Energydrinks

Red Bull wird flügellahm

17.09.09 12:11 Uhr

Red Bull verliert an Energie. Die Konkurrenten werden wach und wacher. Kultmanager Dietrich Mateschitz droht das Schlimmste: die Ankunft in der Normalität.

Werte in diesem Artikel
Aktien

63,24 EUR -0,41 EUR -0,64%

117,70 EUR -1,08 EUR -0,91%

Indizes

40.113,5 PKT 20,1 PKT 0,05%

16.240,1 PKT 197,2 PKT 1,23%

2.679,8 PKT 29,0 PKT 1,10%

5.525,2 PKT 40,4 PKT 0,74%

von Birgit Dengel

Der Anruf an diesem Tag im Mai ist so außergewöhnlich, dass sich Klaus Schlenger noch Monate später genau daran erinnert. Die Stimme am anderen Ende der Leitung spricht vom Arzneimittelgesetz, verbotenen Inhaltsstoffen - und von Kokain. Schlenger ist konsterniert, schließlich ist er weder Apotheker noch Drogenberater. Sondern Einkaufschef bei Getränke Hoffmann, dem größten Getränkehändler Berlins.

Der Anrufer ist ein Kontrolleur der Lebensmittelaufsicht, und er hat es auf ein paar Dosen in Schlengers Sortiment abgesehen: Red Bull Cola. Die Koffeinbrause ist der letzte Schrei aus dem Hause des Salzburger Energydrinkspezialisten. Nun ja, streng genommen ist sie genau das nicht, und da liegt auch schon das Problem: Während der süße Sprudel mit den Flüüügeln weltweit in aller Munde ist und 2008 mehr als drei Milliarden Euro umsetzt, fristet die Cola allen Marketinganstrengungen zum Trotz ein Nischendasein.

Da sorgt so ein kleiner Kokainskandal zumindest für ein bisschen Publicity. Spuren der illegalen Droge in Red Bull Cola hatten die Lebensmittelkontrolleure auf den Plan gerufen. In knapp 200 Märkten lässt Schlenger den nicht ganz so soften Softdrink aus den Regalen räumen, auf Paletten packen und zurück nach Österreich karren. Richtig gefährlich ist die Droge in der Dose zwar nicht. "Dafür müsste man schon an die 12.000 Red Bull Cola pro Tag trinken", schmunzelt der Getränkefachmann. Aber der Skandal ist da. Oder was man dafür hält. Von Berlin bis Taiwan werden die Dosen medienwirksam aus dem Verkehr gezogen, in Hongkong schaltet sich sogar die Drogenbeauftragte ein. Red Bull kann sich das alles offiziell überhaupt nicht erklären.

"Absolut unmöglich", befindet Daniel Beatty, Marketingchef in Asien. Bis heute weiß keiner so genau, wie der Koks in die Cola kam. Aber vielleicht kommt es darauf gar nicht an. Die Marke Red Bull lebt seit jeher vom Anrüchigen, vom Geheimnisvollen. Es macht einen Teil des Mythos aus, mit dessen Hilfe das Kultgetränk vor mehr als 20 Jahren seinen Siegeszug begann. Damals machte ein wundersamer Inhaltsstoff namens Taurin die klebrige Brause interessant. Lange hielt sich das Gerücht, Taurin werde aus Stierhoden gewonnen. In Wahrheit ist das Zeug eine Aminosulfonsäure, die Babys schon mit der Muttermilch einsaugen. Red Bull lässt sie von Pharmafirmen im Labor herstellen.

Ziemlich unspektakulär im Vergleich zu den Stierhoden. Egal: Der in Deutschland zunächst nicht zugelassene Energydrink aus Österreich wird zum begehrten Mitbringsel aus dem Skiurlaub. "Ohne lebensmittelrechtliche Zulassung in Deutschland bekam Red Bull einen leicht illegalen Touch. Das weckte die Neugier", erinnert sich Andreas Herb, Chef der Getränkefirma MBG, der hierzulande eine der ersten beiden Red-Bull-Lizenzen besaß. Taurin, Kokain, Absicht oder nicht: Klar ist, Red Bull kann ein wenig Aufmerksamkeit im Moment nicht schaden.

