Heiße Werte: Diese Stahlkonzerne gehören ins Depot!
Europas Stahlkocher dürfen mit Schmelzen der Überkapazitäten rechnen. Das stützt die Gewinnmargen - und befeuert die Aktienkurse.
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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Jörg Fuhrmann wollte nie dabei sein. Für die Idee, gemeinsam mit dem Konkurrenten Thyssenkrupp eine deutsche Stahl AG zu bilden, hat sich der Chef des Stahlerzeugers Salzgitter zu keiner Zeit erwärmen können. Das Thema ist vom Tisch, seit der Riese aus dem Ruhrgebiet bekannt gab, seine europäischen Stahlaktivitäten mit denen der indischen Tata zusammenzuschließen. Salzgitter wird es recht sein.
"Wir wollen eigenständig bleiben", hat Fuhrmann stets betont.
Die Chancen dafür stehen gut, denn mit weiteren Fusionen großer Anbieter ist in der europäischen Stahlindustrie auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Die Kartellbehörden - die zunächst den Thyssen-Tata-Deal absegnen müssen - beobachten die Konzentration in der Branche ohnehin mit Argusaugen. Zuletzt nahm das Bundeskartellamt sieben Firmen, darunter Salzgitter, ins Visier, um dem Verdacht von Preisabsprachen für Flachstahl nachzugehen.
Neuordnung bringt Chancen
Mit dem Thyssen-Tata-Deal entstünde hinter ArcelorMittal Europas zweitgrößter Stahlkoloss mit einer Produktion von jährlich 21 Millionen Tonnen Flachstahl und einem Umsatz von 15 Milliarden Euro. Flachstahl wird zu einem großen Teil in der Autoindustrie verbaut. Auch für Salzgitter sind das wichtige Kunden.
Da sich der neue Wettbewerber erst sortieren muss, rechnet sich Salzgitter gute Chancen aus, von der Neuordnung zu profitieren. Manch verunsicherter Thyssenkrupp-Kunde könnte wechseln, ist aus Niedersachsen zu hören. Außerdem kommt endlich das Thema der Überkapazitäten auf den Tisch. 34 Standorte, so viele sind es derzeit, wird es auf Dauer bei Thyssenkrupp Tata Steel nicht mehr geben. Die Zahl der Stahlwerke wird schrumpfen.
Alle Hütten Europas zusammen könnten derzeit nach Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) pro Jahr 300 Millionen Tonnen Stahl schmelzen. Das sind 30 bis 40 Millionen zu viel, wie Wolfgang Eder, Chef der österreichischen Voestalpine, kürzlich in einem Interview vorrechnete.
Allerdings ist der Kapazitätsüberhang vor allem ein weltweites Phänomen. Allein China produziert mit 800 Millionen Tonnen ungefähr die Hälfte des weltweiten Stahlbedarfs. Die Kapazitäten liegen nach Angaben der OECD mit 1,2 Milliarden Tonnen sogar noch deutlich darüber.
Doch je mehr der Verbrauch im eigenen Land sinkt, desto stärker versucht China, seine Mengen im Ausland abzusetzen. Nach Auskunft der Branchenvereinigung Worldsteel verbrauchte die größte asiatische Volkswirtschaft 2015 zehn Prozent weniger Stahl als noch 2013. Das Exportvolumen stieg entsprechend auf mehr als 100 Millionen Tonnen an - ein Drittel des Bedarfs in Europa.
Zölle mit Wirkung
Die Materialschwemme hat die Preise heftig unter Druck gesetzt. Manche Produkte seien unter Herstellungskosten angeboten worden, beschwerte sich die Branche bei der Kommission in Brüssel. Mit Erfolg: Seit die Europäische Union 2016 und 2017 Antidumpingzölle auf chinesischen Stahl eingeführt hat, ziehen die Preise wieder an. Beispiel Heißwalzstahl: Laut Beobachtern hat sich dieses Produkt in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 30 Prozent auf rund 500 Euro je Tonne verteuert.
Das zeigt sich in den Büchern der Stahlkocher. Viele europäische Unternehmen haben im ersten Halbjahr die höchsten operativen Gewinne seit neun Jahren erzielt, geht aus einer Analyse der Investmentbank RBC Capital Markets hervor. Zudem hat China zwischenzeitlich ankündigt, 150 Millionen Tonnen an Kapazitäten abzubauen.
Konjunktur schiebt an
Auch wenn es viele Mitarbeiter den Job kosten kann - mit Schließungen bei Thyssenkrupp und Tata könnten die Preise in Europa gestützt werden. Zusätzlich käme ein weiterer konjunktureller Aufschwung , den etwa die OECD prognostiziert, wie gerufen.
