China: Auf was sich Investoren einstellen sollten
Die Wirtschaft im Reich der Mitte erholt sich, die Börsen haussieren. Mittelfristig drohen aber Gefahren.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Das kommende Jahr steht in China im Zeichen der Wasserschlange. Das traditionelle Neujahrsfest, das diesmal am 10. Februar beginnt, löst jedes Jahr die größte Völkerwanderung weltweit aus. Mehrere Hundert Millionen Chinesen, vor allem Wanderarbeiter und Studenten, reisen nach Hause, um Zeit mit ihren Verwandten zu verbringen.
Doch die Traditionen bröckeln. Viele Wanderarbeiter holen inzwischen ihre Angehörigen das ganze Jahr über zu sich in die Städte. Zudem wächst die urbane Mittelschicht. Damit wandelt sich das Reiseverhalten. Mit der Zunahme der Kleinfamilien steht für immer mehr Chinesen beim Neujahrsfest nicht mehr die Großfamilie im Zentrum, sondern das Reisen zu heimischen oder ausländischen Touristenzielen.
Schlangenjahre symbolisieren ohnehin Veränderungen, da Reptilien sich bekanntlich häuten. Tatsächlich stehen in China bald Neuerungen an: Im Frühjahr löst eine neue Führungsriege unter Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang die alte Garde ab. Radikale Reformen sind zwar nicht zu erwarten, da die neue Staatsspitze Rücksicht auf einflussreiche Interessengruppen wie Armee oder staatseigene Firmen nehmen muss. Es ist jedoch unvermeidlich, dass Xi Jinping zumindest kleinere Umgestaltungen anpackt.
Korruptionsbekämpfung hat Priorität
Die kommunistische Partei hat ein Legitimationsproblem. Dafür sorgen das wachsende Wohlstandsgefälle, die extreme Umweltverschmutzung und besonders die ausufernde Korruption. Daher ist für Xi Jinping die Bekämpfung der Bestechung Chefsache. Er ernannte Wang Qishan zum Korruptionsbeauftragten im Politbüro. „Der hat sich einen Ruf als Macher erworben“, sagt Gudrun Wacker, China-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Wang hat das Image, auch schwierige Entscheidungen im Parteiapparat durchzusetzen. Er profilierte sich als Bürgermeister Pekings bei der Bewältigung der SARS-Epidemie und der Vorbereitung der Olympischen Spiele. Trotzdem zweifelt Wacker am Erfolg. „Der Kampf gegen die Korruption ist schon vor Langem zur Priorität erklärt worden. Aber wie kann er erfolgreich sein, solange Institutionen wie etwa freie Medien oder unabhängige Gerichte fehlen?“, fragt sie.
Immerhin versucht die Regierung, die gewaltige soziale Ungleichheit in den Griff zu bekommen. Die Mindestlöhne wurden in den vergangenen Jahren kräftig erhöht. Wanderarbeiter, die bisher als Bürger zweiter Klasse gelten, erhalten zunehmend dieselben Rechte wie die privilegierte städtische Bevölkerung. Bis 2020 soll die Gesundheits- und Altersvorsorge nach Regierungsplänen deutlich ausgebaut werden.
Das ist essenziell. Sparen die Chinesen wegen der sozialen Unsicherheit doch nach wie vor eisern. Darunter leidet der Konsum. Der stagniert seit 2007 bei einem Anteil von 35 Prozent am BIP. Verglichen mit den 67 Prozent der USA ist das wenig. Das Ziel, aus einer investitions- und exportgetriebenen eine konsumorientierte Wirtschaft zu machen, wurde bisher verfehlt.
Kurzfristig sind die Aussichten aber besser. Nachdem 2012 mit 7,7 Prozent das geringste Wachstum seit 2001 erzielt wurde, sprangen die wichtigsten Indikatoren wieder auf Grün. Die Regierung erwartet für 2013 eine BIP-Zunahme von 8,5 Prozent. Der Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie lag Ende Januar den vierten Monat in Folge über 50 Prozent, was auf Expansion hindeutet. Auch Industrieproduktion und Konsum übertrafen die Erwartungen.
Überdies scheint die Abwanderung von Unternehmen von den mit stark steigenden Löhnen ringenden Küstenprovinzen in Billigländer wie Vietnam harmloser zu sein als befürchtet. Viele Firmen ziehen das Hinterland im Westen Chinas vor, wo die Löhne niedrig sind. Die Provinzen Sichuan und Chongqing boomen. Nicht zuletzt, weil die Regierung die Infrastruktur verbessert hat.
Die Börsen reagieren schon. Seit Oktober haussiert der HSCEI-Index, der in Hongkong notierte Festlandaktien umfasst. Seit Dezember ziehen die in Shanghai und Shenzhen notierten Inlandsaktien nach.
Chinesische Aktien versprechen kurzfristig weiteres Aufwärtspotenzial, denn die Wirtschaft zeigt Erholungstendenzen, und die Bewertungen sind günstig. Für 2013 beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des HSCEI-Index 8,8, das Kurs-Buchwert-Verhältnis 1,3. Außerdem ist zu erwarten, dass die neue Führungsriege um Xi Jinping alles tun wird, um zu Beginn ihrer Amtszeit die Wirtschaft in Schwung zu bringen und einen Vertrauensvorschuss zu bekommen. Spekulative Anleger können sich für die kommenden Monate engagieren.
Mittelfristig dürfte Xi Jinping dagegen die Eigenschaften der Wasserschlange brauchen, um sein Land in sichere Gewässer zu führen. Sie gilt in China als klug und kreativ, aber auch als undurchsichtig und listig. Die Voraussetzungen dafür bringt der neue Präsident mit: Er wurde 1953, im letzten Jahr der Wasserschlange, geboren.
Investor-Info
Hang-Seng-China-Ent.-Index
Abgepuffert investieren
Um 30 Prozent hat der Hang-Seng-China-Enterprise-Index (HSCEI) seit September zugelegt. Derzeit korrigiert er. Wer seine Chancen wahren, zugleich aber einen Puffer haben will, der greift zum RBS-Bonuszertifikat auf den HSCEI. Erst wenn das Barometer von derzeit 11.850 Punkten auf die Barriere von 8.500 Zählern fällt, droht Gefahr. Die jährliche Bonusrendite beträgt 6,5 Prozent, die Gewinnobergrenze liegt bei 16.000 Punkten. Der Index enthält die 40 größten in Hongkong gelisteten chinesischen Firmen. Das 2013er-KGV beträgt 8,8.
ISIN: DE000AA5H110
CSI-300-Index
Laxe Transparenzregeln
Die 300 wichtigsten in Shanghai und Shenzhen notierten chinesischen Aktien umfasst der CSI-300-Index. Das Barometer ist deutlich volatiler und risikoreicher als der HSCEI. Zudem sind die Transparenzregeln lascher. Mit dem ETF von Credit Suisse setzen spekulative Anleger auf die Festlandtitel.
ISIN: IE00B5VG7J94