Namibia: Mehr als Safari-Tourismus
Das südwestafrikanische Land will zum Industriestaat werden und wirbt um ausländische Investoren. Trotz insgesamt guter Bedingungen kämpfen Kapitalgeber aber mit einigen Widrigkeiten.
von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Es hilft nichts: Es ist zu lang. Ein paar Meter ragt das Hinterteil der ATR42 Regionalmaschine der Air Botswana nun aus der Flugzeughalle heraus. Martin Funck, Geschäftsführer des Aviation Centre am Flughafen Windhoek, wo sich das Flugzeug aus dem Nachbarland zur Wartung befindet, sieht es gelassen. Schließlich sei das die Folge der guten Auslastung seines Wartungszentrums, das 2013 von Rheinland Air Service übernommen wurde. Dass ein Bauantrag für eine Erweiterung der Halle offenbar schon einige Zeit unbearbeitet in der zuständigen Behörde liegt, erzürnt viel mehr die anwesende Wirtschaftsrätin, die sogleich ihr Telefon zückt und verspricht, der Sache auf den Grund zu gehen.
Unbürokratische Hilfe auf dem kurzen Dienstweg ist nur einer der Anreize, die Namibia seinen Investoren bietet. Das Land punktet mit politischer Stabilität, einer freien Marktwirtschaft und guter Infrastruktur. Und es hat ein großes Ziel: Bis 2030 will der südwestafrikanische Staat zum Industrieland aufsteigen - weg von Rohstoffen und Tourismus, hin zu Güterproduktion und dem Ausbau des Dienstleistungssektors. Ausländische Investoren, die helfen können, dieses Ziel zu erreichen, werden eifrig umworben.
Davon hat auch die deutsche Schwenk Zement KG profitiert. Die Investoren aus Baden-Württemberg haben 2010 in der Nähe von Otavi - drei Autostunden nördlich von Windhoek - die modernste Zementfabrik Afrikas fertiggestellt. Dank ihr haben rund 2.300 Menschen in der Region Arbeit gefunden. Im Vorfeld hatte die namibische Regierung den Deutschen in Aussicht gestellt, Zementimporte nach Namibia mit hohen Steuern zu belegen. Auf diese Weise sollte sich die Investition von umgerechnet 250 Millionen Euro - die drittgrößte ausländische und die größte deutsche Direktinvestition - für Schwenk lohnen. "Die ersten zwei Jahre waren schwierig", sagt Geschäftsführer Hans-Wilhelm Schütte. Im vergangenen Jahr konnte Ohorongo Zement seine Produktion jedoch um 20 Prozent steigern - und das, obwohl ein chinesischer Zementproduzent gegen die Einfuhrbeschränkungen klagt und vorerst seinen billigeren Zement in Namibia verkaufen kann.
Wachstum dank Bauindustrie
Ein Grund für den steigenden Zementbedarf sind die vielen Bauprojekte, mit denen Namibia seine Verkehrswege verbessern will. Schon jetzt hat das Land eine der besten Infrastrukturen Afrikas. Mit dem weiteren Ausbau will die Regierung in Windhoek das Land zum Handels- und Logistikzentrum machen.
Eine besondere Rolle spielt hierbei der Hafen in Walvis Bay, der derzeit für umgerechnet fast 300 Millionen Euro um ein 40 Hektar großes Containerterminal erweitert wird. Bislang landen Güter, die für den Süden des Kontinents bestimmt sind, vor allem in südafrikanischen Häfen wie Kapstadt oder Durban. Dort dauert die Abfertigung jedoch wegen chronischer Überlastung mehrere Tage. "Würden die großen Frachter vor allem aus Europa und Amerika in Walvis Bay anlegen, könnten die Transportunternehmen nicht nur auf dem Seeweg, sondern auch bei der Zollabfertigung Zeit sparen", sagt Bisay Uirab, Geschäftsführer des Hafenbetreibers Namport. Wenn der Hafenausbau in drei Jahren abgeschlossen ist, erhofft sich der Manager, dass sich das Umschlagsvolumen pro Jahr auf mehr als eine Million Container verdoppeln wird. Damit würde Walvis Bay mit Kapstadt gleichziehen. Nur Durban wäre dann noch größer.
Einer, dem diese Aussichten gefallen, sitzt in seinem klimatisierten Büro in einem Industriepark am Stadtrand von Windhoek. Fritz Kaufmann ist Geschäftsführer der namibischen Zweigstelle des Logistikunternehmens DB Schenker. Er sieht großes Potenzial für die Pläne der Regierung: "Die Waren könnten über Namibia viel schneller in die Nachbarländer transportiert werden, weil die Hinterlandanbindung gut ausgebaut und vor allem kürzer ist." Schon jetzt werde das Nachbarland Sambia größtenteils über Namibia versorgt. Auch die Lieferzeiten in Länder wie Botswana könnten sich um mehrere Tage verkürzen.
