Euro am Sonntag-Aktien-Tipps

Europäische Versorger-Aktien: Mehr Rendite mit Wind

02.02.19 15:00 Uhr

Europäische Versorger-Aktien: Mehr Rendite mit Wind | finanzen.net

Klimawandel und Kohleausstieg zwingen die Branche zu Milliarden-Investitionen. Eine Alternative gibt es nicht.

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von Birgit Haas, Euro am Sonntag

Der Kohleausstieg in Deutschland ist beschlossene Sache. Der genaue Zeitplan steht zwar noch nicht fest, aber dass die Versorger Strom vor allem aus Gas, Biomasse, Wind und Sonne produzieren werden, ist klar. Die Herausforderung: Aktuell liegt der Anteil von Braun- und Steinkohle bei knapp 40 Prozent.



Deutschland fällt deshalb der Abschied von der stinkigen Kohle schwerer als etwa Italien, wo Platzhirsch Enel lediglich 15 Prozent des Stroms daraus erzeugt. 2025 wollen sich die Südeuropäer von der Kohle verabschiedet haben, fünf Jahre später folgen die Niederländer, die Spanier und vielleicht auch die Deutschen. Treiber sind neben dem Klimaabkommen die steigenden Kosten, die künftig auf den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) fällig werden.

Bereits im vergangenen Jahr ist der Preis für ein CO2-Zertifikat - das einem EU-Unternehmen erlaubt, eine Tonne CO2 auszustoßen - von je acht auf 20 Euro gestiegen, aktuell liegt er bei knapp 25 Euro. Um den Ansporn zu erhöhen, schrumpft das Angebot an Zertifikaten. 2018 waren Papiere für 1,7 Milliarden Tonnen CO2 im Umlauf, 2023 sollen sie noch 750 Millionen Tonnen entsprechen. Die Analysefirma Carbon Tracker rechnet mit einer Verteuerung in diesem Jahr auf 35 Euro pro Tonne.


Die Versorgerbranche in Europa steht damit vor großen Herausforderungen. Die Schweizer Bank UBS schätzt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien um das Zwei- bis Dreifache ausgebaut werden muss, um die Stromerzeugung bis 2050 CO2-frei zu gestalten. "2019 wird ein Jahr des Wandels für Europas Versorgerbranche, weil das volle Potenzial billiger, sauberer und kosteneffizienter Wind- und Sonnenenergie sichtbar wird", meinen die Studienautoren.

Schwarz wird bestraft

Schon jetzt ziehen die Stromproduzenten Wind- und Solarparks aus Boden und Meeren empor. Der spanische Anbieter Iberdrola etwa hat vergangenen Herbst den größten Windpark der Ostsee bei Rügen eröffnet. Die Offshore-Anlage Wikinger hat 1,4 Milliarden Euro gekostet und beliefert 350.000 Haushalte mit Strom. Dadurch wird ein jährlicher Ausstoß von 600.000 Tonnen CO2 vermieden. In der heimischen Region um Pamplona hat der siebtgrößte europäische Energieerzeuger vergangene Woche die größten Windturbinen des Landes installiert. CO2-Ersparnis: 84.000 Tonnen. Gekostet hätte der Verbrauch des Kohlenstoffdioxid auf Basis des ­aktuellen Zertifikatepreises mehr als 17 Millionen Euro.



Während Förderprogramme von Ökostrom auslaufen, etabliert sich so ein System, das Investitionen in karbonlastige Anlagen bestraft. "Wenn wir heute ein neues Kohlekraftwerk bauen würden, wäre das viel teurer als ein Windpark oder ein Solarfeld mit der gleichen Stromproduktion", sagte Iberdrola-Chef Ignacio Galan.

Grün wird aufgerüstet

Der Konzern gilt als Vorreiter: In den zehn Jahren seit 2007 hat Iberdrola die Luftverschmutzung um knapp 40 Prozent gesenkt. 186 Kilogramm CO2 pro produzierter Megawattstunde fielen 2017 an. Der Schnitt der europäischen Versorger liegt bei 275 Kilogramm.

