Wirecard-Aktie schließt unter 100 Euro: KPMG-Bericht kann Zweifel unter Anlegern nicht ausräumen
Auch nach Vorlage des mit Spannung erwarteten Berichts zur Sonderprüfung der Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard bleiben einige Fragen unbeantwortet.
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Die mit Spannung erwartete Sonderprüfung der Wirecard-Bücher hat nicht alle Zweifel an den Geschäftspraktiken des Zahlungsdienstleisters ausräumen können. Auch wenn die eigens beauftragten Wirtschaftsprüfer von KMPG bisher keinen sprichwörtlichen "rauchenden Colt" bei den Aschheimern finden konnten - Bedenken bleiben. So konnte KPMG einige wichtige Daten nicht einsehen, in einem wichtigen Teilaspekt der Prüfung konnten sich die Prüfer gar nicht zu einem Urteil durchringen. Wirecard-Chef Markus Braun blieb am Dienstag in einer Telefonkonferenz jedoch beharrlich: KPMG habe "ganz klar keinen Beleg" für aufgebrachte Vorwürfe gefunden.
Mehrfach war der Bericht bereits verschoben worden. Schon früh hatte sich Wirecard aber festgelegt, dass es keine substanziellen Feststellungen gegeben habe, die Korrekturen an den Bilanzen von 2016 bis 2018 nötig gemacht hätten.
In einem wesentlichen von der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" kritisierten Feld blieben die Ergebnisse nämlich unbefriedigend. So kann die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zur Höhe und zur Existenz der Umsätze aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft in den untersuchten Jahren 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass diese existieren und korrekt sind, noch, dass sie nicht existieren und nicht korrekt sind. "Insofern liegt ein Untersuchungshemmnis vor", erklärte KPMG in dem von Wirecard veröffentlichten Bericht.
"Ursächlich sind neben den Mängeln in der internen Organisation insbesondere die fehlende Bereitschaft der Third Party Acquirer, umfassend und transparent an dieser Sonderuntersuchung mitzuwirken", hieß es in dem Bericht von den Prüfern. So hätten unter anderem Transaktionsdaten und Nachweise sowie Verträge zwischen den Drittpartnern und Händlern bislang nicht zur Verfügung gestanden. Braun erklärte das auch damit, dass Drittfirmen nicht dazu neigten, unverschlüsselte Daten auf einfache Anfrage an Fremde herauszugeben. Auch Wirecard mache das schließlich nicht.
Im Drittpartnergeschäft sei eine forensische Prüfung vorgenommen worden, die weit tiefer gehe als normale Buchprüfungen, verteidigte Braun das Fehlen der Ergebnisse. Die vorliegenden Nachweise über die Geschäfte erfüllten die Anforderungen dieser forensischen Prüfung nicht, hieß von KPMG. "Insoweit war es KPMG nicht hinreichend möglich die Existenz der Transaktionsvolumina im Untersuchungszeitraum 2016 bis 2018 forensisch nachzuvollziehen."
Der Dax-Konzern wickelt in Ländern, in denen das Unternehmen keine eigenen Lizenzen dafür besitzt, Transaktionen über Drittpartner ab. An der Transparenz rund um diese Erlöse hatte es in einer Artikelserie der "FT" harsche Kritik gegeben.
Braun verwies darauf, dass nun nach der Umstellung auf eine neuere Datenplattform eigene Daten aus dem Jahr 2019 vorliegen, die derzeit noch analysiert werden. Dabei handelt es sich um über 200 Millionen Datensätze allein aus dem Dezember 2019. Laut Braun sollen die Ergebnisse dazu "in wenigen Wochen" vorliegen - und seinen Worten zufolge sollen sie auch Rückschlüsse auf die Zeit vor 2019 zulassen. KPMG verneinte das jedoch explizit.
Wirecard sieht sich durch den KPMG-Bericht hinsichtlich der Vorwürfe rund um mutmaßliche Bilanzfälschungen dennoch bestätigt und entlastet. In den vier Prüfbereichen des Berichts hätten sich für die Jahre 2016 bis 2018 nach wie vor keine substanziellen Feststellungen ergeben, die Korrekturen erforderlich gemacht hätten.
Experten wie Daniel Saurenz von Feingold Research monierten allerdings, dass wesentliche Fragen offen blieben. Der Bericht klinge "wie ein Freispruch aus Mangel an Beweisen".
