Brexit-Chaos

May will am Freitag drittes Mal über Brexit-Abkommen abstimmen lassen

28.03.19 17:46 Uhr

May will am Freitag drittes Mal über Brexit-Abkommen abstimmen lassen | finanzen.net

Die britische Premierministerin Theresa May will am Freitag nochmals über ihren bereits zwei Mal im Parlament abgeschmetterten Deal zum EU-Austritt abstimmen lassen.

Das teilte die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Andrea Leadsom am Donnerstag im Unterhaus mit. Fraglich ist jedoch, ob Parlamentspräsident John Bercow mitspielt.

Bercow hatte am Mittwoch erneut gedroht, die Abstimmung nicht zuzulassen. Grund ist eine 415 Jahre alte Regel, wonach ein und dieselbe Vorlage nicht beliebig oft zur Abstimmung gestellt werden kann. May ist bereits zwei Mal mit ihrem Abkommen im Parlament gescheitert. Bercow machte deutlich, dass sich der Vorschlag daher "substanziell" von den beiden vorherigen Versuchen unterscheiden muss. Leadsom sagte, die Vorlage der Regierung werde Bercows Anforderung erfüllen. Details nannte sie zunächst nicht.

Die Regierung erwägt Berichten zufolge, das Vertragspaket zum EU-Austritt in zwei Teile zu zerlegen. Demnach könnte am Freitag nur der Vertrag über den Austritt, nicht aber die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen zur Abstimmung stehen. Die Regierung könnte damit gleichzeitig die Anforderungen von Parlamentspräsident Bercow erfüllen und ihre Chancen auf einen Erfolg erhöhen. Nachteil wäre aber, dass auch bei einer Zustimmung des Parlaments eben noch nicht das gesamte Vertragspaket unter Dach und Fach wäre.

May zog alle Register, um ausreichend Unterstützung zu bekommen. Die Premierministerin hat ihren baldigen Rücktritt angeboten, sollte das Abkommen im Unterhaus doch noch angenommen werden. Etliche Widersacher in ihrer Konservativen Partei gaben ihren Widerstand daraufhin auf. Doch die nordirische Protestantenpartei DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, sperrt sich weiter. May muss daher auf Unterstützung aus der Opposition hoffen.

Die Zeit drängt: Ende der Woche läuft eine von der EU gesetzte Frist ab, bis zu der das Brexit-Abkommen in London gebilligt sein muss. Fehlt die Zustimmung zum Deal, soll London vor dem 12. April eine Alternative vorlegen. Darüber würde wohl ein EU-Sondergipfel kurz vorher beraten, vermutlich am 10. April.

Welche Linie die Staats- und Regierungschefs dann abstecken, ist offen, wie ein hoher EU-Beamter nach dem Gipfel vor einer Woche sagte. Denkbar wäre ein langer Aufschub um Monate oder Jahre, aber nur, wenn die Briten an der Europawahl vom 23. bis 26 Mai teilnehmen. Will London das nicht, könnte die Frist bis zum 22. Mai verzögert werden, dem Tag vor der Wahl. Die Frage wäre aber, wozu dies dienen soll.

Die 27 bleibenden Länder blicken pessimistisch auf die Lage, wie nach einer Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel deutlich wurde. "Die meisten Mitgliedstaaten glauben, dass ein Austritt ohne Vertrag das wahrscheinlichste Szenario ist", sagte ein EU-Diplomat. "Nur Großbritannien kann einen "No Deal" jetzt noch stoppen." Ein anderer Diplomat bestätigte, die Runde habe sich hauptsächlich mit der Vorbereitung auf einen ungeregelten Bruch beschäftigt. Die innenpolitische Situation in London sei einfach zu unübersichtlich.

Die EU-Kommission forderte Großbritannien nochmals auf, eine klare Linie beim Brexit zu finden. Mit Blick auf die Voten des britischen Parlaments über das mögliche Vorgehen beim EU-Austritt sagte ein Kommissionssprecher: "Wir haben gestern Abend acht Neins gezählt. Wir brauchen jetzt ein Ja zum Weg nach vorn."

Die britischen Abgeordneten hatten über acht Alternativen zum Brexit-Kurs der britischen Premierministerin abgestimmt - doch hatte kein Vorschlag eine Mehrheit bekommen. Sehr klar war aber die Ablehnung der Variante, zum neuen Brexit-Termin 12. April ohne Vertrag aus der Europäischen Union auszuscheiden. Am Montag sind im Unterhaus weitere Abstimmungen geplant.

Die britische Wirtschaft zeigt sich zunehmend entnervt von der Blockade im Parlament in London. Der Vorsitzende des britischen Handelskammerverbands BCC, Adam Marshall, machte am Donnerstag seinem Ärger Luft. "Wir sind frustriert. Wir sind verärgert", sagte Marshall. Die Politik habe die Wirtschaft im Stich gelassen und jage Chimären hinterher. "Drei Jahre sich im Kreise drehen. Drei Jahre sind genug" sagte Marshall. "Unternehmen sind kein bisschen schlauer, wie ein chaotischer Austritt am 12. April vermieden werden kann."

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LONDON (dpa-AFX)

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