Bayer: Sollen Anleger wieder einsteigen?
Der erste große Glyphosat-Prozess wird neu aufgerollt. Die Gefahr für den DAX-Konzern Bayer ist damit nicht beseitigt, aber geringer geworden. Die Aktie zeigt sich zum Wochenauftakt fest.
von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Ein schwer kranker Mann gegen einen großen Konzern: Spontan dürfte die Sympathie eines unbeteiligten Betrachters aufseiten von Dewayne Johnson liegen. Der Mann hatte als Platzwart einer Schule in Kalifornien regelmäßig Pflanzenschutzmittel von Monsanto eingesetzt. Aber ist Glyphosat tatsächlich die Ursache für seine Krebserkrankung?
In erster Instanz hatte ein Gericht in San Francisco Monsanto und damit den Bayer-Konzern zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar verurteilt. Jetzt gab Richterin Suzanne Bolanos vorläufig dem Antrag von Monsanto auf Neuverhandlung der Strafzahlung statt. Die Beweislage reiche nicht aus, um die Höhe der Summe zu rechtfertigen.
Der erste große Glyphosat-Prozess könnte damit einen ähnlichen Weg gehen wie viele andere Gerichtsverfahren gegen Konzerne: Spektakuläre Urteile mit hohen Strafzahlungen in erster Instanz werden später revidiert oder verworfen. Bayer jedenfalls ist weiterhin davon überzeugt, dass das erste Urteil und die Schadenersatzforderungen "im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen stehen".
Für den DAX-Konzern steht viel auf dem Spiel: Rund 8.700 Klagen sind wegen des umstrittenen Pflanzenschutzmittels inzwischen anhängig. Ein erster Entscheid könnte je nach Ausgang neue Kläger anlocken - oder abschrecken. Ein neuer Prozess bedeutet nicht, dass Monsanto zwangsläufig recht bekommt, aber selbst im Fall einer erneuten Niederlage bestehe die Möglichkeit, dass die Strafe auf ein zumutbareres Niveau gesenkt werde, kalkuliert die Investmentbank Jefferies in einer aktuellen Einschätzung.
Das große Ziel
Durch die 63 Milliarden Dollar teure Übernahme von Monsanto ist Bayer zum weltgrößten Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut aufgestiegen. Der Markt ist auf lange Sicht lukrativ, weil durch die wachsende Weltbevölkerung und Klimaveränderungen eine effiziente Landwirtschaft für die Nahrungsmittelversorgung immer wichtiger wird. Neben den Prozessrisiken muss Bayer aber auch den hohen Kaufpreis der Übernahme stemmen.
Um ihre Finanzkraft zu stärken, könnten sich die Rheinländer in einem nächsten Schritt von ihrer Tiermedizin trennen. Wie der Finanzdienst Bloomberg berichtet, stehe die Sparte im Konzern auf dem Prüfstand. Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen.
Die Tiermedizin ist der kleinste Geschäftsbereich des Bayer-Konzerns. Das Analysehaus Sanford Bernstein kalkuliert ihren Wert auf sechs bis sieben Milliarden Euro. Am wahrscheinlichsten wäre der direkte Verkauf an einen Wettbewerber. Denkbar wäre auch - wie in der Vergangenheit bei Lanxess und Covestro - ein Börsengang. Mit den Einnahmen könnte Bayer Schulden senken oder in seine Pharmasparte investieren. Dort braucht der Konzern Nachschub, weil wichtige Patente auslaufen.
Die Bayer-Aktie konnte dank der positiven Nachrichten zum Glyphosat-Prozess in dieser Woche deutlich zulegen. Der Kurs notiert aber noch immer klar unter dem Niveau von 93 Euro. Dort stand die Aktie Mitte August, unmittelbar vor dem ersten Urteil, brach dann aber innerhalb von vier Tagen in der Spitze um 19 Prozent ein.
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