Euro am Sonntag-Aktien-Check

Auf Schleuderkurs: Wie sicher sind noch deutsche Auto-Aktien?

27.07.18 07:30 Uhr

Auf Schleuderkurs: Wie sicher sind noch deutsche Auto-Aktien? | finanzen.net

Dieselgate, drohende Importzölle, Milliarden-Investitionen in Zukunftstechnologien - die deutschen Autokonzerne sind mitten in einem Crashtest. Können Anleger noch auf BMW, Daimler oder VW bauen?

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Hochspannung bei Aktionären: Wenige Tage bevor Deutschlands Autokonzerne Quartalsbilanzen vorlegen und Ausblicke für die voraussichtlich schwierigere zweite Jahreshälfte liefern, bleiben die Kurse von BMW, Daimler und VW unter Druck.



Positives, wie VWs Meldung, mit 5,5 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen "das beste Halbjahr in der Geschichte" absolviert zu haben, wirken nur kurz. Nachhaltig verunsichert hat Daimlers Gewinnwarnung vor wenigen Wochen. Für 2018 erwartet der Konzern jetzt ­einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) "leicht unter Stand des Vorjahres". Davor hatten sich die Schwaben zugetraut, das Rekordergebnis von 2017 leicht zu übertreffen. Auslöser von Daimlers erster Gewinnwarnung seit 2012: Handelsbarrieren, aktuell durch Chinas 40-Prozent-Zoll auf US-Autoimporte, der Rückruf von Dieselautos und Verzögerungen bei der Zertifizierung für den strengeren Abgasprüfzyklus WLTP, der ab September gelten wird. Von dem anschließenden Kurssturz hat sich die Daimler-Aktie bisher nicht wesentlich erholt.

Analysten befürchten, dass die Erfolgsserie von Konzernchef Dieter Zetsche zu Ende sein könnte. "Daimler verfällt in alte Gewohnheiten und sieht vieles viel zu schnell positiv. Der Aufwand für die WLTP-Tests wurde deutlich unterschätzt", kritisiert Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.


Jüngst gerieten die Schwaben zudem wegen hoher Dieselabgaswerte ins Visier der Behörden. Wenn Zetsche am Donnerstag Bilanz zieht, wollen Börsianer wissen, wie schnell die Rückkehr auf die Siegerstraße möglich ist.

Aktienkurse bleiben unter Druck

Am 1. und 2. August, wenige Tage nach Daimler, liefert zuerst Volkswagen mit der Premiumtochter Audi, dann BMW die Bilanz. Auf dem Parkett ahnen Investoren, dass es für Deutschlands Autobauer mit den inzwischen gesunkenen Dieselanteilen, möglichen hö­heren Zöllen und den notwendigen ­Investitionen in Zukunftstechnologien schwieriger werden könnte, ihre globalen Stärken zu verteidigen.



So entwickelten sich die Aktien von Toyota, des weltweit zweitgrößten Autobauers nach VW, während der vergangenen zwölf Monate an der Börse in Frankfurt deutlich besser als die Papiere von BMW, Daimler und VW. Einige von deren Problemen hat Japans Riese nicht. In den USA ist Toyota bislang noch nicht im Visier des US-Präsidenten. Sollte Donald Trump jedoch seine Ankündigung umsetzen und Importzölle für Autos von 25 Prozent einführen, träfe es Toyota am stärksten. Die Dieseltechnologie wiederum hat bei der Marke nie eine große Rolle gespielt. Bei Klein- und Mittelklassewagen wird der Selbstzünder künftig nicht mehr verbaut, nur in SUVs und Pick-ups. Und bei den zukunftsträchtigen Elek­trohybridantrieben ist Toyota weltweit die Nummer 1.

Von den deutschen Autobauern erwarten Anleger Antworten darauf, wie die Unternehmen die größten Herausforderungen seit Bewältigung der globalen Finanzkrise meistern wollen. Beim Absatz haben BMW, Daimler und VW lange vom Nimbus ihrer Dieselmotoren profitiert. Die Selbstzünder sind schnell, kräftig und sparsam - und sie galten lange auch als sauber.

Dieselgate hat den Ruf nachhaltig beschädigt. Sollte Amerika die Drohung wahr machen und Autoimporte mit Zöllen von 25 statt bisher 2,5 Prozent belegen, können BMW, Daimler und VW mittelfristig kaum reagieren. Die Zusatzbelastungen würden voraussichtlich Gewinnwarnungen auslösen und in den Bilanzen, vor allem für 2019, deutliche Spuren hinterlassen.

Bei den hohen, aber notwendigen Investitionen in Zukunftstechnologien zu sparen, ist für die Konzerne keine Option. Dafür steht für die Anbieter zu viel auf dem Spiel: BMW, Daimler und VWs Tochter Audi kontrollieren nach Schätzungen von Experten zusammen weltweit mehr als 80 Prozent des Premiumsegments, das zahlungskräftige Kunden lockt und hohen Margen bietet.

