Euro am Sonntag-Analyse

Schicksalstage für deutsche Geldhäuser: Reicht es noch?

04.10.16 15:00 Uhr

Schicksalstage für deutsche Geldhäuser: Reicht es noch? | finanzen.net

Ängste um die kapitalschwache Deutsche Bank sorgen seit Monaten für rückläufige Notierungen. Die Commerzbank legt indes ein radikales Sparprogramm auf.

von Birgit Haas, Euro am Sonntag

Mit einem Kurssturz um acht Prozent unter die gefürchtete Zehn-Euro-Schwelle hat sich die Lage bei der Deutschen Bank am vergangenen Freitagvormittag zugespitzt. Auslöser war ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg über wachsendes Misstrauen unter Hedgefonds, die ihre Positionen bei der Deutschen Bank reduziert hätten. Die Bank selbst betonte, ihre Finanzlage sei stabil, Analysten bezeichneten die Liquiditätslage als nicht gefährdet.



Die wachsenden Sorgen um die größte deutsche Bank haben sich am Freitag auch in verteuerten Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) auf die Deutsche Bank niedergeschlagen. Je höher der CDS-Wert, desto größer wird das Risiko eines Totalausfalls vom Markt eingeschätzt. Übersteigen die CDS bestimmte Schwellen, hat das auch Auswirkungen auf das operative Geschäft, weil Kunden ihre Geschäftsbeziehungen zurückfahren.

Radikaler Umbau

Während die Deutsche Bank am Vormittag noch mit der Zehn-Euro-Schwelle kämpfte, stellte Commerzbank-Chef Martin Zielke sein Umbauprogramm für das zweitgrößte deutsche Geldhaus vor. Dem Aktienkurs half das nichts, er tauchte im Sog der Deutschen Bank um über acht Prozent ab. Zuvor schon hatte Zielke die Belegschaft in einem internen Rundbrief mit düsteren Worten auf schwere Zeiten eingestellt - und seinem im April ausgeschiedenen Vorgänger Martin Blessing noch eins mitgegeben: "Das Wichtigste, was wir uns 2012 vorgenommen haben, haben wir noch nicht erreicht. Wir sind noch nicht profitabel genug, wir verdienen einfach nicht genug Geld." Der anfangs vielgescholtene Blessing hatte sich auf der Hauptversammlung im April mit Milliardengewinn und Dividende verabschiedet - unter höflichem Beifall der Aktionäre.

Milliardengewinne und Dividende können sich die Commerzbank-Aktionäre jetzt erst einmal abschminken. Die Lage hat sich seit dem Frühjahr deutlich eingetrübt. Zum Niedrigzinsumfeld kommen Ertragsprobleme im Kerngeschäft mit den Firmenkunden. Auch die zuletzt noch komfortable Kapitalquote schmilzt auf einmal ab. Deshalb hat die Bank jetzt ein radikales Kostensenkungs- und Umbauprogramm beschlossen. 9.600 Stellen sollen in den nächsten vier Jahren wegfallen. Damit steht bei der zweitgrößten deutschen Bank mehr als jeder fünfte der insgesamt noch 51.300 Jobs auf dem Spiel.


Zielke will die Bank auf ein Zwei-Säulen-Modell reduzieren: Mittelstandsbank und die restliche Investmentbank werden in einem Segment gebündelt, das sich um Großkunden kümmert. Der bisherige Mittelstands-Chef Markus Beumer soll die Commerzbank Ende Oktober verlassen. Darüber hinaus bleibt die Privatkundensparte erhalten, die sich künftig auch um kleinere und mittlere Firmenkunden kümmert.

Zielkes Strategie, "Commerzbank 4.0" getauft, löste bei Investoren durchwachsene Reaktionen aus. Die Anleger reagierten vor allem auf die gestrichene Dividende verärgert. "Auf der Ertragsseite bleiben Fragen offen, das macht skeptisch", sagte Equinet-Analyst Philipp Häßler. Immerhin: Von der Kostenseite her machten die Vorhaben aber durchaus Sinn und seien auch realistisch, glaubt Häßler.


Wegen Abschreibungen in Höhe von rund 700 Millionen Euro wird die Bank im dritten Quartal ein negatives Ergebnis einfahren. Neben Umbaukosten machen dem Geldhaus Schiffskredite zu schaffen. Dennoch hoffen die Commerzbanker auf ein leicht positives Jahresergebnis im Gesamtjahr. Die Eigenkapitalquote soll zum Jahresende von derzeit 11,5 Prozent wieder auf zwölf Prozent steigen, bis 2020 gar auf 13 Prozent. Insgesamt will die Commerzbank 1,1 Milliarden Euro in ihre Sanierung investieren.

