Autozulieferer: Unterm Blech ist was los
Der Megatrend Elektro-Mobilität bietet der Branche enorme Chancen, erfordert aber auch hohe Investitionen. Manche Zulieferer spüren gewaltigen Druck. Wo sich für Anleger jetzt Kaufgelegenheiten ergeben.
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von Florian Westermann, Euro am Sonntag
Der Automobilbranche stehen stürmische Zeiten bevor - mit heftigen Höhen und Tiefen. Jüngstes Beispiel ist Schaeffler. Mit einer Prognosesenkung sorgte Klaus Rosenfeld, Chef des Autozulieferers, für ein Beben in der Branche. Wegen der schwachen Entwicklung im zweiten Quartal senkten die Mittelfranken soeben überraschend ihre Prognose für das laufende Jahr.
Es ist nicht die erste Enttäuschung. Bereits zum Jahresauftakt hatte der MDAX-Konzern mit einer schwachen Rendite im Autogeschäft zu kämpfen. Die Aktionäre zeigten sich geschockt und warfen die Papiere auf den Markt. Die Aktie brach zeitweise um 14 Prozent ein und riss auch Titel von Branchenkollegen wie vom Zulieferriesen Continental, vom Sitzhersteller Grammer und vom Kabelspezialisten Leoni in die Tiefe.
Schaeffler-Lenker Rosenfeld verwies unter anderem auf den gestiegenen Preisdruck seitens der Autobauer, der auch andere Unternehmen betreffe. In der kommenden Bilanzsaison dürften viele Investoren diesen Aspekt daher besonders kritisch hinterfragen. Zudem führte Rosenfeld höhere Entwicklungskosten im Bereich der Elektromobilität an.
Laut Morgan Stanley gilt das aber vor allem für Schaeffler. Der Konzern sei stark abhängig vom Geschäft mit Verbrennungsmotoren. Der Trend hin zum Elektroauto treffe ihn daher besonders heftig. Auch andere Probleme sind hausgemacht. Neben dem anhaltenden Preisdruck, der für die Branche allerdings nicht neu ist, sowie hohen Entwicklungskosten litt Schaeffler unter temporären Lieferengpässen.
Wegen der jüngsten Kursverluste gibt es aber bei ausgewählten Aktien attraktive Einstiegsgelegenheiten. Besonders der erwartete Boom bei Hybrid- und Elektroautos mischt die Karten in der Branche neu. Firmen, die heute viel Geld in die Hand nehmen und sich auf den Umbruch einstellen, werden vom Wandel profitieren.
Studien sagen voraus, dass die Produktion von Elektrofahrzeugen von 2016 bis 2025 um durchschnittlich 28 Prozent im Jahr auf 25 Millionen Einheiten zulegt. Der Marktanteil neu erworbener Elektrofahrzeuge steigt laut McKinsey bis 2030 sogar auf 50 Prozent. "Die Mobilität der Zukunft ist elektrisch", sagt José Avila, Vorstandsmitglied beim Autozulieferer Continental und zuständig für die Sparte Antriebstechnik. Der DAX-Riese investierte in den vergangenen Jahren über eine Milliarde Euro, um im Markt für Elektroautos in der ersten Liga mitzuspielen. Jüngst präsentierten die Hannoveraner etwa ein System, mit dem sich die Fahrzeuge kabellos aufladen lassen.
Stärkere Bordnetze
Ein anderer Gewinner der Entwicklung ist Leoni. Für den Kabelspezialisten ist die zunehmende Elektrifizierung im Automobilbau ein Glücksfall. In Hybrid- und Elektroautos sind die zu übertragenden elektrischen Leistungen deutlich höher als im Bordnetz herkömmlicher Autos, über das bloß Komponenten wie Radio oder Beleuchtung versorgt werden. Fahrzeuge mit Elektromotor benötigen ein zweites, leistungsstärkeres Bordnetz, das die Batterie mit dem Antrieb verbindet. An den hier verwendeten Kabeltypen verdient Leoni mehr als bei herkömmlichen Netzen. Im ersten Quartal verzeichneten die Franken mehrere Neuaufträge im Bereich Elektromobilität. In dem zukunftsträchtigen Segment verfügt das Unternehmen inzwischen über einen Auftragsbestand mit einem Volumen von einer halben Milliarde Euro. Mittelfristig dürfte es deutlich mehr werden. Die Privatbank Berenberg rechnet vor allem ab 2020 auf der Umsatzseite mit positiven Überraschungen.