Das Geschäft läuft nicht mehr richtig rund. Zwar wächst das Unternehmen noch immer: 2008 stieg der Umsatz um immerhin acht Prozent auf 3,32 Milliarden Euro. Doch die Konkurrenz wächst schneller und nimmt dem Pionier immer mehr Marktanteile weg. Im wichtigen US-Markt verlor Red Bull seine Nummereins- Position an den Rivalen Monster, auch in Russland wackelt der Thron der Österreicher. Das Ziel von Konzerngründer Dietrich Mateschitz, im Jahr 2010 sechs Milliarden Dosen zu verkaufen, ist in weite Ferne gerückt. Im vergangenen Jahr waren es etwas mehr als vier Milliarden. Und ein Absatzplus von 50 Prozent innerhalb von zwölf Monaten wäre wohl selbst für die Extremmarke Red Bull ein wenig zu extrem.

Das Abflachen des Wachstums hatte Mateschitz vorausgesehen - und rechtzeitig neue Produkte entwickeln lassen. Neben Red Bull Cola gibt es den Wellnessdrink Carpe Diem, der mit natürlichen Zutaten und asiatischen Rezepturen wirbt. Oder Lunaqua, ein Quellwasser, das angeblich nur bei Vollmond aus einer verborgenen Quelle in den Alpen geschöpft wird. Exotisch, geheimnisvoll: Da sind sie wieder, die Zutaten für das perfekte Kultgetränk. Nur dummerweise funktioniert das Rezept bei den Kopien nicht annähernd so gut wie beim Original. Mateschitz hat ein Problem. Der 65-Jährige ist ein Phänomen, eine Legende. 1982 bringt er aus Thailand das Rezept für einen Energydrink mit, den er von Fuschl am See aus in Lizenz vertreiben will. Der Anfang ist mühsam: Jahrelang tüftelt er an einer verbesserten Rezeptur, grübelt über die Werbung und wartet auf die Zulassung durch die Lebensmittelbehörden.

Erst 1987 wird Mateschitz belohnt. Schon im ersten Jahr verkauft er eine Million Dosen seiner Limonade, deren Geschmack an aufgelöste Gummibärchen erinnert und die in Rekordgeschwindigkeit zum In-Getränk avanciert. In 20 Jahren pusht Mateschitz den Absatz auf 3,5 Milliarden Dosen, macht aus Red Bull einen der größten Konzerne Österreichs. "Mit Red Bull hat er nicht nur eine Marke geschaffen, er hat die Kategorie Energydrink erfunden", sagt Ralph Ohnemus, Getränkeexperte und Chef der Marktforschungsfirma Konzept und Analyse. Mateschitz ist eine Ikone, nicht nur in Österreich, ein Selfmademan, vergleichbar allenfalls mit dem britischen Milliardär Richard Branson. Mehr als 150 Nachahmermarken ruft Mateschitz' Erfolg zeitweilig auf den Plan. Kein Wunder: Allein in den vergangenen drei Jahren wuchs der weltweite Markt für Energydrinks nach Angaben der Marktforschungsfirma Zenith International um elf auf 39 Millionen Hektoliter. Nun ebbt der Boom ab. 2008 lag das Plus nur noch bei einer Million Hektolitern, und auch für dieses Jahr erwarten Experten keinen neuen Schwung. "Aufgrund der Wirtschaftskrise entwickelt sich das Geschäft mit Energydrinks schleppend", sagt John Sicher, Herausgeber des US-Getränkefachblatts "Beverage Digest".

