Entspannt in den Urlaub - auch der Performance zuliebe
Zwar wird der Mai im Hinblick auf saisonale Effekte an den Börsen am häufigsten zitiert, auf die Jahresperformance haben andere Monate statistisch betrachtet aber deutlich größeren Einfluss.
Noch wichtiger für die Wahl der Anlagestrategie sind aber in jedem Fall die persönlichen Umstände des Investors.
"Sell in May and go away." Kaum eine Börsenweisheit, die in den Medien stärker diskutiert wird als diese. Gemeint ist damit, dass sich Anleger spätestens jetzt aus dem Aktienmarkt zurückziehen sollten, um die angeblich so schwachen Sommermonate unbeschadet zu überstehen. Die Rückkehr soll dann im September erfolgen ("… but remember to come back in September"). Richtet man sich strikt nach den statistischen Daten ergibt diese "Regel" allerdings nur wenig Sinn, wobei es natürlich stark auf die Wahl des Betrachtungszeitraums ankommt. In den vergangenen 50 Jahren lag die monatliche Durchschnittsperformance beim S&P 500 im Juni jedenfalls gerade einmal mit 0,01% im Minus, während es der Juli auf einen durchschnittlichen Anstieg von +0,25% gebracht hat. Erst im August und September ging es dann mit -0,23% bzw. -0,69% marginal stärker nach unten.
Bezogen auf deutsche Blue Chips erscheint die besagte Handlungsanweisung noch weniger valide. Seit Normierung des DAX auf 1.000 Punkte Ende 1987 hat das wichtigste deutsche Aktienmarktbarometer im Schnitt eine Juni-Performance von +0,23% erzielt. Im Juli waren es sogar 1,49%. So gesehen müsste es eigentlich heißen "Sell in July, …", um auf diese Weise dem August mit historisch betrachtet durchschnittlich -2,45% und dem September mit sogar -2,63% aus dem Weg zu gehen.
Dennoch gibt es, losgelöst von Börsenweisheiten und auch von ganz konkreten Ereignissen, wie in diesem Jahr etwa die Abstimmung der Briten über einen möglichen Brexit (23. Juni), gute Gründe, im Sommer an den Aktienmärkten etwas kürzer zu treten. Diese liegen allerdings weniger in der Statistik, als vielmehr im persönlichen Bereich. So beginnt in einigen Bundesländern bereits in der zweiten Juni-Hälfte die Ferienzeit. Der Blick auf die Aktienmärkte spielt - und das ist unter Erholungsaspekten auch gut so - in diesen Wochen eine eher untergeordnete Rolle.
Um nach der Rückkehr aus dem Urlaub keine böse Überraschung zu erleben, sollten zumindest kurz- und mittelfristig orientierte Anleger vor der Abreise jedoch gewisse Vorkehrungen treffen und sich gegen größere Kursverluste absichern. Besonders gut geeignet sind hierfür Put-Optionsscheine, die etwas weiter aus dem Geld liegen ("out of the money"). Sie haben den Charakter einer "Versicherungspolice mit Selbstbeteiligung". Leichte Rücksetzer im Schein und natürlich die Optionsprämie trägt der Anleger. Geht es aber stärker nach unten, gewinnen die Verkaufsoptionsscheine entsprechend an Wert und gleichen damit - je nach Umfang der Absicherung - zumindest einen großen Teil der Aktienverluste aus. Dabei bleiben - und hierin liegt ein großer Vorteil von Optionsscheinen - die vollen Kurschancen des Depots selbst erhalten.
Für Anleger, die hauptsächlich in deutschen Standardwerten investiert sind, bieten sich zur Absicherung insbesondere Puts auf den DAX an. Bei einem Indexstand von rund 10.000 Punkten könnte der Basispreis beispielsweise bei 9.800 Zählern liegen. Um die zur Vollabsicherung unterhalb von 9.800 Punkten benötigte Stückzahl zu ermitteln, muss der Depotwert einfach durch den aktuellen Indexstand geteilt und anschließend mit der zur Absicherung "eines DAX" benötigten Anzahl an Scheinen (Bezugsverhältnis) multipliziert werden (z.B. 100.000 Euro / 10.000 Punkte x 100 = 1.000 Puts).
Da Optionsscheine, die nicht weit im Geld liegen, am Ende der Laufzeit bei ansonsten unveränderten Bedingungen relativ stark an Wert verlieren (Zeitwertverlust), sollte die Fälligkeit der Papiere keineswegs auf das Urlaubsende oder nur wenige Tage später fallen. Sinnvoll ist es vielmehr eine Laufzeit zu wählen, die frühestens ein bis zwei Monate nach der Rückkehr ins "normale Leben" endet.
Dann bleibt auch noch etwas Zeit, sich wieder zu orientieren und gut erholt die weitere Aktienanlagestrategie zu überdenken. Anregungen hierfür gibt es unter anderem auf blog.citifirst.com, wo stets aktuelle Expertenkommentare und exklusive Videos von Börsenprofi Markus Koch von der Wallstreet zu finden sind.
Dirk Heß, Finanzexperte der Citigroup, schreibt zu aktuellen Markt- und Derivate-Themen. Als Co-Head EMEA Warrant Sales & Distribution bei der Citi besitzt er langjährige Expertise in allen Fragen rund um Börse und Investments. In seinem regelmäßigen Kommentar gibt Dirk Heß fundiertes Fachwissen weiter. Die Citigroup ist seit dem Jahr 1989 als Emittent von strukturierten Produkten permanent am deutschen Markt vertreten und feierte 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum.
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