Euro am Sonntag-Einschätzung

Eurostärke, Zinsen, Dieseldunst: Was den DAX gefährden kann

02.08.17 03:00 Uhr

Eurostärke, Zinsen, Dieseldunst: Was den DAX gefährden kann | finanzen.net

Deutschlands Top-Konzerne liefern weiterhin gute Geschäftszahlen. Börsianer aber sind nach mehr als acht Jahren Rally verwöhnt.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Für Börsianer ist es eine aufregende Zeit: Weltweit präsentieren Unternehmen derzeit ihre Geschäftsergebnisse zum zweiten Quartal und justieren ihre Jahresprognosen. Nur am Donnerstag legten fünf DAX-Mitglieder Zahlen auf den Tisch. Die Reaktion der Börse ist im Einzelfall extrem, deutliche Kurssprünge selbst bei großen Unternehmen sind keine Seltenheit. In der Summe zeichnet sich nach einer Analyse der Redaktion ein deutliches Bild ab: Deutschlands Topkonzerne sind in guter Verfassung. Die Gewinne steigen, einige Sonderfaktoren aber trüben das Bild.



In der ersten Woche der Berichtssaison haben zehn der 30 DAX-Mitglieder ihre Geschäftsergebnisse veröffentlicht. Acht haben bei den entscheidenden Kennziffern die Erwartungen der Analysten übertroffen, nur zwei etwas schlechter abgeschnitten.

Klar auf der Gewinnerseite steht die Allianz: Konzernchef Oliver Bäte erwartet nach einem überraschend starken zweiten Quartal, dass das operative Jahresergebnis des Versicherungsriesen jetzt am oberen Rand der angepeilten Spanne liegen wird. Das würde auf mehr als elf Milliarden Euro hinauslaufen.

Am spektakulärsten waren die am Freitag vorab gemeldeten Zahlen von Adidas. Der Sportartikelkonzern hat seine Prognose für das Gesamtjahr kräftig angehoben. Die Aktie schoss um mehr als sieben Prozent nach oben. Auch der Chemiekonzern BASF blickt nach gutem ersten Halbjahr optimistisch nach vorn und erhöhte seine Jahresprognose.

Die größten Verlierer

Deutlich unter Druck geraten sind dagegen Deutsche Börse und Deutsche Bank. Die Aktien der beiden Finanzkonzerne verloren nach Bekanntgabe ihrer Geschäftszahlen mehr als fünf Prozent an Wert, vor allem weil der Ausblick auf den Rest des Jahres enttäuscht.

Verzwickt ist die Lage bei Bayer. Der Pharma- und Agrarkonzern hat seinen Gewinn im Quartal zwar etwas stärker gesteigert als erwartet, aber dennoch Probleme. Die Rheinländer hatten ihre Jahresprognose Ende Juni wegen schwacher Entwicklung im Pflanzenschutzgeschäft zurückgezogen und enttäuschten jetzt mit ihren neuen Zielen. Brisant dabei ist, dass ausgerechnet jene Sparte schwächelt, die Konzernchef Werner Baumann durch die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto stärken will. Die Bayer-Aktie rutschte nach Bekanntgabe der Zahlen vier Prozent ins Minus.



Vergleichsweise locker steckten Börsianer schwächere Geschäftsergebnisse bei SAP und Daimler weg. Beide lagen mit ihren Zahlen ganz knapp unter den Analystenschätzungen. Volkswagen schnitt etwas besser ab als erwartet, steht aber wie Daimler derzeit vor allem wegen Abgasaffäre und Kartellverdacht im Brennpunkt.

Die insgesamt eher kritischen Reaktionen der Börse spiegeln das Bewertungsniveau der Aktienmärkte wider. Nach dem deutlichen Kursanstieg der vergangenen Jahre sind viele Aktien vergleichsweise teuer. Das lässt sich am Kurs-Gewinn-Verhältnis, der populärsten Bewertungskennziffer, ablesen.

Das KGV des DAX liegt auf Basis der für die kommenden zwölf Monate von Analysten erwarteten Gewinne rund elf Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Das bedeutet, dass viele Unternehmen eine Bringschuld haben.

Gestützt wird der Optimismus durch die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo-Instituts, einer der wichtigsten Frühindikatoren für die deutsche Wirtschaft, stieg im Juli den dritten Monat in Serie auf ein neues Rekordhoch. "Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf", berichtet Ifo-Präsident Clemens Fuest. Laut Stimmungsbarometer waren die deutschen Unternehmen seit der Wiedervereinigung noch nie zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Auch der Ausblick auf die kommenden Monate verbesserte sich.

Euro macht Ärger

Sorgen bereiten die Bewegungen an den Währungsmärkten. Die europäische Einheitswährung hat seit April im Vergleich zum US-Dollar um rund zehn Prozent zugelegt. Dadurch bringen Einnahmen, die deutsche Unternehmen im Dollarraum erzielen, weniger Euro in die Kasse. Ein Effekt, der mit zeitlicher Verzögerung in die Bilanzen einfließen wird, da sich Firmen gegen Währungsschwankungen meist längerfristig absichern.

