Euro am Sonntag-Ausland

Spanien: Vor der Spaltung

30.09.17 12:00 Uhr

Spanien: Vor der Spaltung | finanzen.net

Madrid will den Bürgerentscheid in Katalonien mit aller Macht verhindern. Genau das aber stärkt die Separatisten in Barcelona. Eine Trennung wäre jedoch fatal für die Wirtschaft. Dem gerade genesenden EU-Staat droht ein schwerer Rückschlag.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Spaniens Ex-Außenminister Javier Solana ist tief besorgt: "Die Lage ist völlig außer Kontrolle geraten." Der erbittert geführte Streit zwischen der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona droht zu eskalieren. Eine Verhandlungslösung zeichnet sich immer weniger ab. Zu verhärtet sind die Fronten. Spanien droht die Spaltung. Für den 1. Oktober hat das katalanische Regionalparlament ein Referendum angesetzt: "Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Gestalt einer Republik wird?" Der Bürgerentscheid hat das Potenzial, Spanien in eine schwere Krise zu stürzen, die EU zu belasten und an den Märkten heftige Turbulenzen auszulösen.

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Laut Artikel 2 der spanischen Verfassung ist die spanische Nation "unauflöslich". Ministerpräsident Mariano Rajoy will daher alles "in seiner Macht Stehende tun", um die Abstimmung zu verhindern. Die der Zentralregierung un­terstehende Guardia Civil beschlagnahmt Wahlurnen und Stimmzettel. Gegen Mitglieder der Regionalregierung und des Parlaments laufen strafrecht­liche Ermittlungen. Der katalanische Staatssekretär Josep Maria Jové und weitere hohe Beamte wurden am Mittwoch verhaftet. Sollte das nicht genug an ­Abschreckung sein, schließt Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal den Einsatz der Armee nicht aus.

Dramatische Folgen für Spanien

Kataloniens Regierungspräsident Carles Puigdemont und die von ihm geführte Koalition lassen sich davon nicht abschrecken. Jüngsten Umfragen zufolge zeichnete sich bislang keine klare Mehrheit für das Ja-Lager ab. Der harte Kurs Madrids - für Puigdemont ein "Anschlag auf die Demokratie", befördert jedoch die antispanische Stimmung. Die Separatisten berufen sich auf das in der UN-Charta garantierte Selbstbestimmungsrecht der Völker. Am 1. Oktober, so prophezeit Puigdemont, werde ein "demokratischer Tsunami" Katalonien erfassen. Stimmen die Bürger mehrheitlich mit Ja, werde er innerhalb von 48 Stunden die Unabhängigkeit der Region erklären.

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Für Spanien hätte eine Trennung dramatische Folgen. Die bisher viertgrößte Volkswirtschaft des Euroraums würde 21 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts verlieren. Auch auf die Steuerüberweisungen aus Katalonien müsste Madrid verzichten. Für Spanien wäre es dann noch schwerer, die EU-Defizitziele zu erreichen. Das Land ist mit 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet. Die Neuverschuldung erreichte voriges Jahr 4,7 Prozent und bleibt auch 2017 über der Grenze von drei Prozent des BIP. Um künftig Anleihen erfolgreich am Kapitalmarkt platzieren zu können, wäre Spanien gezwungen, Gläubigern höhere Zinsen anzubieten.

Die Ratingagentur Moody’s hat Ma­drid für den Fall des "Catalexits" bereits eine Überprüfung der Bonität angekündigt. Derzeit wird das Land noch mit "Baa2", also mit Investment-Grade, eingestuft. Senkt Moody’s den Daumen, dürften sich Bond-Investoren zunächst einmal von den Papieren trennen. Die Risikoaufschläge würden entsprechend steigen. Auch die wirtschaftliche Dynamik würde leiden. Für 2017 wird dem Land noch eine Zunahme des Brutto­inlandsprodukts von 3,2 Prozent zugetraut. Doch Katalonien erzielt allein ein Viertel der Exporte Spaniens. Eine Drei vor dem Komma wäre künftig wohl nicht mehr drin. Die Abspaltung Kataloniens dürfte auch für kräftige Kursverluste an der Börse in Madrid sorgen. Seit Jahresanfang hat der Leitindex Ibex um rund 20 Prozent zugelegt. Viele Anleger dürften bei einer Ja-Entscheidung ihre Gewinne mitnehmen.
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Düstere Aussichten für Katalonien

Im Fall einer Loslösung droht aber auch Katalonien eine düstere Zukunft. Mit der Erklärung der Unabhängigkeit würde das neue Land automatisch seine EU-Mitgliedschaft verlieren. Zwar könnte Barcelona sofort einen Aufnahmeantrag stellen, doch bis dieser ausgehandelt ist, dauert es. Zudem bedarf es einer einstimmigen Annahme durch die EU-Staaten, und Spanien würde sicherlich nicht zustimmen. Als Drittstaat müsste Katalonien auf seine Exporte in die EU Zölle zahlen. Rund 65 Prozent der Ausfuhren werden von den EU-Staaten abgenommen. Zudem drohen Unternehmen und Banken aus Katalonien abzuwandern und sich in anderen Regionen Spaniens niederzulassen.

Tief in den Miesen

Die Unsicherheit über die Zukunft dürfte sich negativ auf den Konsum der Katalanen auswirken, auch die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen würde darunter deutlich leiden. Die wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen einer Loslösung drohen für Katalonien härter auszufallen als die des Brexits für Großbritannien, analysiert Geoffrey Minne, Volkswirt bei ING. Nicht zuletzt müsste auch das mit mehr als 70 Milliarden Euro verschuldete Katalonien mit einem Downgrade der Ratingagenturen rechnen. Die Region ist derzeit nur mit "B+" eingestuft. Fällt die Unterstützung der Zentralregierung bei der Bedienung der Schulden weg, ist ein Zahlungsausfall nicht mehr unwahrscheinlich.

Die Separatisten sind da anderer Ansicht. Sie rechnen im Fall einer alleinigen Verfügung über die Steuereinnahmen sogar mit Budgetüberschüssen. Dank einer eigenen Investitionspolitik erwarten sie zudem einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung und versprechen den Bürgern den Abbau von Arbeitslosigkeit. Der Verdacht liegt nah, dass der Optimismus in Barcelona nicht auf kühlen Berechnungen fußt.

Investor-Info

Amundi ETF MSCI Spain
Adios Madrid

Der börsengehandelte Indexfonds (ETF) bildet die Wertentwicklung von 30 spanischen Unternehmen wie Telefónica, Iberdrola und Banco Santander ab. Die wirtschaftliche Erholung des Landes motivierte Anleger lange Zeit zum Kauf. Innerhalb eines Jahres legte das Indexpapier um 25 Prozent zu. Aufgrund der politischen Spannungen geraten die Kurse jetzt aber unter Druck.

Jupiter European Growth
Konzentriert auf Kurs

Mehr als zwei Milliarden Euro verteilt Manager ­Alexander Darwall auf nur 31 europäische Werte. Spanische Aktien sind mit knapp zehn Prozent gewichtet. Eine mögliche Korrektur in Madrid würde die Wertentwicklung daher nicht allzu sehr treffen, zumal Darwall die ­Unternehmen sehr sorgfältig analysiert. Auf Sicht von drei Jahren erzielte er 42 Prozent.

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