Begrenzter Vorrat: Phosphat immer begehrter
Der Bedarf an Phosphat für Düngemittel steigt, die natürlichen Vorkommen schwinden. Das wird den Preis antreiben. Und das macht auch das Recycling interessanter: Bei einem Modellprojekt in Berlin wird Phosphat aus Klärschlamm gewonnen.
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von Kristina Pezzei, Euro am Sonntag
Wer Andreas Lengemann am Arbeitsplatz begleiten will, braucht Schwindelfreiheit und eine robuste Nase. "Hier drin ruht der Schatz", sagt der Verfahrenstechniker. Er steht am Rand eines offenen, riesigen Bottichs in 17 Metern Höhe, eine steile Außentreppe führt nach oben. Im Innern des Bottichs: 800 Kubikmeter zähe Brühe. Der aufsteigende Gestank dringt selbst durch zugehaltene Nasen - die Hinterlassenschaften Hunderter Berliner Haushalte. In dem Klärschlamm steckt jede Menge Phosphat. Und wenn Lengemann ihn als den Schatz in seinem Klärwerk südlich von Berlin bezeichnet, übertreibt er damit kaum.
Ohne Phosphor wäre kein Leben möglich. Für Pflanzen ist das Element neben Stickstoff der wichtigste Nährstoff, für Menschen entscheidend für den Stoffwechsel. Phosphat gelangt über menschliche Ausscheidungen in den Abwasserkreislauf. Lengemann und seine Kollegen von den Berliner Wasserbetrieben haben ein Verfahren entwickelt, um Phosphat aus dem Abwasser zu filtern und in Dünger umzuwandeln. Für die patentierte Erfindung haben die Wasserbetriebe den Umweltpreis GreenTec Award erhalten.
Das Brisante bei Phosphat ist: Er kann durch nichts ersetzt werden, anders als etwa Erdöl. Und die Ressourcen sind begrenzt: Zwischen 100 und 300 Jahren sollen sie Schätzungen zufolge reichen. Die Europäische Union hat Phosphat voriges Jahr auf die Liste kritischer Rohstoffe gesetzt und so die wirtschaftliche Bedeutung in Kombination mit hohem Versorgungsrisiko unterstrichen.
Bund fördert Recycling
Die Phosphatvorkommen konzentrieren sich vor allem in Marokko, aber auch in China, Algerien und Syrien ist der Rohstoff zu finden. In der EU gibt es keine nennenswerten Vorkommen. Auch darum fördert die Bundesregierung die Erforschung von Recyclingmethoden. Neben dem Berliner Modell gibt es bundesweit eine Handvoll weiterer Projekte in anderen Kläranlagen. Die Berliner sind allerdings als Einzige so weit, dass sie mit der "Berliner Pflanze" einen Dünger produzieren, den sie über Zwischenhändler an Landwirte vertreiben.In Form von Phosphaten ist Phosphor neben Kali und Stickstoff der Hauptbestandteil von Düngern. 80 Prozent des weltweit abgebauten Rohstoffs gehen in die Düngemittelindustrie, dort liegt der Verbrauch bei über 40 Millionen Tonnen pro Jahr. Und der Bedarf steigt: Auf der Erde gibt es immer mehr Menschen, die Essgewohnheiten ändern sich. Mehr Fleisch, mehr verarbeitete Produkte stehen gerade in Schwellenländern häufiger als früher auf dem Speiseplan. Landwirte müssen mehr produzieren, ohne die Flächen ausweiten zu können.
Schwellenländer treiben Nachfrage
"Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage massiv wachsen wird", sagt Dietrich Pradt, Geschäftsführer beim Industrieverband Agrar (IVA). Eine Einschätzung, die Jörg Dehning, der sich beim Vermögensverwalter DJE Kapital mit Düngemittelproduzenten beschäftigt, bestätigt: China, Brasilien und Indien seien die Märkte, die für einen stark steigenden Bedarf sorgen werden.Zu den großen Düngemittelherstellern, die mit Phosphaten arbeiten, zählen die kanadische Potash Corporation, das US-Unternehmen Mosaic, die russische Firma Phosagro und die israelische ICL Group. Der DAX-Konzern K + S verwendet kein Phosphat für seine Dünger; überhaupt gibt es in Deutschland keine nennenswerten Hersteller mehr.
Auch darum will die Bundesregierung Anreize für mehr Recycling setzen, ähnlich wie es die niederländischen Nachbarn machen. Die Regierung in Amsterdam hat dieses Jahr Phosphatdünger aus drei verschiedenen Recyclingvarianten zugelassen. Ein lokales Klärwerk mit einem Einzugsbereich von einer Million Einwohnern hat das Berliner Verfahren und entsprechende Anlagen gekauft, genauso wie mehrere deutsche Klärwerke. "Das Interesse an unseren Produkten ist groß", bestätigt Rudolf Bogner, Geschäftsführer von CNP. Die Hamburger Firma hat das Patent für das Berliner Verfahren erworben. Der jüngste Auftrag kommt aus dem chinesischen Tianjin, die dortige Anlage soll im Oktober den Betrieb aufnehmen.
