger

Nicht nur in Deutschland ­stehen Autos mit Verbrennungsmotor in der Schusslinie. Norwegen will Autos mit Benzin- oder Dieselmotor 2025 die Zulassung verwehren. Schottland plant dies für 2032. Acht Jahre später sollen Frankreich und Großbritannien folgen. Der schwedische Autobauer Volvo, der zum chinesischen Geely-­Konzern gehört und ebenfalls nicht auf der IAA vertreten ist, will ab 2019 nur noch Elektro- oder Hybridfahrzeuge neu auf den Markt bringen.

Seit der Dieselmotor in Verruf gekommen ist, treiben die deutschen Autobauer die Entwicklung von Elektrofahrzeugen ganz nach Tesla-Vorbild auch medienwirksam voran. In den nächsten Jahren rollt eine ganze Armada von Stromern in die Verkaufshallen. Bis 2020 wollen die deutschen Autobauer zu Tesla aufschließen. Die Kalifornier schlittern zwar von einem Millionenverlust zum nächsten. Beim Börsenwert hat der Elek­tro­­auto­konzern, der 2018 eine halbe Million Autos verkaufen will, bereits zu BMW aufgeschlossen. Um eines der größten Probleme der Elektromobilität zu lösen - die teuren Batterien - stampft Tesla-Chef Musk in der Wüste Nevadas eine riesige Batteriefabrik aus dem Boden.

Anschluss gesucht

Daimler werde bis 2025 der führende Anbieter von Elektrofahrzeugen im Premiumsegment, verspricht Konzernchef Dieter Zetsche. Schon 2019 starten die Stuttgarter mit der Elektrosubmarke EQ. Auf der IAA gibt es einen Vorgeschmack. Und BMW-Lenker Harald Krüger kündigte für die IAA eine Elek­trolimousine an. Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts will BMW zwölf voll elektrisch betriebene Autos anbieten. Zur gleichen Zeit will Europas größter Autobauer VW Marktführer in Sachen Elektromobilität sein.

Während Tesla erst versucht, mit dem Model 3 im Massenmarkt Fuß zu fassen, ist Nissan schon weiter. Vor wenigen Tagen - und damit außerhalb der IAA - präsentierte Konzernchef Hitoshi Saikawa stolz den neuen Nissan Leaf. Der Kleinwagen ist das meistverkaufte Elektroauto der Welt. Die neue Generation habe das Potenzial, zum Kern des Unternehmens zu werden, verkündete Saikawa.

Große Herausforderungen

Dabei ist es nicht sicher, ob sich die Elektromobilität auf Basis von Batterien durchsetzt. Die fehlende Ladeinfrastruktur ist das größte Problem. Um Millionen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge mit Strom zu versorgen, müssten Hunderttausende Ladestationen aus dem Boden gestampft und die gesamte Strom­erzeugung und -verteilung umorganisiert werden. Zudem ist die Versorgung mit für die Batteriefertigung notwendigen Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt schwierig. So kommt mehr als die Hälfte der Kobaltweltproduktion aus Minen im von einem Bürgerkrieg geplagten Kongo.

Auch Ladezeit und Reichweite werden ein Thema bleiben. In der Dieseldiskussion wird außer­dem oft vergessen, dass die Umweltbilanz eines Stromers mit der Art und Weise steht und fällt, wie der Strom pro­duziert wird. Vor allem Braunkohlekraftwerke zählen wegen ihrer verheerenden CO2-Bilanz zu den Klimakillern. Selbst in Deutschland, wo fast ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist die Klimabilanz eines E-Autos kaum besser als die eines Diesels. In China, dem weltgrößten Absatzmarkt für E-Autos, schießen Kohlekraftwerke wie Pilze aus dem Boden. Das vermeintlich saubere E-Auto wird zur Klimafalle, solange fossile Energieträger zur Stromgewinnung verbrannt werden.

Vergessene Alternative

BMW, Daimler und VW arbeiten seit Jahrzehnten an einer ­Alternative zum batteriegetriebenen Elektroauto. Mit Wasserstoff angetriebene E-Autos können normal betankt werden und umgehen so das Problem mit Laden und Speichern. Sinnvoll ist diese Technologie allerdings auch nur, wenn der Wasserstoff mithilfe von Wind- oder Solar­energie erzeugt wird. Bislang haben Toyota und Hyundai als einzige Hersteller Autos mit Brennstoffzellenantrieb in Großserie - und das zu Preisen, die kaum eine Privatperson stemmen kann. Daimler bringt 2018 ein Wasserstofffahrzeug auf den Markt. Präsentiert wird das Auto auf der IAA.