Dafür bahnt sich ein ernster Konflikt mit der Gewerkschaft an. "Wir können es uns nicht leisten, nur noch ein Abbruchladen zu sein", sagte Konzernbetriebsratschef Uwe Tschäge. Die Commerzbank betonte, dass parallel zum Stellenabbau in den Wachstumsfeldern 2.300 neue Jobs geschaffen würden.

Finanzkreisen zufolge sind allein in der Mittelstandsbank 25 Prozent der 5.700 Stellen bedroht. Aber auch im Vertrieb und in der Verwaltung - im sogenannten Backoffice - werden Mitarbeiter gehen müssen. Zielke will zudem die Führungsebene unter den Vorständen, die Bereichsleiter im Vertrieb, straffen. Im Privatkundengeschäft sollen die 1.050 Filialen weitgehend bestehen bleiben, aber mit weniger Personal auskommen müssen.

HSBC-Analyst Johannes Thormann sieht in der geplanten Kostensenkung um zehn Prozent eine gute Nachricht. Equinet-Analyst Häßler geht davon aus, dass eine Milliarde jährlich drin sind. "Da die Commerzbank im Vergleich zur Deutschen Bank weniger für Rechtsstreitigkeiten zurückstellen muss, geht sie solider in die Umbauphase", sagte Häßler.

Cryan ruft Mitarbeiter zur Ruhe

Bei der Deutschen Bank versuchte derweil Konzernchef John Cryan die Lage zu beruhigen. In einer Mail rief er die Mitarbeiter des Instituts dazu auf, trotz der Marktturbulenzen Ruhe zu bewahren. "Unsere Bank ist Gegenstand heftiger Spekulationen. Immer neue Gerüchte führen dazu, dass unser Aktienkurs inzwischen heftigen Ausschlägen unterliegt", zitierte Reuters aus dem Brief.

Neue Spekulationen über eine Kapitalerherhöhung und die Diskussion über mögliche Staatshilfen hatten dem Aktienkurs bereits im Wochenverlauf schwer zugesetzt. Auslöser waren Berichte über mögliche Strafforderungen der US-Justiz über 14 Milliarden Dollar (12,5 Milliarden Euro) als Entschädigung dafür, dass die Deutsche Bank zwischen 2005 und 2007 massenhaft minderwertige US-Immobilienkredite verbrieft und verkauft hat.

Die Summe dürfte im Lauf der Verhandlungen noch deutlich sinken, doch die Analysten von JP Morgan sehen die Schmerzgrenze bei 3,5 Milliarden Euro: "Jede weitere Milliarde würde die Eigenkapitalbasis um 0,25 Prozentpunkte abschmelzen." Cryan dementierte, dass dies sein Haus ins Schlingern bringen könnte. Die Bank sei "komfortabel liquide". Auch mit Angela Merkel habe er nicht gesprochen. "Ich habe die Bundeskanzlerin zu keinem Zeitpunkt um Hilfe gebeten", sagte er und ergänzte, die Deutsche Bank verfüge über ein starkes Fundament.

"Wir erfüllen alle aktuellen Eigenkapitalanforderungen und sind bei unserem Umbau im Plan", erklärte der im Mai 2015 angetretene Cryan. Die Markt- und Kreditrisiken seien in den vergangenen Jahren deutlich reduziert worden. "Zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten war die Deutsche Bank, was ihre Bilanz angeht, so sicher wie heute." Mit Liquiditätsreserven von mehr als 215 Milliarden Euro haben die Bank "einen überaus komfortablen Puffer".

Deutsche Bank
Kapital erodiert

Trotz aller Dementis: Die Bank hat angesichts neuer Rechtsrisiken ein gravierendes Kapitalproblem. Auch eine staatliche Rettung ist nicht mehr ausgeschlossen. Vorstandschef John Cryan fehlt schlicht die Strategie. Verkaufen.

Commerzbank
Dividende fällt flach

Bis zu 10 000 Stellen fallen weg, die Dividende wird bis auf Weiteres gekappt, und die Bank wird bei niedrigen Zinsen ertragsschwach bleiben. Zumindest geht Vorstandschef Martin Zielke das Kostenproblem an und reformiert ein Geschäftsmodell mit Substanz bei überschaubaren Zusatzrisiken. Halten.

Bildquellen: Commerzbank AG, DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images