Volkswagen-Aktie im Fokus: Blick nach vorne - Elektrooffensive muss sitzen
Volkswagen ist wegen der Corona-Pandemie mittlerweile nur noch der europaweit größte Autokonzern - Erzrivale Toyota kam bei den Stückzahlen nämlich besser durch das Corona-Jahr als die Wolfsburger.
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Aber das muss nicht viel heißen, stand VW doch am Ende des Jahres nach ersten Eckdaten trotzdem erstaunlich gut im Saft - zumindest beim operativen Gewinn. Bei den Details bleibt aber einiges offen, vor allem wie Vorstandschef Herbert Diess das nun begonnene Jahr einschätzt. Wie es beim Konzern rund um die an diesem Freitag zu erwartenden detaillierteren Zahlen aussieht, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.
DAS IST LOS IN WOLFSBURG:
Auch abseits des Tagesgeschäfts war in Wolfsburg im vergangenen Jahr gewohnt viel los: Diess krempelte bei den Konzerntöchtern weite Teile des Managements nach seinen Vorstellungen um und will den Umbau hin zum Elektro- und Technologiekonzern mit seinen Gefolgsleuten damit forcieren. Das ging nicht ohne Reibereien ab, letztlich konnte Diess aber viele seiner Wünsche durchsetzen. Gerade jetzt, wo der Markt für Elektroautos in Europa deutlich wächst und US-Elektropionier Tesla vor den Toren von Berlin seine Gigafactory baut, entscheidet sich für den Manager der weitere Weg: Kann VW wie angepeilt Weltmarktführer bei Elektroautos werden?
Vergangenes Jahr startete das wichtige Massenmodell ID.3 in der Golf-Klasse, kürzlich kam der Kompakt-SUV ID.4 hinzu - und VW hat weitere Modelle bei der Hausmarke und bei den Töchtern in den Startlöchern. Mit dem ID.3 sprang der Konzern nach eigenen Angaben in vielen Märkten Europas direkt an die Spitze der rein batteriegetriebenen Modelle und lieferte 2020 rund 56 500 Stück aus.
Den Tesla Model 3 mit fast 87 000 Stück und den Renault-Kleinwagen Zoe konnte der ID.3 damit laut Daten des Auto-Analysten Matthias Schmidt noch nicht knacken - aber das VW-Modell kam auch erst im September auf den Markt. Vom Audi E-tron verkaufte der Konzern 2020 zusätzlich 47 300 Stück. Damit war die VW-Gruppe im Jahr 2020 in Westeuropa laut Schmidt insgesamt klarer Marktführer vor Renault-Nissan-Mitsubishi und auch vor Tesla bei rein elektrischen Antrieben.
Das zweite Halbjahr 2020 war im Tagesgeschäft auch in der Gesamtsicht weitaus erfreulicher als das erste und zweite Quartal, auch wenn nach fast ausgeglichenen Verkaufszahlen im dritten Quartal im Schlussjahresviertel wieder ein Dämpfer erfolgte. Die Pandemie ist mit den aktuellen Lockdowns in vielen Ländern für den Autobauer noch lange nicht ausgestanden. Doch VW ließ schon durchblicken, dass das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen bei rund 10 Milliarden Euro (VJ: 19,3) gelegen haben dürfte - soviel hatte dann doch kaum einer auf dem Zettel.
Aktuell drückt mit dem Chipmangel aber neben den Lockdowns auch eine der vielen Folgelasten der Covid-Ausbreitung auf die Laune der Manager. Weil Chiphersteller beim Einbruch der Automärkte umdisponierten und auch Rohmaterialien knapp geworden sind, kommen die Elektronikkonzerne derzeit nicht mit der Lieferung von Halbleitern hinterher. Nahezu alle Autobauer haben für das erste Quartal zumindest teilweise Produktionsprobleme angekündigt. Umso spannender wird, wie der Konzern die Lage in diesem Jahr einschätzt, was Auslieferungen, Umsatz und operative Rendite angeht.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Trotz der Unwägbarkeiten rund um die Versorgung mit Chips rechnet JPMorgan-Analyst Jose Asumendi mit einem starken Jahr 2021 für die Firma. George Galliers von Goldman Sachs geht jedoch davon aus, dass VW einen vorsichtigen Ton rund um den Ausblick anschlägt - eben wegen Beschränkungen in der Krise und wegen der Flaute bei Chips. Für ihn dürfte VW einen Anstieg der Auslieferungen und ein Umsatzwachstum zwischen 10 und 15 Prozent in Aussicht stellen, bei einer operativen Marge von 5,5 bis 6,5 Prozent. Er persönlich traut den Wolfsburgern aber zu, dass sie 6 bis 7 Prozent Marge schaffen können. Erst für 2022 steht in der VW-Planung von Noch-Finanzchef Frank Witter schließlich wieder eine Marge von 6 bis 7 Prozent.