Wirecard hatte in einer Pflichtmitteilung am Morgen vor Veröffentlichung des Berichts mitgeteilt, KPMG habe Dokumentations- und Organisationsschwächen im Untersuchungszeitraum festgestellt. Diese seien vom Konzern bereits selbst identifiziert worden. Den Schwächen werde durch den Aufbau einer Compliance-Abteilung begegnet, dies werde durch externe Berater unterstützt. Das hatte Wirecard bereits vergangenes Jahr in Gang gesetzt, nachdem es bei einer Tochter in Singapur zu Buchhaltungsfehlern gekommen war, die auch zuvor durch die "FT" öffentlich gemacht wurden.
KPMG monierte auch die "verzögerte Lieferung von Unterlagen" durch Wirecard selbst. So seien angeforderte Dokumente teilweise nicht oder erst mehrere Monate nach der Anforderung geliefert worden. Einzelne vereinbarte Interviewtermine mit wesentlichen Wirecard-internen Ansprechpartnern seien mehrfach verschoben worden. Über die erheblichen Verzögerungen habe KPMG auch den Aufsichtsrat in einem Schreiben informiert. "Bei den KPMG vorgelegten Dokumenten handelte es sich nahezu ausschließlich um elektronische Kopien, deren Authentizität nicht überprüft werden konnte", hieß es zudem weiter.
In anderen Bereichen, wie dem untersuchten Geschäft in Singapur, einem Zukauf in Indien und dem Geschäft mit Händlervorfinanzierungen, sah sich Wirecard ebenfalls entlastet. Gleichwohl konnte KPMG auch in diesen Feldern bestimmte Vorwürfe nicht komplett aus der Welt schaffen - aber auch nicht belegen. Teils waren die Probleme wie in Singapur auch schon bekannt. Anhaltspunkte für sogenanntes "Roundtripping", also systematisch aufgeblähte Umsätze, hätten sich aber nicht ergeben.
Wirecards Bilanzpressekonferenz und auch der noch fällige Jahresabschluss wurden nun erneut verschoben. Das habe vorwiegend mit der Corona-Krise zu tun, sagte Braun. EY als regulärer Buchprüfer habe dem Unternehmen mitgeteilt, dass durch den KPMG-Bericht selbst keine Abschlussprobleme für 2019 entstünden.
Nach einer ersten Verschiebung sollte eigentlich diesen Donnerstag (30. April) der Geschäftsbericht zu 2019 vorgestellt werden. Nun soll laut Braun "in wenigen Wochen" mit EY geklärt werden, wann der Jahresabschluss vorgelegt werden könne. Am 12. Mai will Wirecard Zahlen für das erste Quartal vorlegen.
Wirecard-Aktien rutschen nach KPMG-Bericht - Zweifel nicht ausgeräumt
Der erhoffte Befreiungsschlag durch die Sonderprüfung der Bilanz von Wirecard ist am Dienstag ausgeblieben. Es sei sowohl für Optimisten als auch die Skeptiker etwas dabei gewesen, erklärten Börsianer. Entsprechend turbulent ging es für die Aktie des Zahlungsabwicklers zu: Einem leichten vorbörslichen Anstieg auf 135,52 Euro folgte im frühen XETRA-Geschäft der jähe Absturz um bis zu 22,5 Prozent auf 102,50 Euro. Via XETRA fiel die Wirecard-Aktie schlussendlich um 26,12 Prozent auf 97,60 Euro.
"Wirecard legt die Ergebnisse seiner Sonderprüfung vor und lässt erneut Fragen offen", erklärte Marktbeobachter Daniel Saurenz von Feingold Research. "Der Bericht klingt nicht wie ein Freispruch, sondern wie ein Freispruch aus Mangel an Beweisen."
Auch Analyst Sandeep Deshpande von der Investmentbank JPMorgan befürchtete in einer ersten Reaktion, dass der Bericht die Zweifler nicht zufrieden stellen wird. Er verwies darauf, dass KPMG bemängelt, dass nicht alle angeforderten Daten beschafft werden konnten, und zudem der wirtschaftlich Berechtigte von Zahlungen im Zusammenhang mit einer Übernahme in Indien nicht endgültig verifiziert werden konnte.
Knut Woller, Experte bei der Baader Bank, hält die von KPMG geäußerte Kritik aber im Vergleich zu den vorher im Raum stehenden Vorwürfen für vernachlässigbar.
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