Zudem erleidet Red Bull das Schicksal jedes Ex-Monopolisten: Die Konkurrenz holt auf. So macht in Deutschland zum Beispiel Ex-Lizenznehmer Andreas Herb mit seiner Marke Effect den Österreichern das Leben schwer. Die Verfolger-brause ist etwas billiger als das Original und zudem in verschiedenen Größen erhältlich. Red Bull gab es lange Zeit nur in der Einheitsdose mit 250 Millilitern. Mateschitz reagiert. Pumpt das Marketingbudget noch weiter auf. Rund eine Milliarde Euro steckt der Konzern mittlerweile in Werbung und Sponsoring, knapp ein Drittel des Umsatzes. Selbst für einen Konsumgüterhersteller ist das viel.

Coca-Cola etwa investiert pro Dollar nur 10 Cent in klassische Werbung. Dabei agiert Österreichs "Mann des Jahres 2000" durchaus mit Weitsicht. Seit elf Jahren unterstützt er Rennfahrer Sebastian Vettel. Am 19. April 2009 fuhr der heute 22-Jährige in Schanghai seinen ersten Formel-1-Sieg heraus. Den Fußballklub Red Bull Salzburg führte Mateschitz zur österreichischen Meisterschaft und baut mit Rasenball Leipzig jetzt auch in Deutschland ein Team auf, das eines Tages in der Bundesliga spielen und die Marke Red Bull werbewirksam über die Bildschirme tragen soll. Oberflächlich betrachtet wirkt der Konzern wie eine gigantische PR-Maschine mit angehängtem Getränkevertrieb. Im Tagesgeschäft steuert Mateschitz ebenfalls gegen. Jahrelang hatte er seinen Vertriebsmitarbeitern eingebläut, dass nur die edle, kleine Silberdose dem Premiumimage gerecht werde. Heute gibt es Red Bull zusätzlich in Plastikflaschen - sogar bei Billiganbietern wie Penny oder Netto. "Discounter sind wichtige Absatzkanäle in Deutschland", heißt es dazu aus dem Unternehmen. Eine Listung habe "nahegelegen".

In der Branche argwöhnt man, dass Billigangebote am Image kratzen oder die Margen kaputt machen. Red Bull hingegen teilt knapp mit, die Discounterlistung schade nicht. Grundsätzlich gibt sich die Kultfabrik schweigsam. Zum Gewinn - österreichische Medien kolportieren eine Zahl von 235 Millionen Euro für 2007 - gibt es ebenso wenig eine Aussage wie zur Entwicklung bei den Wellnessdrinks. Eine Meldung des Magazins "Trend", die Wohlfühlwässer hätten 2007 bei 21 Millionen Euro Umsatz elf Millionen Euro Verlust gemacht, blieb unwidersprochen. Experten bezweifeln, dass sich unterhalb von Red Bull überhaupt Zweitmarken aufbauen lassen. "Red Bull ist eindimensional mit dem Stempel Energie belegt, neue Geschäftsfelder tun sich da schwer auf", sagt Ohnemus. Zudem sei es speziell mit Cola schwer, sich zu etablieren, glaubt Sicher. Die Macht von Coke und Pepsi sei zu groß. Erst recht, wenn der Angreifer 2,80 Euro pro Dose nimmt. Dennoch scheint Mateschitz entschlossen, weitere Drinks mit Bullenlogo auf den Markt zu werfen. An Tankstellen in Nordrhein-Westfalen finden Kunden in diesen Wochen Red Bull Fruit Punch, Red Bull Energy Coffee und Red Bull Energy Cola.

