Emerging-Markets-Trader Gerhard Heinrich

Russische Ölaktien: Was viele Anleger übersehen…

10.03.15 09:41 Uhr

Russische Ölaktien: Was viele Anleger übersehen… | finanzen.net

An den Börsen ist die Stimmung für den russischen Ölsektor weiterhin enorm schlecht. Die Branche hat es 2014 gleich doppelt hart getroffen.

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Zum einen brach wegen der Ukraine-Krise und der westlichen Sanktionen der russische Aktienmarkt ohnehin in seiner Gesamtheit ein. Hinzu kam dann aber noch der Ölpreis, der in der zweiten Jahreshälfte ebenfalls auf Talfahrt ging.

Die Folge: Russlands Ölunternehmen - die auch schon vor der Krise nicht sonderlich teuer waren - haben sich letztes Jahr an der Börse nochmals enorm verbilligt. Vor allem die Bewertungen im Verhältnis zu den Reserven, die im Boden schlummern, liegen nur noch bei einem Bruchteil der für westliche Ölaktien üblichen Werte. Daneben notiert der gesamte Sektor inzwischen deutlich unter Buchwert. Und die Dividendenrenditen befinden sich in der Regel im oberen einstelligen Prozentbereich.

Extremer Pessimismus

Natürlich war die Zurückhaltung der Investoren in großen Teilen berechtigt. Zuletzt gab es in der einschlägigen Presse aber einige Unkenrufe, wonach Russlands Ölsektor wegen des gefallenen Ölpreises demnächst mit Mann und Maus untergehen werde - und dabei den russischen Staat gleich mit in den Abgrund ziehen wird. Diesen extremen Pessimismus teile ich nicht. Schließlich haben die russischen Ölförderer schon in der Vergangenheit einige heftige Krisen überstehen müssen. Dank ihrer riesigen Vorkommen und teils auch dank politischer Unterstützung ist ihnen dies immer wieder gut gelungen.

Zweifellos ist der stark gefallene Ölpreis zurzeit eine Belastungsprobe. Seit Mitte 2014 ist der Preis für Brent-Öl um 45 % eingebrochen, für die Rohölsorte werden jetzt nur noch rund 60 Dollar pro Barrel bezahlt. Gleichzeitig ist allerdings der russische Rubel gegenüber dem US-Dollar um etwa 42 Prozent gefallen. Das bedeutet: In Rubel gerechnet hat sich der Ölpreis fast gar nicht verändert.

Der Großteil der laufenden Kosten, die den russischen Ölförderern entstehen, fällt in russischer Währung an. Daraus erwuchs den russischen Ölkonzernen zuletzt ein beträchtlicher Wettbewerbsvorteil. Hinzu kommt außerdem, dass sich die anteiligen Ölexportsteuern durch den niedrigeren Ölpreis (in Dollar) sogar überproportional verringern. Auf diese Weise ist der Einfluss des Ölpreisverfalls für Russlands Ölkonzerne nicht annähernd so hoch, wie dies immer wieder kolportiert wird.

Die westlichen Multis drängen weiter nach Russland

Ein weiterer Aspekt sind die Ölvorkommen, die von Russlands Ölriesen kontrolliert werden. Diese Liegenschaften sind so interessant, dass sie trotz der politischen Spannungen weiterhin auch im Westen Begehrlichkeiten wecken. Es ist schon interessant, dass etwa der US-Ölmulti Exxon sein Russland-Engagement 2014 nicht etwa zurückgefahren, sondern massiv ausgebaut hat. Ende 2013 war Exxon noch an russischen Projekten beteiligt, die eine Fläche von 4,6 Mio. Hektar umfassten. Ein Jahr später hatte sich der Konzern bereits an Explorationsvorhaben mit einer Fläche von 25,8 Mio. Hektar eingekauft.

Bemerkenswert ist außerdem, dass Exxon den Großteil der neuen Engagements im Mai vorgenommen hat, also bereits zwei Monate, nachdem Russland die Krim annektiert hatte. Dass der Großteil der neuen Projekte derzeit auf Eis liegt und dass darauf bereits Abschreibungen von fast 1 Milliarde Dollar vorgenommen werden mussten, stört den amerikanischen Konzern nicht. Hier denkt man offensichtlich sehr langfristig.

Kritische Größen

Es gibt also durchaus einige Argumente, die aktuell für russische Öl-Aktien sprechen. Anleger, die sich hier engagieren wollen, sollten aber einige kritische Größen im Auge behalten. Wichtig ist unter anderem, wie hoch die jeweiligen Ölgesellschaften in ausländischer Währung verschuldet sind, und wie die Besitzverhältnisse dort sind - vor allem im Hinblick auf die Beteiligung und den Einfluss des russischen Staates. Daneben sind natürlich auch die Bewertungen unterschiedlich interessant. In einer Sonderstudie, die wir zuletzt an die Leser des Emerging Markets Trader verschickt haben, finden Sie die wichtigsten Kennzahlen zu den Aktien von Lukoil, Gazprom, Gazprom Neft, Surgutneftegaz, Tatneft und Rosneft, sowie meine aktuelle Einschätzung zu diesen Papieren.

Mein Fazit: Russische Ölaktien sind aktuell sehr günstig bewertet. Allerdings ist das politische Risiko, das durch die Spannungen zwischen Russland und dem Westen entstanden ist, weiterhin nicht von Hand zu weisen. Deshalb ist der Einstieg in den russischen Ölsektor nur spekulativen Anlegern mit einem langfristigen Horizont zu empfehlen. Daneben unterscheiden sich die russischen Ölgesellschaften stark voneinander. Eine genaue Einzelfallbetrachtung ist deshalb für Investoren unabdingbar.

Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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