Dass sich das lohnt, zeigen die Zahlen. Der Umsatz wuchs in den ersten neun Monaten 2018 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent auf 26 Milliarden Euro - während die Stromerzeugung lediglich um knapp sieben Prozent zulegte. Das operative Ergebnis stieg überproportional, sodass die Marge bei im Branchenvergleich attraktiven elf Prozent landete. Allerdings wirken sich die Investitionen von knapp 3,7 Milliarden aus: Die Nettoverschuldung Iberdrolas liegt nahezu beim Zehnfachen des operativen Ergebnisses von 3,6 Milliarden Euro.

Dennoch muss der künftige deutsche Riesenstromproduzent RWE nachziehen. Schließlich will er zu einem federführenden Anbieter in Europa werden. Aber 1,5 Milliarden Euro an jährlichen Investitionen reichen da nicht. Konkurrent Enel aus Italien geht in ganz anderen Größenordnungen ans Werk und will jährlich 3,9 Milliarden Euro investieren - weil es sich lohnt.

Dass das operative Neun-Monats-Ergebnis im vergangenen Jahr um mehr als sechs Prozent auf zwölf Milliarden Euro angewachsen ist, sei in erster Linie der Expansion in Wind und Solar zu verdanken, so Vorstandschef Francesco Starace: "Die Erneuerbaren waren wieder der Haupttreiber der positiven Gruppenperformance." Aktuell werden 48 Prozent des Stroms emissionsfrei produziert, in den nächsten zwei Jahren soll der Anteil auf 62 Prozent steigen.

Die dänische Orsted, Marktführer bei Offshore-Windkraft und bis November 2017 als Dong Energy am Markt, will ähnlich stark wie Enel investieren. Für 27 Milliarden Euro sollen in den kommenden sieben Jahren vor allem in Asien erneuerbare Energieanlagen aufgestellt werden. In Deutschland betreibt Orsted drei Windparks, drei weitere sind in Planung. Vorstandschef Martin Neubert bemängelt jedoch die Lethargie der deutschen Politik: Die Regierung müsse schleunigst die Rahmenbedingungen für künftige Ausschreibungen festzurren. Auch in Hinblick auf den Kohleausstieg eine gute Idee: Das einstige Energiewendevorbild Deutschland gerät sonst ins Hintertreffen.

Investor-Info

Enel
Rückenwind

Mit einem diversifizierten Geschäft in Schwellenländern kann der italienische Energieversorger Risiken abfedern. Dass etwa drei Viertel des Geschäfts reguliert sind, gibt zudem Planungssicherheit. Der Wandel zum grünen Versorger ist in vollem Gang. Darunter leidet zwar die Kapitalausstattung, aber das Wachstum übertraf zuletzt die Erwartungen. Für 2018 erwartet der Konzern ein Ergebnis von 16,2 Milliarden Euro, 2020 sollen es 18,2 Milliarden sein. Defensives Investment.

Iberdrola
Rätselhafter Auftrieb

Vor Weihnachten tat die Aktie des spanischen Unternehmens ohne unternehmensspezifischen Grund einen Sprung um knapp acht Prozent nach oben. Selbst Analysten standen vor einem Rätsel. Der aktuelle Kurs von rund sieben Euro preist die Erwartung an eine starke Jahresbilanz bereits ein. Iberdrola erwartet ein operatives Ergebnis von neun Mil­liarden Euro, was einem Anstieg um 23 Prozent entspricht. Anleger warten für einen Einstieg eine Korrektur oder neue Impulse ab.

Orsted
Frischer Wind

In den vergangenen zehn Jahren passten die Dänen ihren Energiemix an: Aus 15 Prozent erneuerbaren Energien wurden 71 Prozent. Die Prognose für das operative Ergebnis hob der zu 50,1 Prozent dem Staat Dänemark gehörende Konzern im Herbst an und erwartet 1,7 Milliarden bis 1,9 Milliarden Euro. Sein Stromnetz könnte das Unternehmen 2019 für 2,5 Milliarden Euro verkaufen, das Wachstum dürfte sich fortsetzen.







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