Obwohl es aktuell nicht so scheint: Das Rennen um die Krone im Automobilmarkt der Zukunft hat erst begonnen, und deutsche Autobauer haben alle Chancen, vorne mitzufahren. Der eine oder andere Zulieferer, der sich etwa auf Zündkerzen, Motorventile oder Getriebeteile spezialisiert hat, könnte allerdings verschwinden.

Investor-Info

BMW
Vorreiter

BMW gilt als Vorreiter in Sachen Elektro­mobilität in Deutschland. Mit den elektrisch angetriebenen i-Modellen sammelte BMW Erfahrung, musste aber auch Lehrgeld zahlen. Fundamental sind die Bayern gut aufgestellt. Umsatz und Gewinn dürften in den nächsten Jahren weiter steigen. Neue Vorwürfe und mögliche Strafen wegen des angeblichen Autokartells mit Daimler und VW könnten den Aktienkurs aber belasten. Daher stufen wir die Aktie weiterhin auf "Halten" ein.

Daimler
Zeitenwende

2017 dürfte Daimler Umsatz und Gewinn abermals steigern. Mögliche Strafen in Zusammenhang mit den erst kürzlich aufgekommenen Kartellvorwürfen kann Daimler als Kronzeuge gelassen entgegensehen. Mit der Submarke EQ bringen die Stuttgarter bald eine eigenständige Elektromarke auf den Markt. Von Fehlern der Konkurrenz hat man gelernt. Charttechnische Trendwende. Mutige Anleger nutzen das Niveau zum Einstieg.

Volkswagen
Mächtiger Riese

Als vermeintlicher Nachzügler besetzen die Wolfsburger oft längst verloren geglaubtes Terrain. Dank der Marktmacht stehen die Chancen gut, dass diese Strategie auch im Bereich Elektroauto aufgeht. Die Kosten des Dieselskandals schränken die Schlagkraft etwas ein. Frisches Geld soll durch den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft gehörenden ­Bereichen wie dem Motorradbauer Ducati in die Kasse kommen. Halteposition.

Nissan Motor
Verkannter Profiteur

Mit dem Elektrokleinwagen Leaf haben die Japaner ein Erfolgsmodell im Portfolio. Chef Hitoshi Saikawa wird versuchen, das Konzept auf den gesamten Konzern auszuweiten. Die Chancen stehen gut, dass Nissan in der sich wandelnden Autobranche als ein Gewinner hervorgeht. Für die Aktie sprechen die moderate Bewertung und die hohe Dividende (Achtung: 15 Prozent Quellensteuer wird auf die deutsche Steuerlast angerechnet). Kaufen.

Tesla Motors
Riskanter Ritt

Anleger, die auf den Erfolg des Elektroauto­pioniers setzen, brauchen gute Nerven. 100.000 Fahrzeuge will Tesla-Chef Elon Musk im laufenden Jahr absetzen. Im kommenden Jahr sollen es eine halbe Million werden. Das sind ambitionierte Ziele. Hält Musk Wort, dürfte der Höhenflug der Aktie anhalten.
Die Risiken sind aber immens. Der Konzern schreibt horrende Verluste und muss erst ­beweisen, dass er die Massenproduktion ­beherrscht. Zudem holt die Konkurrenz auf.

Toyota Motor
Solide Nummer

Der japanische Autoriese setzt schon seit Jahren auf den Hybridantrieb, also auf die Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor. Und das mit großem Erfolg. Schon heute wird jeder zehnte verkaufte Toyota von einem Elektromotor unterstützt. Bis 2025 will der Konzern den Hybridanteil verdoppeln. Außerdem gehört Toyota zu den Vorreitern in Sachen Brennstoffzelle. Der Konzern zählt klar zu den Gewinnern des Umbruchs in der Branche. Die Aktie ist zwar nicht billig. ­Anleger erhalten dafür aber ein erstklassiges Unternehmen mit guten Perspektiven.

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Bildquellen: BMW, IAA, Frankfurt am Main

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