Uniper-Aktie legt zu: Wirtschaftswissenschaftler hält Verstaatlichung für alternativlos - Oddo BHF senkt den Daumen
Der Wirtschaftswissenschaftler André W. Heinemann sieht keine Alternative zur Rettung des Gasimporteurs Uniper mit Steuermilliarden.
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"Im Fall von Uniper haben wir es mit einem bis dato vollkommen unbekannten Krisenszenario zu tun, mit dem umgegangen werden muss. Uniper ist ein Fall, der durchaus als systemisches Risiko betrachtet werden kann. Ich halte es insofern für zwingend, dass die öffentliche Hand, der Staat Maßnahmen ergreift, um diese Risiken abzumildern", sagte Heinemann, der seit 2013 die Professur für bundesstaatliche und regionale Finanzbeziehungen an der Universität Bremen innehat, der Deutschen Presse-Agentur. "Hier ist wirklich Gefahr im Verzug für einen großen Teil der, wenn nicht gar für die gesamte Volkswirtschaft."
Der Bund übernimmt Deutschlands größten Gasimporteur Uniper fast zu 100 Prozent. Das Unternehmen war in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland pumpt. Der Großhändler Uniper seinerseits ist Lieferant für mehr als 100 Stadtwerke sowie große Unternehmen und spielt damit eine zentrale Rolle für die deutsche Gasversorgung. Das fehlende Gas muss Uniper derzeit teuer auf dem Gasmarkt einkaufen.
Ob die Steuermilliarden gut angelegt sind, ist aus Heinemanns Sicht bei der Uniper-Rettung nicht die ökonomisch relevante Frage. "Alle direkten und indirekten sozialen Kosten, die vermieden werden, weil dieser Gasimporteur gerettet wird, sollten diesen im Raum stehenden acht Milliarden Euro gegenübergestellt werden", argumentierte Grünen-Mitglied Heinemann. "Die Frage nach kurzfristigen Risiken für die Steuerzahler sollte in diesem Fall in den Hintergrund treten. Dann die volkswirtschaftlichen Kosten dürften viel höher sein, wenn der Staat bei Uniper nicht in der Art und Weise handeln würde."
Staatliche Beteiligungen in Krisenzeiten sind keine Seltenheit. In der Corona-Pandemie übernahm der deutsche Staat vorübergehend Anteile der Lufthansa und des Touristikkonzerns TUI, bei der Commerzbank ist der Bund seit der Rettung des Instituts mit Steuermilliarden in der Finanzkrise 2008/2009 größter Einzelaktionär. "Im Falle der Commerzbank werden wir noch lange warten, bis sich die Staatsbeteiligung aus Sicht des Bundes betriebswirtschaftlich rechnet. Bei der Lufthansa hat es sich gerechnet, aber das war so nicht absehbar", sagte Heinemann.
Der Wirtschaftswissenschaftler betonte: "In normalen Zeiten brauchen wir sehr, sehr gute Gründe, warum wir staatliche Beteiligungen diskutieren sollten. Es gibt dafür auch in solchen Zeiten sicherlich ökonomische Argumente. Zum Beispiel bei entstandenen Monopolen, die Probleme mit sich bringen können, oder Verwerfungen in Märkten, ist es in Einzelfällen ordnungspolitisch durchaus angebracht, über staatliche Beteiligung nachzudenken." Im Fall von Uniper gehe es jedoch darum, in einer Notlage zu organisieren, dass das eigentliche Geschäft des Gasimporteurs weiterlaufen könne.
FDP-Fraktionschef mahnt Habeck zur Eile bei Gasumlage
FDP-Fraktionschef Christian Dürr drängt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), rasch über die geplante Gasumlage zu entscheiden. Die rechtlichen Prüfungen seien abgeschlossen, man müsse nun sehr schnell sein, sagte Dürr am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". Die Idee der Gasumlage sei, dass der Gasmarkt nicht zusammenbreche. "Robert Habeck muss da jetzt schneller werden, damit wir keinen Zusammenbruch der Gasversorgung im Winter haben", mahnte Dürr. Es sei keine Option, dass die Verbraucher die gestiegenen Bezugskosten eins zu eins tragen.