Schon gibt es erste Signale, dass sich die Marktanteile mit dem Einzug alternativer Antriebstechnologien in diesem heiß umkämpften Segment zugunsten anderer Hersteller verschieben könnten. Jaguar etwa, im Besitz des indischen Tata-Konzerns, und auch Volvo aus dem Portfolio der chinesischen ­Geely-Gruppe trauen Experten langfristig wachsende Marktanteile zu.

Und erstmals seit langer Zeit bahnen sich neue Konkurrenten wie der US- Elektropionier Tesla oder der Massenhersteller im Stromsegment, die chinesische BYD, mit alternativen Antrieben Wege in den Markt. China als der größte Automarkt der Welt gilt inzwischen auch als Leitmarkt für die Elektromo­bilität.

Im Prinzip sind BMW, Daimler und Volkswagen für den Wandel gut gerüstet: Ihre Margen gehören in der Branche noch zu den höchsten weltweit. Sie verfügen über finanzielle Reserven sowie hohe Mittelzuflüsse aus dem operativen Geschäft. Wo ihre spezifischen Stärken und Schwächen angesichts der drei großen Herausforderungen Diesel, E-Mobilität und Zölle liegen, lesen Sie in den folgenden Texten.

Herausforderung 1: Diesel
Der lange Schatten des Skandals

Es ist eine gewaltige Summe. Die Manipulation der Abgaswerte von Dieselmotoren summiert sich bei Volkswagen in den USA nach eigenen Schätzungen auf 23 Milliarden Dollar Belastungen. In der Bilanz zurückgestellt wurden dafür 30 Milliarden. Die Aufarbeitung des Dieselskandals ist noch lange nicht zu Ende. Audi-Chef Rupert Stadler etwa sitzt nach seiner Verhaftung vor nunmehr vier Wochen noch in Untersuchungshaft. Stadler soll die Aufklärung behindert und nach Aufdeckung der Affäre im September 2015 den Verkauf manipulierter Modelle weiter gefördert haben.

Für mehr Nervosität sorgt derzeit jedoch Daimler. Es geht um das sogenannte Thermofenster, bei dem die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur gesteuert wird, angeblich um den Motor zu schonen. Daimler hat dieses Fenster bei einigen Motoren großzügig ausgelegt. Abgase wurden erst über zehn Grad Außentemperatur reduziert. Sollten Gerichte diese Auslegung für nicht zulässig erklären, drohen den Stuttgartern Strafzahlungen.

Beim Diesel am wenigsten in Bedrängnis ist BMW. Bei dem strengeren Abgasprüfzyklus WLTP gebe es keine Verzögerungen, heißt es aus München.

Kopfzerbrechen bereitet der Branche indes der Grenzwert von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer, der ab 2021 für Autoflotten gilt. "Ohne Diesel nicht zu schaffen", heißt es. Es drohen Strafen seitens der EU von bis zu 4,5 Milliarden Euro. "Die Konzerne werden alles tun, um das zu vermeiden", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach.

Neuer Dieselstandard

In Europa ist der Dieselanteil bei Neufahrzeugen von 56 Prozent für 2011 auf 44 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Den Trend soll die neue Abgasnorm 6d-Temp stoppen, mit der laut den Herstellern endlich alle Grenzwerte eingehalten werden. Bisher fahren jedoch nur wenige Autos mit dem Standard auf den Straßen.

Hierzulande sank der Diesel­anteil bei den Neuzulassungen auf 32 Prozent. Jüngst meldete die Branche Zeichen einer möglichen Trendwende: Die Auftragseingänge im zweiten Quartal bei VW hatten einen Diesel­anteil von 38 Prozent. Zuversichtlich äußerten sich auch BMW und Daimler. "Käufer brauchen eine Garantie, dass mit dem neuen Standard keine Fahrverbote drohen", sagt Experte Bratzel. Um den CO2-Grenz­wert zu schaffen, hoffen die Autobauer auf einen Diesel­anteil von rund 40 Prozent.

Fazit: BMW ist beim Diesel bisher am wenigsten in Bedrängnis. Daimler hofft auf die Gerichte.

Herausforderung 2: Zölle
Das größte Risiko

Experten sind sich einig: Die von US-Präsident Donald Trump erwogenen Zölle auf Autoimporte stellen das größte Risiko für die deutsche Autobranche dar. "Ein Szenario genereller Importzölle ist ökonomisch für Trump nicht umsetzbar. Zu groß wären die Schäden für die heimische Autoindustrie", meint Ferdinand Dudenhöffer, Direktor am CAR-­Institut der Uni Duisburg-Essen. Sollte Trump bei Autozöllen für Fakten und Szenarien zugänglich sein, die auch von US-Marktforschern skizziert werden, könnte das Schlimmste verhindern werden.