Auch bei Infineon reibt man sich die Hände. Neben dem Megatrend Roboterauto ist der Konzern stark im Bereich Halbleiter für Elektrofahrzeuge vertreten.
Der Einsatz von Halbleitern ist für alle Fahrzeuge mit elektrifizierten Antriebssträngen unverzichtbar. Die Chips von Infineon sorgen dafür, dass die Akkus möglichst günstig gebaut werden können und kompakt sind, lange Distanzen ermöglichen und schnell aufgeladen werden. Der Wert der in einem Elektroauto verbauten Halbleiter liegt mit rund 700 Dollar etwa doppelt so hoch wie in einem Premiumfahrzeug. Zudem kommt hier eine deutlich höhere Zahl der für Infineon bedeutsamen Leistungshalbleiter zum Einsatz.
Chips erobern die Autowelt
Auch in den Komfort- und Sicherheitssystemen konventionell angetriebener Fahrzeuge werden heute mehr Computerchips verbaut. Voriges Jahr wuchs der Automobilhalbleitermarkt laut einer Schätzung der Marktforscher von Strategy Analytics um zehn Prozent erstmals auf ein Volumen von über 30 Milliarden Dollar. Angesichts der starken Stellung der Münchner in der Elektromobilität und im autonomen Fahren ist nicht auszuschließen, dass Infineon in den Übernahmefokus eines US-Riesen wie Texas Instruments rückt.
Kontrollsysteme, die etwa den Ladezustand der Batterie im Auto überwachen, öffnen auch dem Zulieferer Hella das Tor zur Elektromobilität. Rund zehn Millionen der Systeme, die auch bei herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zum Einsatz kommen, verkaufen die Nordrhein-Westfalen jährlich. In Zukunft dürften die Lippstädter, die vor allem für ihre Scheinwerfer bekannt sind, mit technischen Lösungen für die Elektromobilität immer mehr verdienen. 2020 werde der Bereich,
der heute noch eine Nebenrolle spielt, knapp zehn Prozent zum Umsatz beitragen, schätzt das Bankhaus Metzler.
Auch beim Vehikel der Zukunft, dem Roboterauto, will Hella-Chef Rolf Breidenbach ganz vorn mitspielen. Erst jüngst vereinbarte der MDAX-Konzern eine Kooperation mit dem amerikanischen Grafikchipspezialisten Nvidia im Bereich der künstlichen Intelligenz. Nvidia entwickelt sich zu einem wichtigen Zulieferer für die Automobilkonzerne. Die schnellen Chips der Amerikaner arbeiten in den Systemen der autonomen Fahrzeuge quasi als Gehirn. Weltweit setzen bereits über 225 Unternehmen der Auto- und Zulieferbranche auf die Technologie der Amerikaner. Auch hier dürften es künftig immer mehr werden.
Investor-Info
Infineon
Chip-Spezialist
Die Halbleiter der Münchner sind weltweit gefragt. Im laufenden Geschäftsjahr dürfte der Konzern Erlöse von 7,1 Milliarden Euro erzielen - ein Plus von zehn Prozent. Der bereinigte Nettogewinn steigt voraussichtlich um fast ein Drittel auf 987 Millionen Euro. Aus charttechnischer Sicht befindet sich die Aktie im Aufwärtstrend, angesichts der hohen Wachstumsraten ist die Bewertung moderat. Der Titel bietet insbesondere nach dem jüngsten Rücksetzer weiteres Kurspotenzial.
Leoni
Kabel-Jongleur
Das Mitte Mai markierte Jahreshoch ist inzwischen in weiter Ferne. Damit ist auch die Bewertung der Aktie deutlich gesunken. Das eröffnet Anlegern eine attraktive Einstiegsmöglichkeit. Im laufenden Jahr rechnen Analysten mit einem bereinigten Nettogewinn von 120 Millionen Euro - doppelt so viel wie im Vorjahr, in dem Betrüger den Konzern um 40 Millionen Euro brachten.
Hella
Licht-Experte
6,6 Milliarden Euro Umsatz prognostizieren Analysten im laufenden Jahr - ein Zuwachs von vier Prozent. Der bereinigte Nettogewinn soll überproportional deutlich um 30 Prozent auf 353 Millionen Euro wachsen. Im Folgejahr dürften fast 400 Millionen Euro in der Kasse bleiben. Die hohen Wachstumsraten rechtfertigen eine höhere Bewertung. Die Kurskorrektur ist eine Kaufgelegenheit.
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Bildquellen: iStockphoto, Bosch
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