Brummt die Wirtschaft, arbeiten auch die Hütten unter Volldampf. Ob Bauwirtschaft, Infrastruktur, Maschinenbau oder Autoindustrie: Stahl wird in Massen gebraucht. Sollten etwa die Staaten in Europa dank höherer Staatseinnahmen den Nachholbedarf bei Basisinfrastrukturen wie Brücken, Straßen und Schienen abbauen, kämen weitere Milliardenaufträge hinzu.
Auch die auf Protektionismus zusteuernden USA können das Bild nicht trüben. Die US-Regierung hat zwar auf Grobbleche einzelner Hersteller wie Salzgitter wegen angeblichen Preisdumpings Strafzölle erhoben, doch die Niedersachsen haben die Exporte in die USA eingestellt, ohne dass dies Umsatz und Ertrag bisher nennenswert belastet. Ähnliches gilt für Voestalpine.
Für Europas Stahlbranche wäre ein Stopp der Exporte in die USA verkraftbar. So wandern zwar 20 Prozent aller Ausfuhren in den gemeinsamen Wirtschaftsraum von USA, Kanada und Mexiko - genauso viel aber geht beispielsweise nach Afrika. Der Export außerhalb Europas ist hier weitaus weniger wichtig als in anderen Branchen. Er macht für die heimische Stahlindustrie lediglich ein Fünftel des Handels aus.
Die Preis- und Margenentwicklung der jüngeren Vergangenheit hat auch die Aktien befeuert. In den vergangenen zwölf Monaten legten die Titel etwa von ArcelorMittal, Salzgitter oder Voestalpine um teils mehr als 30 Prozent zu. Geholfen haben dabei auch Millionen Euro schwere Effizienzprogramme, die Firmen wie Salzgitter seit der Krise Anfang des Jahrzehnts aufgelegt haben. Nur bei Thyssenkrupp war die Kursentwicklung schwächer - eine Nachwirkung des Milliardendesasters in Amerika und der bis zum Tata-Deal fehlenden Perspektive für das Stahlgeschäft.
Während die Essener nun den Stahl zum Nebengeschäft erklären, bleiben die Wettbewerber fokussiert: Primus ArcelorMittal etwa, das größte Stahlunternehmen der Welt. Der in Luxemburg ansässige Konzern, der aus einer Reihe von Fusionen entstand, produzierte 2015 nach Daten der Branchenvereinigung Worldsteel rund 100 Millionen Tonnen Rohstahl - mehr als doppelt so viel wie der Nächste auf der Rangliste, die chinesische Hesteel Group.
Zum Vergleich: Tata folgt auf Platz 10, Thyssenkrupp erst auf 16 und Voestalpine auf 48. Dass Salzgitter noch nicht einmal unter den Top 50 zu finden ist, dürfte mit dem Aus für die Deutsche Stahl AG auch so bleiben. Man darf davon ausgehen, dass es Konzernchef Fuhrmann kaum stören wird.
Investor-Info
Voestalpine
Stark in Nischen
Wenigen Firmen mittlerer Größe ist es so gut gelungen, sich auf margenstarke Nischen zu spezialisieren. Die Österreicher fertigen erfolgreich maßgeschneiderte Hochleistungsstähle. 2012 soll ein neues Edelstahlwerk in Betrieb gehen - der erste Neubau in Europa seit Jahrzehnten. Zuletzt stiegen Ergebnis der Stahlsparte und Eigenkapital auf Rekordniveau, der Nettogewinn verdoppelte sich. Die Aktie ist vergleichsweise günstig bewertet. Zudem gibt es eine ansehnliche Dividende.
Salzgitter
Solide aufgestellt
Über positive Geschäftszahlen konnte zuletzt auch Stahlkocher Salzgitter berichten. Das Ergebnis je Aktie hat sich dank des Turnarounds bei Flachstahl und Grobblech im ersten Halbjahr vervielfacht. Nach Umstrukturierungen ist die Firma für die Zukunft gut aufgestellt. Als Puffer für das zyklische Stahlgeschäft dienen die profitablen Beteiligungen im Bereich der Getränkemaschinen. Die Aktie ist derzeit schon recht hoch bewertet, deshalb warten Anleger einstweilen ab.
ArcelorMittal
Profitabler Primus
Mit 50 Stahlwerken auf fünf Kontinenten sowie vielen Eisenerzminen ist ArcelorMittal nicht nur größter Stahlkocher, sondern eines der bedeutendsten Rohstoffunternehmen der Welt. Auch Kohle zählt zum Portfolio. Dank gestiegener Preise legte der Umsatz zuletzt kräftig zu, der Gewinn überproportional. Die Aussichten für den solide finanzierten Konzern sind wegen der weltweit anziehenden Konjunktur positiv. Charttechnisch enger Stopp notwendig. Spekulativ.
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: jordache / Shutterstock.com, SARIN KUNTHONG / Shutterstock.com
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