Bullish mit Bedenken
Die zähe Börsenrallye wird skeptisch beäugt, auch von uns. Doch wir sehen vorerst wenig, was gegen eine Verlängerung spräche.
Man würde das Schicksal schon arg herausfordern, wünschte man sich die von vielen erwartete und teils gar ersehnte Marktkorrektur herbei. Nur um wieder mit größerer Überzeugung von Einstiegskursen sprechen zu können, und um überhaupt mal wieder ein neues Thema für den Aktienmarkt zu haben. Zugegeben, wir hatten bereits für den Sommer mit einem Rücksetzer gerechnet. Doch nun hat sich sogar der historisch anfällige September als harmlos erwiesen. Harmlosigkeit nennt man an den Finanzmärkten gern "Schwankungsarmut". Oder "Perioden geringer Volatilität". Diesmal währt diese Periode recht lang. Viele Vermögensklassen verzeichnen Volatilitäts-Minusrekorde. Beim S&P 500 schafften es 2017 trotz Tornados und Trump-Tweets bereits acht von neun Monaten in die Top 20 der Monate mit der geringsten Volatilität seit 1997. Im politisch nicht minder turbulenten Großbritannien hat sich der FTSE 100 dieses Jahr nur in einem Band von rund sechs Prozent bewegt. Ein Novum in seiner bis 1984 zurückgehenden Geschichte.
Anleger eher lustlos als euphorisch
Schwankungsarmut und steigende Börsenkurse sollten die Aktionäre eigentlich euphorisieren. Doch davon ist wenig zu spüren. Das Handelsvolumen etwa zeugt von Lustlosigkeit. Seit Anfang 2002 wurden in keinem Quartal weniger Aktien aus dem MSCI World gehandelt als im dritten Quartal 2017. Und das trotz stark gestiegener Handelsvolumina der High-Frequency-Händler, was langfristig orientierte Investoren noch passiver erscheinen lässt. Dieser mittlerweile bald neun Jahre alten Rallye scheint keiner richtig über den Weg zu trauen. An vielem wird rumgemäkelt, selbst an der erwähnten geringen Volatilität. Hier wähnen einige eine gefährliche Sorglosigkeit der Anleger, während andere dies als Ausdruck des kontinuierlichen Aufschwungs sehen. Die ambivalenten Urteile über die Marktverfassung lassen sich fortführen.
Den einen ist der Aufschwung zu sehr von einigen wenigen Technologiewerten getrieben, die anderen sehen hierin die Berechtigung für das starke Abschneiden der US-Börsen. Die einen bemängeln den zentralbankgetriebenen Gleichlauf aller Risikoanlagen, während andere 2017 als Jahr feiern, in dem sich die Einzeltitelauswahl wieder lohnt. Die einen stört die Abhängigkeit vieler westlicher Aktiengesellschaften von Chinas Wirtschaft, die anderen freuen sich ob der starken Nachfrage der Schwellenländer. Die einen meinen, Aktien seien zu billig, die anderen… Nein, nach Vertretern der These, Aktien seien zu billig, muss man ähnlich lange suchen wie nach konkreten Details in Donald Trumps Entwürfen zur Steuerreform.
Begründete Skepsis?
Was sind die Gründe für die Skepsis vieler Anleger? Es dürfte die Mischung aus negativen Erfahrungen und bisher nicht dagewesenen Rahmenbedingungen sein. Negative Erfahrungen haben die meisten gemacht, die die Marktkorrekturen 2000 und 2008 miterlebt haben. Und es ist ja nicht so, dass sich nicht wieder Parallelen zu den Jahren 1999 und 2007 finden ließen. Womit wir zum zweiten wichtigen Punkt kommen: dem unerforschten Terrain. Über allen Ungewissheiten thronen die aufgeblähten Bilanzen der großen Zentralbanken. Und die Frage, was passiert, wenn der Abbau der Wertpapierpositionen beginnt. Eng damit verknüpft ist die Frage, welche Auswirkungen das Ende des weit verbreiteten Niedrigzinsumfelds haben wird. Etwa auf den stark verschuldeten Unternehmenssektor.