Dass eines dieser Produkte die Erfolgsgeschichte von Red Bull wiederholt, ist unwahrscheinlich. Vielleicht, weil sie gar nicht wiederholbar ist. Weil sich ein Hype nicht planen und ein Kult nicht verordnen lässt. Mateschitz wird das nicht umwerfen, er wird weiter Geld verdienen, womöglich nicht mehr so viel wie früher. Vielleicht ist Red Bull einfach keine Kultmarke mehr. Sondern ein ganz normaler Getränkekonzern. Unternehmerisch ist das keine Katastrophe. Für einen wie Mateschitz wahrscheinlich schon. Kasten: Chronik Vom Gebräu zum Kultgetränk Wie Dietrich Mateschitz aus Red Bull eine Weltmarke machte 1982 Als Manager für Blendax-Zahncreme in Asien stößt Dietrich Mateschitz auf den thailändischen Energydrink Krating Daeng (Roter Stier). Mit Seniorchef Chaleo Yoovidhya will er das Produkt nach Europa bringen. 1984 Mateschitz tüftelt an Rezeptur und Vermarktung des Drinks. Das Joint Venture bekommt den Namen Red Bull. Mateschitz hat das Sagen - auch wenn ihm nur 49 Prozent gehören, den Yoovidhyas 51 Prozent.

1987 Als Auftragsproduktion startet bei der Fruchtsaftfirma Rauch die Abfüllung von Red Bull in Österreich. 1994 Der Energydrink erhält die Zulassung in Deutschland. Schritt für Schritt weitet Mateschitz den weltweiten Vertrieb aus - und liefert heute in mehr als 100 Länder. 2000 Mateschitz wird in seiner Heimat zum "Mann des Jahres" gekürt. Mit einem geschätzten Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar gilt er heute als reichster Österreicher. 2007 Das Wachstum von Red Bull flacht ab. Die Wellnessmarke Carpe Diem macht Verluste.

Der Artikel ist der Schweizer Zeitschrift Bilanz entnommen.

In eigener Sache

Übrigens: Coca-Cola und andere US-Aktien sind bei finanzen.net ZERO sogar bis 23 Uhr handelbar (ohne Ordergebühren, zzgl. Spreads). Jetzt kostenlos Depot eröffnen und als Geschenk eine Gratisaktie erhalten.

Ausgewählte Hebelprodukte auf Coca-Cola

Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf Coca-Cola

NameHebelKOEmittent
NameHebelKOEmittent
Wer­bung

Nachrichten zu PepsiCo Inc.

Wer­bung

Analysen zu PepsiCo Inc.

DatumRatingAnalyst
30.03.2022PepsiCo OverweightJP Morgan Chase & Co.
26.03.2020PepsiCo kaufenDZ BANK
04.10.2019PepsiCo overweightJP Morgan Chase & Co.
18.04.2019PepsiCo NeutralGoldman Sachs Group Inc.
18.04.2019PepsiCo Sector PerformRBC Capital Markets
DatumRatingAnalyst
30.03.2022PepsiCo OverweightJP Morgan Chase & Co.
26.03.2020PepsiCo kaufenDZ BANK
04.10.2019PepsiCo overweightJP Morgan Chase & Co.
14.12.2017PepsiCo BuyDeutsche Bank AG
09.06.2017PepsiCo Market PerformBMO Capital Markets
DatumRatingAnalyst
18.04.2019PepsiCo NeutralGoldman Sachs Group Inc.
18.04.2019PepsiCo Sector PerformRBC Capital Markets
03.07.2018PepsiCo HoldDeutsche Bank AG
05.10.2017PepsiCo Sector PerformRBC Capital Markets
09.01.2017PepsiCo Equal WeightBarclays Capital
DatumRatingAnalyst
20.08.2018PepsiCo SellGoldman Sachs Group Inc.
09.07.2009PepsiAmericas underweightBarclays Capital
20.09.2005Update PepsiAmericas Inc.: UnderweightLehman Brothers

Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für PepsiCo Inc. nach folgenden Kriterien zu filtern.

Alle: Alle Empfehlungen

Buy: Kaufempfehlungen wie z.B. "kaufen" oder "buy"
Hold: Halten-Empfehlungen wie z.B. "halten" oder "neutral"
Sell: Verkaufsempfehlungn wie z.B. "verkaufen" oder "reduce"
mehr Analysen