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Dieselgate: Warum die VW-Aktie dennoch anzieht

02.12.15 03:00 Uhr

Dieselgate: Warum die VW-Aktie dennoch anzieht | finanzen.net

Neue Vorwürfe aus den USA zu Audi und Porsche bringen Chef Müller in Bedrängnis. Die Börse spekuliert darauf, dass die Dieselaffäre glimpflicher ausgehen könnte.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Es bleibt brisant. Enthüllungen über neue Manipulationen von Abgaswerten vernebeln erneut die Sicht auf eine zügige Aufklärung der Dieselaffäre bei Europas größtem Autobauer. Nun wurde bekannt, dass eine Delegation des Konzerns, der auch Audi-Chef Rupert Stadler ­angehört haben soll, gegenüber der US-Umweltbehörde EPA einräumen musste, auch bei den von Audi entwickelten großen Drei-Liter-Dieselmotoren Software aufgespielt zu haben, die den Abgasausstoß der Aggregate regelt.



Bei der Ingolstädter VW-Tochter wird bestritten, mit dem Programm vorsätzlich getäuscht zu haben. "Wenn es eine Manipulationssoftware wäre, dann müsste das System auf dem Prüfstand anders agieren als auf der Straße, das ist aber nicht der Fall. Das Auto erkennt nicht, wenn es auf dem Prüfstand steht", heißt es von Audi. Für die US-Regulierer zählt jedoch, dass die Software in Amerika illegal ist und dort über Jahre nicht vorschriftsgemäß angemeldet wurde. Anfang des Monats hatte VW die Vorwürfe der EPA zurückgewiesen.

Druck auf Müller steigt

Audi-Chef Stadler gerät zusehends in die Bredouille. Audi lässt wissen, dass sich der Schaden in Grenzen halte, und schätzt den Aufwand für neue Software auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Aber auch Konzernlenker Matthias ­Müller steht unter Druck. Müller hätte als ehemaliger Porsche-Boss über die in Amerika gesetzlich unzulässigen Programme im Bilde sein müssen, so seine Kritiker. Audis Drei-Liter-Diesel­motor treibt auch den Porsche Cayenne und den VW Touareg an. Der Konzern verlängert in den USA den freiwilligen Verkaufsstopp für betroffene Modelle.

Auch unter Investoren wird Kritik am VW-Boss laut.

"Bei der Tragweite, die der Skandal annimmt, hätten zumindest vorübergehend externe Kandidaten an die Spitze geholt werden müssen. Mit der gegenwärtigen Führung ist es kaum möglich, das Vertrauen des Kapitalmarkts zurückzugewinnen", wettert etwa Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Müller kämpft. In einer Rede vor 1.000 VW-Managern warb der Chef für neue Zuversicht in der Krise. Der Aufwand für die Nachrüstung sei technisch, handwerklich und finanziell überschaubar, so Müller. Für mehr als 90 Prozent der betroffenen Dieselfahrzeuge in Europa habe VW ­bereits behördliche Bestätigungen für die vorgelegten Lösungen. Alle technischen Maßnahmen sollen dem Kraftfahrt-Bundesamt bis Ende des Monats vorliegen. Bei den meisten Dieselmotoren können die Beanstandungen offenbar mit neuer Software behoben werden. Bei kleinen 1,6-Liter-Motoren reichen angeblich zusätzliche einfache Veränderungen am Luftfilter aus.

Umbau günstiger

Wenn das zutreffen sollte, dürften die Kosten für die Nachrüstung der Fahrzeuge viel niedriger sein als geschätzt. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen, schätzt die Kosten für die Rückrufaktion der 8,2  Millionen Dieselfahrzeuge in Europa "auf 500 Millionen Euro, einschließlich Ausgaben für den Mobilitätsausgleich". VW bekomme mitten im Diesel- und ­Abgasskandal immer mehr festen Boden unter die Räder, so Dudenhöffer.


Und weil der Spritverbrauch durch die softwaretechnische Umrüstung "nur unwesentlich steigen dürfte und die Leistung der Motoren weitgehend erhalten bleibt, sollte auch der Wertverlust der Autos wesentlich geringer sein", erwartet Frank Biller, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Bisher hatte Biller bei den Kosten für den Rückruf mit 2.000 Euro pro Auto kalkuliert, insgesamt mehr als 21 Milliarden Euro. "Wir rechnen unsere Szenarien jetzt neu. Die neuen Belastungssummen dürften geringer ausfallen", sagt Biller. VW belässt gleichwohl die Höhe der Rückstellungen bei 6,7 Milliarden Euro.

Bei den Strafzahlungen ist indes keine Entspannung in Sicht. Südkorea gibt sich zwar mit moderaten zwölf Millionen Euro zufrieden, die geschätzte ­Maximalsumme ist aber um 3,2 auf über 21 Milliarden Dollar gestiegen - wobei dieser Fall unwahrscheinlich scheint. Die Schweizer Bank UBS schätzt, dass Belastungen von bis zu 60 Milliarden Euro im gegenwärtigem Aktienkurs ­bereits berücksichtigt sind.


Investor-Info

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Im ersten Gang

Trotz großer Unsicherheiten und drohender milliardenschwerer Strafzahlungen und ­Sammelklagen nimmt die Zuversicht bei ­Börsianern wieder zu. Viel Negatives dürfte ­bereits im Aktienkurs enthalten sein, zum ­Beispiel der erwartete Gewinneinbruch um 40  Prozent im laufenden Jahr sowie die Kürzung der ­Dividende um mehr als 40  Prozent auf 2,81  Euro pro Aktie. Zudem ist die solide charttechnische Unterstützung zwischen 100 und 110  Euro belastbar. Trader steigen ein.

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