Namibia würde dabei auch von der guten wirtschaftlichen Lage seiner Nachbarländer profitieren. Angola, das wie Namibia alles daran setzt, seine Wirtschaft zu diversifizieren, hat in den zehn Jahren nach dem Ende des Bürgerkriegs mit teilweise 20 Prozent das stärkste Wirtschaftswachstum weltweit. Simbabwe und Sambia boomen dank Rohstoffexporten, während Botswana sich mit Wachstumsraten zwischen sechs und zehn Prozent von einem der ärmsten Länder der Welt zum Staat mit dem höchsten Kreditrating in Afrika entwickelt hat.
Und nicht zu vergessen Südafrika: Mit dem südlichen Nachbarn teilt sich Namibia viel mehr als nur die Geschichte. Genau genommen sind beide Länder ein Markt. Mit gerade einmal 2,3 Millionen Einwohnern gehört Namibia zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde. Ein Großteil der hier verkauften Güter wird importiert - drei Viertel davon aus Südafrika.
Auch den Banken- und Energiesektor dominieren südafrikanische Anbieter. Weil zudem der namibische Dollar wegen der engen Handelsverflechtungen an den Südafrikanischen Rand gekoppelt wurde, ist das Land zusätzlich abhängig von seinem südlichen Nachbarn. Wertet der Rand auf, beeinflusst das die Exportindustrie des Landes negativ, wertet er ab, werden alle Importe, die nicht aus Südafrika kommen, teurer, ohne dass die Regierung großen Einfluss hätte.
Doch der kleine Markt und die Abhängigkeit von Südafrika sind nicht die einzigen Probleme, mit denen Namibia zu kämpfen hat. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit macht dem Land zu schaffen. Fast 30 Prozent der Namibier sind ohne Job. Zugleich fehlen Fachkräfte. "Die Suche nach ausreichend qualifizierten Mitarbeitern gehört zu den größten Herausforderungen", sagt Martin Funck vom Aviation Centre. Immer wieder wies er darauf hin. Getan hat sich trotzdem wenig.
Mangel an qualifiziertem Personal
Auch andere Investoren kritisieren das geringe Angebot an ausreichend qualifiziertem Personal - zumal es gleichzeitig schwierig ist, alternativ ausländische Mitarbeiter anzuwerben: Wegen der hohen Arbeitslosigkeit werden dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen fast nur für Personen ausgestellt, die zu dringend benötigten Berufsgruppen wie Ärzten oder Telekommunikationsexperten zählen. "Wir würden gern mehr Führungspositionen in namibische Hände geben", sagt Hans-Wilhelm Schütte von Ohorongo Zement, doch es sei schwierig, geeignete Leute zu finden. Dabei, so glaubt er, wäre die Übertragung von Verantwortung an Namibier ein wichtiger Schritt für das Land. Martin Funck holt sich, wenn es personell besonders eng ist, für ein paar Wochen Verstärkung vom Mutterunternehmen Rheinland Air Service. An dem Flieger von Air Botswana klebt ein junger deutscher Techniker gerade fein säuberlich die Türrahmen ab. Eile ist geboten. Die Maschine soll am nächsten Tag zum Kunden zurückgeflogen werden. Dann lässt sich auch endlich wieder das Hallentor richtig schließen.
Namibia
Tourismus und Diamanten
Namibias Potenzial ist seine Schönheit: Faszinierende Landschaften und unberührte Natur locken jedes Jahr Hundertausende Touristen ins Land. Rund 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden so erwirtschaftet. Noch wichtiger ist der Bergbau. Er trägt 20 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Vor allem für seine Diamanten ist das Land berühmt. Sie gehören
zu den reinsten und schönsten der Welt.
Investor-Info
Afrika-Zertifikat
Auf die Subsahara setzen
Die Region südlich der Sahara ist ein Wachstumsmarkt. Mit dem Zertifikat des Schweizer Emittenten Leonteq auf den Solactive Sub-Saharan Africa Index beteiligen sich Anleger an 15 Firmen, die mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes in dieser Region des Schwarzen Kontinents machen. Sie sind in den Branchen Rohstoffe, Energie, Kommunikation, Konsum und Finanzen tätig. Aus keinem Sektor dürfen mehr als drei Firmen stammen. Deren Kapitalisierung muss mindestens 250 Millionen US-Dollar betragen. Das Maximalgewicht eines Titels am Index beträgt 15 Prozent. Die Zusammensetzung wird halbjährlich überprüft. Die Unternehmen sind vor allem in Südafrika ansässig, aber auch Firmen mit Sitz in Ghana, Burkina Faso, Nigeria und sonstigen Subsahara-Staaten sind vertreten. Anleger gehen ein Währungsrisiko ein, erhalten aber die Dividenden. Die Jahresgebühr beträgt 1,2 Prozent. Seit Anfang Februar hat das Papier um 25 Prozent zugelegt.
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