Compass-Studie

Bayer-Aktie unbeeindruckt: Bayer will mit Xarelto neuen Milliardenmarkt erschließen

28.08.17 17:55 Uhr

Bayer-Aktie unbeeindruckt: Bayer will mit Xarelto neuen Milliardenmarkt erschließen | finanzen.net

Bayer könnte mit seinem Pharma-Blockbuster Xarelto einen neuen medizinischen Standard zur Behandlung der Zivilisationskrankheit Atherosklerose setzen und sich damit einen zusätzlichen Milliardenmarkt für sein umsatzstärkstes Medikament erschließen.

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Das zeigt eine im Februar beendete Großstudie, deren detaillierte Ergebnisse am Sonntag auf dem diesjährigen Kongress der European Society of Cardiology in Barcelona vorgestellt werden.

   Laut der Compass-Studie senkt der Blutverdünner Xarelto in Kombination mit dem Standardmedikament Aspirin das Risiko von Schlaganfällen, Herz-Kreislauf-bedingten Todesfällen und Herzinfarkten bei Hochrisikopatienten um 24 Prozent verglichen mit der herkömmlichen Aspirin-Therapie. Rechnet man das Risiko schwerwiegender Blutungen dagegen, die in der Medikamentenkombination auf niedrigem Niveau deutlich zunehmen, ergibt sich laut Studie immer noch eine Nettoverbesserung um 20 Prozent.

   "Die Studie zeigte einen deutlich positiveres Ergebnis als wir erwartet hatten", sagte Frank Misselwitz, der bei Bayer die klinische Entwicklung Herz-Kreislauf leitet.

   Bayer will auf Basis der Studienergebnisse noch in diesem Jahr eine Zulassung in dieser Indikation für Patienten beantragen, die unter einer chronischen Erkrankung der Herzkranzgefäße oder einer gestörten arteriellen Durchblutung der Beine leiden. Zunächst sei dies für die USA und Europa geplant, sagte Misselwitz, später nach und nach für alle Länder. Angesichts der robusten Studienergebnisse spricht aus Sicht des Wissenschaftlers nichts dagegen, das etwa zwölf Monate später die erweiterte Zulassung vorliegt.

   Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache weltweit. 2015 starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 17,7 Millionen Menschen daran. Betroffen von den Erkrankungen sind weltweit geschätzt 200 Millionen Menschen. Die Hochrisikopatienten unter ihnen - etwa 30 Millionen Menschen - sieht Bayer nach den Studienergebnissen als potenziell neu erreichbare Zielgruppe für Xarelto. Möglicherweise werden es noch mehr, denn bislang konnte Bayer die Datenbasis noch nicht im Hinblick auf andere Patientengruppen analysieren, wie Misselwitz sagte.

   Zum erwartbaren wirtschaftlichen Zusatznutzen nach einer neuen Xarelto-Indikation will sich Bayer derzeit nicht äußern. Es gelte weiter die Prognose eines Peak-Umsatzes von mehr als 5 Milliarden Euro. Knapp 3 Milliarden Euro an Einnahmen verzeichnete der Leverkusener Konzern mit Xarelto im vergangenen Jahr. Es ist damit das mit Abstand umsatzstärkste Medikament von Bayer.

   Völlig überraschend kommt das Ergebnis der Großstudie übrigens nicht. Anfang Februar hatten Bayer und sein US-Partner Janssen, deren Mutterkonzern Johnson & Johnson den Blutgerinner ebenfalls vertreibt, die ursprünglich auf fünf Jahre angelegte Compass-Studie ein Jahr vorfristig beendet. Grund war eine Empfehlung der begleitenden unabhängigen Experten des Data Monitoring Committees wegen erwiesener Überlegenheit.

   Bislang war allerdings unklar für welchen Arm der Studie diese Überlegenheit galt. Ein Drittel der etwa 27.400 teilnehmenden Probanden weltweit hatten die Standardtherapie von einmal täglich 100 Milligramm Aspirin erhalten, ein weiteres Drittel jeweils zweimal täglich 5 Milligramm vom Xarelto-Wirkstoff Rivaroxaban und ein Drittel eine Kombination aus täglich 100 Milligramm Aspirin und je zwei Mal 2,5 Milligramm Rivaroxaban.

   Letztere Kombination erwies sich Aspirin gegenüber als deutlich überlegen. Das Schlaganfallrisiko allein sank um 42 Prozent, das Risiko der Herz-Kreislauf-bedingten Todesfälle um 22 Prozent. Grund dafür ist das das Zusammenwirken auf Blutplättchen und Blutgerinnung.

   Die Kombination beider Medikamente könnte die nötige Überzeugungsarbeit bei der Ärzteschaft erleichtern, ihre Standardtherapie künftig zu verändern. Vom US-Anlegermagazin Barron's befragte Experten sagten kürzlich, es werde womöglich schwieriger sein, die behandelnden Ärzte zu einem kompletten Wechsel der Monotherapie von Aspirin zu Xarelto zu bewegen, anstatt sie von der zusätzlichen Gabe des Medikaments zu überzeugen.

   Xarelto ist seit 2008 auf dem Markt, mittlerweile für sieben Indikationen. Die Wichtigste dabei ist die Vorbeugung gegenüber Schlaganfällen und Embolien bei Patienten mit Vorhofflimmern. Hier wird weltweit ein Patientenkreis von 20 bis 25 Millionen Menschen erreicht, sagt Misselwitz.

   Wesentliches Risiko bei Xarelto sind wie bei allen Gerinnungshemmern schwere Blutungen, die mitunter auch tödlich enden. In den USA sind Bayer und sein US-Vertriebspartner deswegen mit einer Prozesswelle konfrontiert. Die Kläger machen Xarelto für Gesundheitsschäden und in einigen Fällen für den Tod von Angehörigen verantwortlich. Ein Grund für die hohe Zahl von 18.600 Fällen ist, dass Anwaltskanzleien in den USA Xarelto-Geschädigte und ihre Angehörigen aggressiv im Fernsehen umwerben.

   Bei den anhängigen Verfahren geht es vorrangig um die Frage, ob Bayer und Johnson & Johnson die mit Xarelto verbundenen Risiken ausreichend klar beschrieben haben. In drei von vier Musterprozessen ist diese Frage bisher zugunsten der Pharma-Konzerne beantwortet worden.

   In der Compass-Studie zeigte sich übrigens ein um 70 Prozent höheres Risiko von schweren Blutungen beim Kombieinsatz von Xarelto und Aspirin gegenüber dem Einsatz von Aspirin allein. Überwiegend betraf dies den Magen-Darm-Trakt. "Keine Erhöhung", sagt Misselwitz, "gab es bei tödlichen Blutungen und bei Blutungen in lebenswichtigen Organen."

   Ein Gegenmittel gegen die blutverdünnende Wirkung des Faktor-Xa-Inhibitors von Xarelto ist mit Andexanet Alfa zwar gefunden, aber noch nicht für den Markt zugelassen. Bayer beteiligt sich an dem laufenden Verfahren.

   Die Details der Compass-Studie werden auf zwei Präsentationen auf dem ESC-Kongress vorgestellt und überdies im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Zur Schlussglocke standen die Papiere des Leverkusener Pharmakonzerns dennoch 0,05 Prozent im Minus bei 108,95 Euro, womit sie sich zwar besser als der DAX schlugen. Im vorbörslichen Handel waren sie aber noch fast 2,5 Prozent höher gegangen.

   Von Olaf Ridder

   FRANKFURT (Dow Jones)

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