UBS-Analyst Patrick Hummel verwies nach einer Investorenveranstaltung mit Diess und Witter im Januar auf ein starkes Abschneiden im vierten Quartal dank guter Preis- und Mixentwicklung. Soll heißen: VW verkaufte anteilsmäßig mehr teurere und neuere Modelle, was die Marge und das Ergebnis stützt. Schon seit längerem setzt VW auf größere SUVs, zudem liefern auch neue Modelle wie der Golf 8 in dieser Kategorie Schub.
Zuletzt rückte bei den Finanzexperten auch die Gerüchteküche rund um einen möglichen Börsengang der Edeltochter Porsche wieder in den Blickpunkt. Das "Manager-Magazin" hatte berichtet, dass VW wieder stärker über einen solchen Schritt nachsinnt - um den eigenen Börsenwert zu heben und mitunter Geld für andere Zwecke wie die Elektrooffensive zu beschaffen. Das könnte andeuten, dass strukturelle Änderungen am VW-Gebilde nun tatsächlich auf dem Weg seien - oder immerhin wahrscheinlicher würden, schrieb Stifel-Europe-Analyst Daniel Schwarz.
Die von Bloomberg bis Mittwoch befragten Analysten schätzen den noch offenen Nettogewinn bei Volkswagen für das vergangene Jahr im Schnitt auf rund 6,5 Milliarden Euro. 2021 dürfte ihnen zufolge der Umsatz um rund 10 Prozent auf 244 Milliarden Euro steigen. Das operative Ergebnis würde mit 15 Milliarden Euro eine Marge von gut 6,1 Prozent bedeuten.
Die in diesem Jahr im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten sind überwiegend positiv gestimmt, was die weitere Aktienentwicklung angeht. Sie haben im Schnitt ein Kursziel von um die 190 Euro und damit rund 20 Euro mehr als derzeit. Bei 9 Kaufempfehlungen und 4 Empfehlungen zum Halten der im Dax notierten Vorzugsaktie gibt es unter ihnen kein Verkaufsvotum.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die VW-Vorzugsaktie büßte im Corona-Jahr 2020 mehr als 13 Prozent ihres Wertes ein. Derzeit steht das Papier mit rund 170 Euro aber wieder leicht über dem Niveau von vor dem Corona-Crash, der die Aktienmärkte vor rund einem Jahr mit voller Wucht erfasst hat.
Im Corona-Tief war der Kurs der VW-Vorzugspapiere bei unter 80 Euro sogar unter das Dieselkrisentief von gut 86 Euro im Herbst 2015 gerutscht. Vor allem mit dem Aufschwung seit Anfang November, als der Kurs bei rund 130 Euro dümpelte, hat das Papier Boden gutgemacht. Das Hoch aus dem Frühjahr 2015 bei über 260 Euro ist aber nach wie vor in weiter Ferne.
Damit ist das von Diess ausgerufene Ziel, den Marktwert des Konzerns an die Marke von 200 Milliarden Euro heranzuführen, bislang nur ein Wunschtraum der Anleger. Vielmehr fokussieren sich die großen Profi-Investoren im Autobereich derzeit eher auf Tesla, auch wenn die scharfen Kursrückgänge bei Tech-Aktien in den vergangenen Tagen auch die Kalifornier trafen. Der Elektroautopionier hat zuletzt bereits bewiesen, dass er mit den Batterieautos Geld verdienen kann - wenn auch viel Geld mit dem Handel von CO2-Emissionsrechten ins Haus kam.
Volkswagen ist an der Börse derzeit rund 91 Milliarden Euro wert, zusammen mit Daimler (rund 70 Mrd) und BMW (rund 46 Mrd) kommen die drei großen deutschen Autokonzerne auf 207 Milliarden Euro Marktkapitalisierung.
Zum Vergleich: Der US-Elektroautopionier Tesla bringt es nach einer beispiellosen Rally trotz der Kursverluste in den vergangenen Tagen derzeit auf umgerechnet rund 540 Milliarden Euro - und damit mehr als doppelt so viel wie alle deutschen Autokonzerne zusammen. Auch Toyota Motor aus Japan steht in der Gunst der Anleger weit besser da: 26 Billionen Yen entsprechen rund 202 Milliarden Euro.
/men/nas/zb
WOLFSBURG (dpa-AFX)
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