Crash voraus?

Top-Ökonom Paul Krugman warnt vor Emerging Markets-Krise

29.05.18 17:33 Uhr

Top-Ökonom Paul Krugman warnt vor Emerging Markets-Krise | finanzen.net

Lange Zeit galten die Schwellenländer als Wachstums-Lokomotiven mit dem Potenzial, investiertes Kapital zu vervielfachen. Doch inzwischen sehen Top-Ökonomen wie Paul Krugman und Mark Mobius dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Droht den Emerging Markets nun der Crash?

Europa geht es gut, den USA geht es besser und bei den Schwellenländern geht es nun rasant aufwärts - so oder so ähnlich war lange Zeit das Credo, dem viele Investoren, unter anderem aufgrund des Urteils namhafter Ökonomen wie Paul Krugman, folgten und Milliarden in die sogenannten Emerging Markets pumpten. Die Gleichung könnte jedoch bald etwas anders aussehen. Denn die Schwellenmärkte schwächeln. Markt-Experten wie Mark Mobius und zuletzt auch Nobelpreisträger Paul Krugman predigen nicht länger ungebremstes Wachstum, sondern klingen vermehrt wie Untergangspropheten. Die ersten Anzeichen einer drohenden Krise: Die Schwierigkeiten in der Türkei und in Argentinien.

Krugman: Es gibt Ähnlichkeiten zur Krise von 1997

Gegenüber "Bloomberg" äußerte Mobius kürzlich, es bestehe für die Emerging Markets eine Gefahr der Ansteckung "durch die sich verschlechternde Situation in der Türkei". Auch Argentinien und Brasilien gehe es nicht gut. Dies sieht auch Nobelpreisträger und Top-Ökonom Paul Krugman so: "Es ist zumindest möglich geworden, dass sich eine klassische sich selbst verstärkende Krise wie die von 1997 bis -98 abzeichnet: Die Währung der Emerging Markets fallen und die Unternehmensschulden explodieren was die Wirtschaft belastet und die Währung weiter fallen lässt", so Krugman in einem Tweet in der vergangenen Woche. Dennoch: Akute Gefahr ist, zumindest für Krugman, nicht zu befürchten. "Sehen wir den Beginn einer weiteren globalen Finanzkrise? Wahrscheinlich nicht. Aber ich habe einmal gesagt, es gäbe keine Anzeichen einer solchen Krise am Horizont und das kann ich nun nicht länger behaupten", fügte der Ökonom hinzu.

Setzen die Türkei und Argentinien eine Abwärtsspirale in Gang?

Auch Krugman beobachtet die Entwicklung in der Türkei und Argentinien mit Argwohn. "In den aufstrebenden Märkten geschieht etwas, das zumindest den Anschein einer althergebrachten Währungs- oder Finanzkrise hat. Die Türkei befindet sich in einem beeindruckenden freien Fall", twitterte Krugman. Auch Argentinien sehe "trotz heftiger Zinserhöhungen nicht allzu gut aus". Zudem habe sich die Verschuldung der Unternehmen in den Schwellenländern in den letzten zehn Jahren stark erhöht, "vor allem in Fremdwährungen, insbesondere in Dollar", so Krugman weiter. Und tatsächlich ist der Schuldenberg, den die Emerging Markets in der Zwischenzeit angehäuft haben, von beachtlicher Größe. Laut Reuters-Informationen belaufen sich die Schulden der Schwellenländer aktuell auf einen Rekordwert von 3,7 Billionen US-Dollar nach Jahren extrem niedriger globaler Zinssätze.

Der immense Schuldenberg der Emerging Markets

Davon entfällt der Löwenanteil von 530 Milliarden Dollar an Schulden auf die chinesischen Unternehmen, schätzt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Auf dem zweiten Platz folgt Mexiko mit 265 Milliarden US-Dollar. Auch die kriselnden Schwellenländer Türkei und Argentinien sitzen auf Schulden: 200 Milliarden Dollar entfallen auf die Türkei, 150 Milliarden US-Dollar schuldet Argentinien zum aktuellen Stand. Angefacht werden die Probleme in den Emerging Markets jedoch auch von den steigenden Treasury-Renditen und dem starken Dollar. Beides wirkt sich auf die Risikobereitschaft der Anleger aus. Immer wieder aufflammende politische Probleme, die unter anderem die Türkische Lira auf ein Rekordtief, aber auch den Peso in Argentinien kräftig nach unten gedrückt haben, tragen nicht zur Entspannung der Lage bei. Der MSCI Emerging Markets Index fiel bereits im Januar dieses Jahres um fast 11 Prozent von seinem 10-Jahreshoch.

Vereinzelt gibt es noch Chancen für Anleger

Ganz schwarz malt die Zukunft für die Schwellenländer zumindest Mark Mobius nicht. Es sei ein "Stock-Picker-Markt", sagte Mobius gegenüber "Bloomberg". Selektiv gebe es in den Emerging Markets weiterhin gute Chancen, da die "Untergangsstimmung" auch als Kaufgelegenheit gesehen werden könne. Möglich also, dass die düstere Stimmung, die sich für die Emerging Markets andeutet, nur vorübergehend ist. Eindeutigere Chancen macht Mobius hingegen in Indien aus. Besonders in den dortigen Finanzwerten sehe Mobius Chancen, dass "die Regierung die Banken aus der Patsche holt". Zudem habe Indien "hervorragende Arbeit für das Outsourcing geleistet".

Wie wahrscheinlich ist die Emerging-Markets-Krise?

Eine wichtige Rolle für die weitere Entwicklung der Emerging Markets wird mit großer Sicherheit auch die Entwicklung des US-Dollars spielen. So stellte auch Chris Wood, CLSA-Aktienstratege, kürzlich fest: "Klar ist, dass eine weitere kräftige Rally des Dollars von hier aus für risikoreiche Anlagen überall negativ sein wird und nicht nur für Emerging Markets". Schwellenländer würde die Belastung jedoch wahrscheinlich in erster Linie treffen, zumal viele Währungen in den Emerging Markets zurzeit stark abwerten. Aus einem Bloomberg-Bericht geht zudem hervor, dass ein Dutzend Schwellenländerwährungen seit Februar stärker gefallen sind, als während dem sogenannten Taper Tantrum im Jahr 2013, als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke die Anleihenkäufe reduzierte, woraufhin die Anleihenkurse schlagartig einbrachen und die -renditen in die Höhe schossen. Damals setzte dies eine reine Schockwelle an den Finanzmärkten in Gang, die besonders die Schwellenländer zu spüren bekamen. Und auch aktuell tendieren auch die Anleiherenditen wieder in Rekordhöhen. Ob jedoch tatsächlich eine handfeste Schwellenländerkrise droht und wenn ja, wie lang diese andauert, muss zum aktuellen Zeitpunkt wohl Gegenstand von Spekulationen bleiben. Mit einem gewissen Augenmaß und der notwendigen Vorsicht können Emerging-Markets-Anleger jedoch auch weiterhin auf Gewinne in den Schwellenländern hoffen. Davon ist offenbar zumindest Mark Mobius überzeugt.

Redaktion finanzen.net

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