Die DAX-Konzerne erwirtschaften rund die Hälfte ihrer Umsätze außerhalb Europas. Die Investmentbank Goldman Sachs verweist aber darauf, dass Belastungen durch den starken Euro derzeit überlagert werden von der guten Entwicklung der Weltwirtschaft. Zudem haben sich viele Unternehmen dauerhaft abgesichert, indem sie im Ausland produzieren. Dadurch fallen auch Kosten in fremden Währungen an.

Wichtig für den DAX sind auch die Weichenstellungen der Währungshüter. Volkswirte gehen davon aus, dass die Notenbanken in den USA und Europa ihre Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft fortsetzen, aber schrittweise zurückfahren. Die amerikanische Fed geht dabei offensiver vor, weil die Wirtschaft der USA stärker wächst als jene der Alten Welt. Da die lockere Geldpolitik der Notenbanken in der seit mehr als acht Jahre anhaltenden Rally ein wichtiger Treiber war, dürften Börsianer sensibel auf die Entscheidungen der Notenbanker reagieren.

Schon jetzt gibt es leichte Ermüdungserscheinungen im DAX. Der Index hat sich seit Mitte Juni rund sechs Prozentpunkte schlechter entwickelt als der weltweite Aktienindex MSCI World. Analysten verweisen auf den starken Euro, der den deutlich auf Export ausgerichteten DAX härter trifft als die Indizes anderer europäischer Länder, und auf die besonderen Probleme der deutschen Autokonzerne, die nach dem Dieselskandal und jetzt wegen möglicher Kartellvergehen unter Druck stehen.

Kleiner Trost: Wegen der seit mehr als zwei Jahren schwachen Kursentwicklung ist das Gewicht der Autoindustrie im DAX geschrumpft, da die Indexmitglieder auf Basis ihrer Marktkapitalisierung gewichtet werden. Laut Daten der Deutschen Börse machen Daimler, die Stammaktie von BMW und VW-Vorzüge knapp zwölf Prozent des Index aus. Zum Vergleich: Bayer als größter Brocken kommt allein auf zehn Prozent.

Der Auto-DAX

Genau genommen ist der Anteil der Autoindustrie aber größer als die drei Autobauer: Continental als Zulieferer macht weitere zwei Prozent des DAX aus. Aber auch andere Indexmitglieder sind im Geschäft mit der PS-Branche: Infineon, Thyssenkrupp, Siemens oder Beiersdorf über die Klebstoffsparte Tesa. Die Krise könnte also auf andere DAX-Konzerne übergreifen. Auch deshalb sind die bislang soliden Ergebnisse der Autokonzerne ein wichtiges Signal für Investoren.

Jetzt geht die Berichtssaison des DAX in die heiße Phase: 16 Unternehmen haben ihre Geschäftsergebnisse angekündigt, darunter am Donnerstag BMW und Indexschwergewicht Siemens. Der Zahlenmarathon endet am 14. August, wenn der Energiekonzern RWE seine Ergebnisse präsentiert. Dann können auch Anleger zumindest kurz durchatmen.

Investor-Info

Allianz
Mehr Dividende

Die unerwartet guten Geschäftszahlen bestätigen den Kurs von Konzernchef Oliver Bäte, der auf Kostensenkungen und stärkere Automatisierung der Geschäftsabläufe setzt. Besonders wichtig für Aktionäre ist die Dividende. Die Münchner wollen die Hälfte ihres Jahresgewinns ausschütten, mindestens den Betrag des Vorjahres. Optimistische Analysten trauen dem Versicherungskonzern nach 7,60 Euro Dividende im Vorjahr jetzt sogar etwas mehr als acht Euro zu. Kaufenswert.

BASF
Leicht angeschlagen

Nach einem guten zweiten Quartal hat der Chemiekonzern seine Jahresprognose angehoben. Da offenbar etliche Börsianer eine Prognoseanhebung erwartet hatten, geriet die BASF-Aktie unter Druck. Charttechnisch ist der Kurs unter die 200-Tage-Linie gerutscht. Das ist ein schlechtes Zeichen. Die Dividendenrendite liegt nach dem Kursrutsch aber bei knapp vier Prozent, also auf einem attraktiven Niveau. Anleger sollten darum investiert bleiben. Halteposition.

SAP
Der richtige Code

Der Softwarekonzern hat die Gewinnerwartung im zweiten Quartal ganz knapp verfehlt. Das ist kein Drama. Der Konzern hat erneut bewiesen, dass das Wachstum der Abo-Software das Lizenzgeschäft nicht kannibalisiert, beide Bereiche wachsen. Zugleich erhöhte SAP die Umsatzprognose für das Gesamtjahr leicht und will eigene Aktien zurückkaufen. Steigende Personalkosten und Investitionsdruck werden SAP weiter begleiten, die Aktie bleibt dennoch als defensiver Wachstumswert ein Basisinvestment im DAX.

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Bildquellen: Ralph Orlowski/Getty Images, conrado / Shutterstock.com

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