Mit der zum 1. Oktober geplanten Gasumlage sollen wichtige Gasimporteure gestützt werden, die nach dem russischen Gas-Lieferstopp zu weit höheren Preisen Gas an der Rohstoffbörse kaufen müssen. Derzeit ist die Umlage für alle Gasnutzer auf rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde Erdgas festgelegt. Die ersten Abschlagszahlungen sollen nach aktuellem Stand frühestens im November an Unternehmen gehen.
Habeck hatte am Mittwoch im Zusammenhang mit der Verstaatlichung des Gasimporteurs Uniper erklärt, ob die Umlage noch verfassungskonform erhoben werden könne, wenn Uniper ein Staatsunternehmen sei, sei eine berechtigte Frage.
Oddo BHF nimmt Uniper mit 'Underperform' auf - Ziel 1,90 Euro
Die Investmentbank Oddo BHF hat die Bewertung der Papiere von Uniper bei einem Kursziel von 1,90 Euro mit "Underperform" wieder aufgenommen. Dies schrieb Analyst Louis Boujard in einer am Donnerstag vorliegenden Studie anlässlich der Verstaatlichungspläne für den angeschlagenen Energiekonzern. Die Bank hatte die Bewertung der Aktie wegen der vielen Probleme des Konzerns Anfang Juli ausgesetzt. Davor hatte Oddo BHF das Papier mit "Outperform" bewertet und das Kursziel auf 25 Euro gesetzt. Nach der Aussage des Bundes, dass Minderheitsaktionäre nicht herausgedrängt werden sollen (Squeeze-out), gebe es keine "spekulative Unterstützung" oberhalb des Kapitalerhöhungspreises von 1,70 Euro, so der Experte. Den fundamentalen Wert nach der Rekapitalisierung taxiert Boujard auf 1,90 Euro. Hier sei die Bewertung der Prognosen für 2024 und 2025 nach dann etwa auf Branchenniveau nach dem vermutlichen Verlustjahr 2023.
Habeck will bei Gasumlage Trittbrettfahrer ausschließen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will bei der umstrittenen Gasumlage Trittbrettfahrer ausschließen. Dazu soll das Energiesicherungsgesetz geändert werden. Ein der Deutschen Presse-Agentur vorliegender Entwurf ging in die Ressortabstimmung. Finanzielle Ausgleichsansprüche für Gasimporteure über die Umlage sollen auf marktrelevante sowie bedürftige Versorgungsunternehmen eingegrenzt werden, die wirtschaftlich in Not sind.
Die Änderungen sollen voraussichtlich am 28. September vom Kabinett beschlossen werden, so das Ministerium am Donnerstag. Mit der Gasumlage sollen Gasimporteure gestützt werden, die wegen ausbleibender russischer Lieferungen sehr hohe Kosten für Ersatzbeschaffungen haben. Die Bundesregierung will trotz einer geplanten Verstaatlichung des Energiekonzerns Uniper vorerst am Instrument der Gasumlage festhalten, die zum 1. Oktober eingeführt werden soll.
Habeck hatte angekündigt, profitablen Firmen den Zugang zur Gasumlage erschweren zu wollen. Das Ministerium schaue, ob es rechtssichere Möglichkeiten gebe, "Trittbrettfahrer" wieder auszusortieren.
Laut Entwurf soll nun ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich nur für Gasimporteure gelten, bei denen die ersatzbeschafften Mengen einen Anteil von mindestens 1 Prozent am deutschen Gesamtgasverbrauch ausmachen und die ohne die Zahlung des Ausgleichs im jeweiligen Quartal ein negatives Ebitda ausweisen - dies ist das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Durch die Einschränkungen der Ausgleichsansprüche soll die Belastung der Umlagezahler verringert werden, wie es im Entwurf heißt.
Das Wirtschaftsministerium sieht bei der Umlage noch finanzverfassungsrechtliche Fragen. Insbesondere gehe es darum, ob die Gasumlage in eine Sonderabgabe umschlagen könne und die Gefahr der Verfassungswidrigkeit bestehe, wenn die Hauptprofiteure der Umlage in staatlicher Hand sein sollten. Das von der FDP geführte Finanzministerium sieht bei der Gasumlage dagegen keine Rechtsbedenken.
Im XETRA-Handel notierte die Uniper-Aktie letztlich 4,94 Prozent höher bei 3,27 Euro.
FRANKFURT / BREMEN / BERLIN (dpa-AFX)
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