MDAX auf Schrumpfkur - Vor- oder Nachteil für den Mid-Cap-Index?
Aufgrund des Desasters rund um die Wirecard-Aktie hat die Deutsche Börse einen umfassenden Ausbau des deutschen Leitindex DAX angekündigt. Diese Neuausrichtung hat jedoch auch Folgen für den MDAX.
Werte in diesem Artikel
• DAX wird auf 40 Titel aufgestockt
• MDAX verliert die zehn größten Werte
• Sektor-Zusammensetzung ändert sich dennoch kaum
Da der deutsche Leitindex DAX von Firmen dominiert wird, die teilweise eine über 100-jährige Unternehmensgeschichte haben, wird der Index von einigen Profis und Großinvestoren häufig als "Industriemuseum der deutschen Wirtschaft" verspottet. Dieses verstaubte Image dürfte - nach dem Willen der Deutschen Börse - jedoch bald Geschichte sein.
Deutsche Börse plant umfassende DAX-Reform
Im September 2021 wird der deutsche Leitindex DAX von 30 auf 40 Werte aufgestockt. Die Deutsche Börse möchte mit dieser Neuausrichtung so einen Index schaffen, welcher die deutsche Wirtschaft noch umfassender und besser abbildet. Die Regeländerung basiert in diesem Zusammenhang auf einer Umfrage von über 600 Großinvestoren wie Fondsgesellschaften, die eine derartige Reform für notwendig erachtet haben.
Zudem müssen bereits ab Dezember 2020 alle DAX-Kandidaten vor ihrem Aufstieg in die erste Börsenliga in ihren vergangenen zwei Finanzberichten ein positives EBITDA vorweisen. Für die Aufnahme in den DAX soll darüber hinaus nur noch die Marktkapitalisierung und ein Mindestliquiditätskriterium entscheidend sein. Das Liquiditätskriterium gibt vor, dass der Börsenumsatz pro Jahr mindesten 20 Prozent der gesamtem Marktkapitalisierung des jeweiligen Konzerns erreicht. Zudem müssen die Mitglieder des DAX ab März 2020 nicht mehr zwangsläufig im Prime Standard der Frankfurter Börse gelistet sein.
Die DAX-Reform geht außerdem mit einer strengeren Frist für Jahres- und Quartalsberichte einher. Unternehmen müssen die jeweiligen Berichte zukünftig spätestens 90 Tage nach dem Jahresabschluss und 45 Tage nach dem Quartalsabschluss einreichen. Sollte diese Frist nicht eingehalten werden können, kann die Deutsche Börse zwar weitere 30 Tage gewähren, spätestens nach 32 Tagen kann die jeweilige Aktie jedoch unmittelbar aus dem Index entfernt werden.
Eine weitere Vorschrift der Deutschen Börse sieht vor, dass jede Gesellschaft innerhalb ihres Aufsichtsrats einen unabhängigen Prüfungsausschuss ermächtigen muss. Diese Regelung soll nicht nur für den DAX gelten, sondern für die ganze DAX-Familie.
Verjüngungskur im DAX geht mit Aderlass im MDAX einher
Während der DAX von 30 auf 40 Werte aufgestockt wird, verliert der "kleine Bruder" MDAX insgesamt zehn Unternehmen. Nach der DAX-Reform wird der MDAX also anstatt 60 nur noch 50 Werte beherbergen. Diese vermeintlich kleine Anpassung geht dabei mit schwerwiegenden Folgen für den MDAX einher. Mit diesen Unternehmen verliert der "kleine DAX" nämlich nicht nur irgendwelche Konzerne, sondern natürlich die zehn mit dem höchsten Börsenwert.
Während sich die Marktkapitalisierung des DAX mithilfe dieser zehn ehemaligen MDAX-Titel um knapp zehn Prozent erhöhen dürfte, verliert der MDAX somit schlagartig schätzungsweise rund 30 Prozent seiner Marktkapitalisierung. Der Fokus des Index liegt zukünftig somit wieder stärker auf kleineren und wachstumsstarken Unternehmen.
Mit Hilfe eines sogenannten Back-Tests bzw. Rückvergleichs konnte die Deutsche Börse dennoch zeigen, dass die Performance des MDAX aufgrund der Reform nicht beeinträchtig wird. Das Rechenmodell der Börse ergab sogar einen leicht positiven Effekt für den "kleinen DAX". Die Umstellung von 60 auf 50 Werte soll neben einer leicht höheren Rendite demnach sogar eine niedrigere Volatilität zur Folge haben.
Alter Wein in neuen Schläuchen
"Generell wäre das größere Volumen, die leicht höhere Diversifikation und der steigende Anteil dynamisch wachsender Unternehmen für den DAX positiv und sollte den Leitindex aufwerten", so das Ergebnis einer Studie der DZ-Bank in Bezug auf die DAX Umstellung.
Kritiker bemängeln hingegen, dass die Reformen rund um den DAX zu kurz greifen und keine echte Neuerung mit sich bringen. So kritisiert der DZ Bank-Analyst Michael Bissinger, dass sich die Sektor-Zusammensetzung im DAX nahezu überhaupt nicht ändern dürfte. "Ein höheres Gewicht von beispielsweise Technologieaktien im DAX kann damit aller Voraussicht nach nicht erreicht werden. Der Anteil von Chemie-, Auto- und Industriekonzernen unter den großen deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften ist dafür zu hoch", so die Einschätzung des Analysten.
Welche 10 Unternehmen kommen in den DAX?
Die Ankündigung der Deutschen Börse hinsichtlich der DAX Umstellung hat zu einer wilden Spekulationswelle unter Investoren geführt. Macher Anleger versucht nun schon auf die möglichen Index-Aufsteiger zu setzten, da diese vor der Aufnahme in den DAX im Preis zulegen dürften.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es jedoch schwer abzuschätzen, welche zehn Unternehmen tatsächlich aus dem MDAX in den DAX wandern, da sich die Liste der größten zehn MDAX-Werte bis zur Umstellung noch verändern kann. "Bis Herbst 2021 ist noch viel Zeit. […] Da können sich einige Marktkapitalisierungen im MDAX noch ordentlich drehen", so die Warnung von Marko Behringer, Leiter des Asset Managements der Fürst Fugger Privatbank.
Diese vier Unternehmen haben die besten Chancen
Mit Blick auf den aktuellen Börsenwert können Investoren dennoch davon ausgehen, dass, sofern es in den kommenden Monaten zu keinen größeren Verwerfungen kommt, der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers, der Laborzulieferer Satorius, der Bremssystemspezialist Knorr-Bremse und der Rückversicherungskonzern Hannover Rück bald in den DAX aufgenommen werden könnten.
Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.net
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