Für die Berliner Wasserbetriebe rechnet sich das Recycling wegen eines Nebeneffekts: Phosphat zerstört langfristig die Wasserleitungen, sie wachsen zu und verstopfen - durchs Ausfiltern sparen die Wasserbetriebe viel Geld. Von ihrem Dünger verkaufen sie bis zu 500 Tonnen im Jahr zu 90 Euro je Tonne.
Ein Preis, der kaum konkurrenzfähig ist. Die Branchengrößen setzen folglich bisher auf konventionellen Abbau. Allerdings investiert etwa ICL seit einigen Jahren in Recyclingmethoden und -produkte. Die Firma hat sich verpflichtet, im niederländischen Werk 15 Prozent des Phosphats aus sekundären Quellen zu beziehen. Bis 2025 will der Konzern in Amsterdam komplett auf Recycling umstellen. Ein ehrgeiziges Ziel. Im Ludwigshafener Werk der Firma soll es ab kommendem Jahr möglich sein, mit recyceltem Phosphat zu arbeiten.
ICL sucht nach Partnern in Industrie und Wissenschaft, um die Weiterverarbeitung von recyceltem Phosphat in höherwertige Produkte zu fördern und zu erforschen. Damit stößt der Konzern ins gleiche Horn wie Wissenschaftler und Branchenverbände: Sie fordern mehr Investitionen in die Forschung, um Recycling großflächiger betreiben zu können. Der IVA verweist zudem darauf, dass die Pflanzenverfügbarkeit des auf recyceltem Phosphat basierenden Düngers verbessert werden müsste.
Was den Preis anschiebt
Die Preise für Phosphat dürften steigen, wenn die Nachfrage zunimmt und die Vorkommen schwinden. Je intensiver der Rohstoff abgebaut wird, desto eher ist auch Uran in seiner Nähe zu finden - das macht die Gewinnung schwieriger und kostspieliger.Auf einen anderen Punkt, der den Phosphatpreis beeinflusst, weist der Bauernverband hin: "Wenn die Getreidepreise steigen, wollen die Landwirte effizienter werden - Bedarf und Verbrauch von Düngemitteln werden wahrscheinlich steigen", sagt Referatsleiterin Katja Börgermann. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sieht ebenfalls eine "enge Korrelation zwischen den weltweiten Nahrungsmittelpreisen und den Preisen für Düngemittel und Rohphosphat".
Dehning von DJE Kapital erkennt einen Preistreiber in Indien. Wenn das Land seinen Markt für phosphathaltigen Dünger vermehrt öffne, wie zu erwarten ist, werde der Bedarf in die Höhe schnellen, sagt er. "Damit steigt das Defizit am Weltmarkt sprunghaft an."
Investor-Info
Mosaic
Profitabler Düngerspezialist
The Mosaic Company aus dem US-Bundesstaat Minnesota ist der größte Hersteller von Phosphat- und Kalidünger in den Vereinigten Staaten. Die Phosphatproduktionskapazitäten des Unternehmens sind sogar größer als die der zwei nächsten Wettbewerber zusammen. Deshalb profitiert der Konzern auch besonders von der wachsenden Nachfrage nach Phosphat. Im zweiten Quartal ist der Gewinn - trotz niedrigerer Düngerpreise - um 57 Prozent auf 390,6 Millionen US-Dollar gstiegen. Der Umsatz von Mosaic kletterte dagegen lediglich leicht von 2,4 Milliarden auf 2,5 Milliarden US-Dollar. Interessante Beimischung fürs Wachstum im Depot.
DJE Agrar & Ernährung
Alles rund um Landwirtschaft
Der Fonds aus dem Haus von Jens Ehrhardt investiert weltweit in Aktien entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Landwirtschaft und Nahrungsmitteln. Auf die Titel von Potash und Mosaic entfallen momentan knapp acht Prozent des Portfolios. Fast die Hälfte des Fondsvermögens steckt aktuell in Nahrungsmittel- und Getränkeunternehmen, wobei viele hierzulande eher unbekannte Unternehmen eine große Rolle spielen, wie beispielsweise der irische Nahrungsergänzungskonzern Glanbia. Größte Position ist der australische Sandelholzproduzent TFS. Der Fonds eignet sich als Basis-Langfristinvestment.Ausgewählte Hebelprodukte auf Glanbia
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