Dazu kommt: Der jetzige Aufschwung trägt ungewöhnliche Züge, wie das geringe Produktivitätswachstum, die anämische Inflation oder seine Länge. In wenigen Monaten wird er zum zweitlängsten in der US-Geschichte 1 . Doch nicht nur die Makro-, auch die Mikrowelt verändert sich. Bereits ein Blick auf die S&P-500-Indexmitglieder, die in den ersten drei Quartalen 2017 am meisten Marktwert hinzugewonnen und verloren haben, spiegelt das wider. Die vier erfolgreichsten Firmen sind allesamt internetzentriert und haben 500 Mrd. Dollar an Marktkapitalisierung zugelegt. Am unteren Ende hingegen haben rund 50 Firmen zusammen genauso viel Marktwert verloren. Unter ihnen Ikonen "klassischer" Industrien, aber auch Telekomfirmen und Computerhersteller. Das unterstreicht die radikale Marktteilung, die auch global erkennbar ist. Die zehn teuersten Firmen 2 kommen überwiegend aus dem Internet- bzw. Softwaresektor. Zwei davon stammen aus China. Obwohl vor gerademal 19 Jahren gegründet, entspricht ihr heutiger Börsenwert von 850 Mrd. Dollar etwa einem Fünftel der Kapitalisierung des gesamten Shanghai A-Share Index.
Unsere Aktienstrategie
Wie spiegeln sich diese Beobachtungen in unserer Aktienstrategie wider? Zum einen denken wir, dass die Niedrig-Volatilitätsphase weiter andauern kann, zumal wir keine unmittelbaren Auslöser für eine nachhaltige Marktkorrektur wahrnehmen können. Wir gehen weiter von steigenden Unternehmensgewinnen aus und erhöhen unsere Kursziele entsprechend. Unter den Unternehmen wird sich die Kluft zwischen Digitalisierungsgewinnern und -verlierern ausweiten. Doch unser Bewertungsgerüst 3 lassen wir nahezu unverändert. Denn wir gehen nicht von einem Verschwinden der Wirtschaftszyklen aus. Und wie resistent das jetzige Wirtschafts- und Finanzsystem gegen den nächsten Abschwung ist, muss sich zeigen.
Technologiewerte im Sonderzyklus
Seit rund einem Jahr ist der globale, von internetzentrierten Firmen dominierte Technologiesektor dem breiten Markt enteilt.
Quelle: Bloomberg Finance L.P.; Stand: 29.09.2017
*Dow Jones Technology Titans 30 Index
**Bloomberg Industries US Food Retailers Competitive Index
***Bloomberg Industries Mid Cap US Retailers Valuation Peers Index
1 Nach der Definition des National Bureau of Economic Research
2
Gemessen am Börsenwert der Mitglieder des S&P Global LargeCap
3
In Form unserer Zielmultiplikatoren für das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Indizes
Zukunftsgerichtete Erklärungen und Prognosen beinhalten wesentliche Elemente subjektiver Beurteilungen und Analysen sowie deren Veränderungen und/oder die Berücksichtigung verschiedener, zusätzlicher Faktoren, die eine materielle Auswirkung auf die genannten Ergebnisse haben und sich als falsch herausstellen könnten. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Deutsche Asset Management Investment GmbH; Stand: 24.10.2017
Mit rund 739 Mrd. Euro verwaltetem Vermögen (Stand 31. März 2016) gehört die Deutsche Asset Management zu der Gruppe der weltweit führenden Vermögensverwalter. Die Deutsche Asset Management bietet Privatanlegern und Institutionen eine breite Palette an traditionellen und alternativen Investmentlösungen über alle Anlageklassen.
Erstklassige Produkte, intelligentere Lösungen
Unser Produkt- und Lösungsangebot eröffnet einen flexiblen Zugang zu einem großen Spektrum an Investmentmöglichkeiten über alle Anlageklassen hinweg – von Fondslösungen bis hin zu maßgeschneiderten Kundenportfolios. Dazu gehören aktiv und passiv gemanagte Investmentfonds, institutionelle Mandate und strukturierte Finanzprodukte, wie zum Beispiel ETFs und Zertifikate. Unsere Berater und Investment-Experten eint der Anspruch, im Anlagemanagement Lösungen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kunden sowie auf seine individuellen Wünsche hinsichtlich Risiko, Ertrag und Liquidität zugeschnitten sind.
Chief Investment Office
Im Chief Investment Office der Deutschen Asset Management werden unsere Prognosen für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte erarbeitet. Unsere breitgefächerte Marktexpertise wird unter der Leitung von CIO Stefan Kreuzkamp zusammengeführt. So setzen wir unsere Investmentexpertise effizient und zum Vorteil der Kunden ein. Die koordinierte Analyse der Entwicklungen in verschiedenen Regionen und Marktsegmenten ermöglicht uns, einen umfassenden und ganzheitlichen Investmentansatz zu entwickeln und alle relevanten Parameter bei unseren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen. Alle Investmentaktivitäten stützen sich auf unser hochklassiges hauseigenes Research, unsere disziplinierten Investmentansätze und unser konsequentes Risikomanagement.
Stand: 20.04.2016
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Bildquellen: CIO View