Sollten dennoch, wie befürchtet, Importzölle von 25 Prozent eingeführt werden, "können BMW, Daimler und VW in ihren Produktionsnetzwerken mittelfristig nicht deutlich genug gegensteuern, auch weil nicht klar wäre, wie lange die neuen Zölle gelten. Dann wären deutliche Gewinnwarnungen zu befürchten", warnt Autoexperte Stefan Bratzel. BMW mit seinem Werk in Spartanburg und Daimler mit seinen Anlagen in Tuscaloosa sind mit vor Ort produzierten Autos flexibler als Volkswagen mit seiner Premiummarke Audi. Allerdings exportieren sowohl BMW als auch Daimler einen erheblichen Teil ihrer SUVs made in USA nach China. Beide Konzerne sind deshalb seit Juli von Chinas höheren Zöllen auf Autoimporte aus den USA betroffen. Entsprechend passen die Hersteller ihre Preise im Reich der Mitte an.

VW ist dank vieler Werke in China dort nicht auf Importe aus den USA angewiesen. In Amerika haben die Wolfsburger ihre Produktionsanlagen in Mexiko. Sollten die USA auch Importe aus der NAFTA-Region, zu der Mexiko gehört, beschließen, träfe die Zoll-Keule VW am stärksten.

Fazit: Bei höheren US-Zöllen hätte BMW die größte Flexibilität. Zölle für Mexiko-Importe träfen VW besonders stark.

Herausforderung 3:
Elektromobilität

Trotz Pioniergeist: Für die deutschen Hersteller ist es bei der Zukunftstechnologie bisher nicht gelaufen wie geplant. "BMWs Vorsprung mit dem i3 und dem i8 ist aufgebraucht", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. Im größten Markt China sei Tesla mit dem SUV-Modell X auf Platz 19 der einzige westliche Hersteller in den Top 20 der meistverkauften Elektro- und Hybridautos.

"Der starke Imageverlust des Diesel, den keiner der Hersteller in Zukunftsszenarien berücksichtigt hat, ist ein wesentlicher Grund für den Verzug", sagt Bratzel. Inzwischen haben die Konzerne ihre Entwicklung von Elektroautos und Plug-in-Hybriden deutlich beschleunigt. Beispiel Daimler: Voraussichtlich in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres schicken die Stuttgarter ihren SUV-Stromer EQ C auf die Straße. Aktuell sind Testfahrzeuge im Format des GLC in voller Tarnung auf der Straße. Am Montag wird er in Stockholm vorgestellt. Der EQ C mit einem geschätzten Preis von 70.000 Euro geht gegen Teslas Model X, Audis e-tron quattro und Jaguars I-Pace ins Rennen. Im Gegensatz zum Rivalen BMW leistet sich Daimler für seine Stromer mit EQ eine eigene Plattform. Die Bayern wollen ab 2021 Verbrennungsmotoren, Plug-­ins und Elektroautos auf ­einer Plattform bauen. Das Ziel: beim Mix der Antriebe flexibel zu bleiben. Die Kosten sind geringer als bei Daimlers Ansatz.

Bei VW in Wolfsburg wird die Elektro-Offensive in der für den Konzern wichtigen Golf-Klasse für Anfang 2020 vorbereitet. Dann soll der Stromer I.D., eine Abkürzung für "Intelligentes Design", auf die Straße. Mit mindestens 500 Kilometer Reichweite, einem Produktionsstart mit 100.000 Stück und Preisen von rund 30.000 Euro wollen die Wolfsburger Teslas Model 3 ausbremsen.

Fazit: BMW, Daimler und VW beschleunigen deutlich. Wer bei Elektromobilität bis 2021 vorn sein wird, ist aktuell schwer zu sagen.

Investor-Info

BMW
Fokus auf Premium

BMW fährt weltweit die höchsten Margen ein. Die bei einigen Modellen angeblich falsch aufgespielte Software belastet beim Thema Diesel bisher nicht. Die Flexibilität einer auf Europa, Amerika und Asien relativ gleich verteilten Produktion bietet voraussichtlich mehr Schutz bei Einfuhrzöllen. In China sollen Stromer-Versionen des Mini und des X3 auf Plattformen für alle Antriebe gefertigt werden. Seit Jahresbeginn entwickelt sich die Aktie besser als die Konkurrenz.

Daimler
Überraschender Dämpfer

Nach der Gewinnwarnung hoffen Börsianer bei den Zahlen am Donnerstag auf Positives zum Thema Diesel. Viele Faktoren belasten aktuell die Kursfantasie. Positiv für langfristig orientierte Anleger ist die günstige Bewertung und die hohe Dividendenrendite. Bei der avisierten Ausgliederung der Lkw-Sparte ­taxiert das Bankhaus Lampe den Wert bei ­einem Börsengang auf 30 Milliarden Euro. Mehr Geld können die Schwaben im schwierigen Umfeld gut gebrauchen. Haltenswert.

Volkswagen
Chef fordert mehr Rendite

Chef Herbert Diess, seit April an der Spitze und zuvor für die Kernmarke VW verantwortlich, wird eine erfolgreiche Neuordnung zugetraut. Jüngst soll Diess den Marken neue Ziele gesetzt haben: Bei Audi sollen es bis spätestens 2021 rund 12 Prozent operative Marge sein, bei VW sechs Prozent, bei Porsche 15 Prozent. Verzögerungen durch Investitionen in Zukunftstechnologien lasse er nicht gelten, soll Diess signalisiet haben. Kaufen.




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Bildquellen: BMW Group, Daimler

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