DAX-Rally: Diese Aktien gehören jetzt ins Depot
Genau 1.143 Analystenreports kursieren zu den 30 Werten des Deutschen Aktienindex. €uro am Sonntag hat sie ausgewertet. Auf welche Aktien die Profis aktuell setzen.
Werte in diesem Artikel
von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Masse ist Macht. Kein Konzern in Deutschland demonstriert das so eindrucksvoll wie Volkswagen. Über zehn Milliarden Euro Nettogewinn dürfte Europas größter Autokonzern in diesem Jahr erwirtschaften - mehr als jedes andere Unternehmen im Deutschen Aktienindex. Entsprechend gut sind Anleger mit der Volkswagen-Aktie gefahren: Über die vergangenen fünf Jahre hat sich der Börsenwert vervierfacht. Geht es nach den Analysten der Credit Suisse, wird die Rally fortgesetzt: 300 Euro rufen die Schweizer als Kursziel für die Vorzugsaktie auf - das wären über 50 Prozent mehr als der aktuelle Aktienkurs.
Ähnlich offensiv sind einige Prognosen für die Aktie der Deutschen Bank: Bis 43 Euro reichen die Kursziele für den von Skandalen erschütterten Frankfurter Finanzriesen - das verspricht Kursgewinne von bis zu 55 Prozent. Übertroffen werden diese Ziele im DAX nur von einer Prognose zur Commerzbank-Aktie: Bankhaus Metzler sieht auf aktuellem Niveau die Chance auf fast 70 Prozent Kursplus.
DAX extrem. Erstmals seit seiner Gründung hat Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer die Marke von 10.000 Punkten durchbrochen. Allein seit dem Paniktief im Herbst 2011 hat sich der Börsenwert des Index verdoppelt.
Getrieben werden die Kurse von der offensiven Geldpolitik der Notenbanken: Weil sich mit klassisch defensiven Investments kaum noch Geld verdienen lässt, steigt die Risikofreude der Investoren und damit die Nachfrage nach Aktien. Es gibt aber auch nachhaltige Argumente: Nachdem die USA die große Finanzkrise bereits weitgehend überwunden haben, verdichten sich jetzt auch die Signale für eine Konjunkturerholung in Europa. Das spricht für weiter steigende Konzerngewinne und würde höhere Aktienkurse rechtfertigen.
Angesichts neuer Rekordstände kämpfen nicht nur Privatanleger, sondern auch einige Profis mit Höhenangst: So sehen die Strategen der Landesbank Helaba "angesichts hoher Bewertungen, verhaltener Gewinnperspektiven und technischer Überhitzung" eine "erhöhte Rückschlagsgefahr". Andere sind optimistischer. Die Bank M.M. Warburg hält bis Ende des kommenden Jahres einen DAX-Stand von 12.000 Punkten für machbar.
Historische Rekordjagd
€uro am Sonntag hat die historische Rekordjagd zum Anlass genommen, das Kurspotenzial der wichtigsten deutschen Aktien im Detail unter die Lupe zu nehmen. Mithilfe der Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg hat die Redaktion mehr als 1.100 Analystenurteile zu den 30 Mitgliedern des DAX untersucht - die Ergebnisse sind durchaus überraschend.
Wichtigste Erkenntnis: Die Börsenprofis erwarten weiter steigende Kurse. Trotz spektakulärer Einzelmeinungen sind die Kursziele aber eher verhalten. Durchschnittlich sechs Prozent trauen die Profis den Titeln im DAX zu. Immerhin zehn Aktien haben auf Basis der Konsensschätzung, also dem Durchschnitt aller Analystenschätzungen, mehr als zehn Prozent Aufwärtspotenzial - Adidas, Allianz, Deutsche Bank, Deutsche Post, Fresenius, FMC, Lanxess, Lufthansa, SAP und VW. Bei fünf Werten ist die Erwartung negativ.
Die konkreten Ziele für die einzelnen Aktien sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Erfahrung zeigt, dass Analysten bei deren Berechnung sehr flexibel sind. Kursziele werden anhand komplexer Rechenmodelle ermittelt, etwa dem "Discounted Cashflow". Dabei werden die erwarteten Erträge eines Unternehmens auf den aktuellen Bewertungsstichtag hin abgezinst. In der Theorie ist das ein vernünftiger Ansatz. Rechenmodelle sind aber nur so gut wie die Basisdaten, mit denen sie gefüttert werden.
Die Tücken des Systems
In der Praxis laufen viele Analysten den Kursen hinterher: Steigt die Notierung, wird das Ziel nachgezogen. Geht es an der Börse nach unten, wird entsprechend das Kursziel reduziert. Ein großer Abstand zwischen dem aktuellen Aktienkurs und den Kurszielen hat damit womöglich einen ganz banalen Grund: Analysten haben ihre Daten noch nicht angepasst. Anleger sollten Kursziele daher eher als Etappenziele interpretieren.
Aussagekräftiger sind konkrete Handlungsanweisungen, denn die grundsätzliche Einschätzung eines Analysten ändert sich nicht so schnell wie ein Kursziel. Und: Die Urteile haben an der Börse Gewicht. Schließlich richten sich viele Investoren nach den Ratschlägen ihres Beraters. Vor allem wenn eine große Bank ihr Urteil zu einem Unternehmen ändert, bewegt das den Kurs.
Die Auswertung für den DAX zeigt: 45 Prozent der Analystenurteile sind Kaufempfehlungen. Die Stimmung ist also zuversichtlich, aber keineswegs euphorisch. Der Anteil der Verkaufsempfehlungen ist mit 15 Prozent deutlich niedriger. Drei Aktien stechen durch einen besonders hohen Anteil an Kaufempfehlungen hervor: Daimler und, etwas überraschend, Adidas und Allianz. Sie werden von knapp 70 Prozent der Börsenprofis zum Kauf empfohlen.
Daimler-Aktionäre litten viele Jahre unter den Fehlentscheidungen des Managements - die unselige "Hochzeit im Himmel" mit dem US-Konzern Chrysler, unattraktive Modelle, auch die verschlafene Expansion nach China sorgten immer wieder für Bremsspuren. Seit einem Jahr aber stimmt der Fahrtrichtung: Daimler profitiert von einer jungen Flotte. Auch in China, dem inzwischen wichtigsten Markt, holen die Schwaben auf.
Lieblinge und Problemfälle
Komplizierter ist die Lage bei der Allianz. Niedrige Zinsen machen es dem Versicherer schwer, eine ordentliche Rendite auf seine Kapitalanlagen zu erwirtschaften. Auch Pimco, eigentlich das Prunkstück des Konzerns, bereitet Sorgen: Die Finanzprodukte der Vermögensverwaltung haben zuletzt enttäuschende Resultate geliefert.
Dennoch: Die Bewertung der Allianz-Aktie mit einstelligem Kurs-Gewinn-Verhältnis ist günstig, die Dividendenrendite von rund 4,5 Prozent eine der höchsten im DAX.
Gar nicht gut läuft es beim dritten Analystenliebling: Der Sportartikelkonzern Adidas ist stark in Schwellenländern und damit anfällig für Währungsschwankungen. Da der Euro im Vergleich zu kleineren Währungen wie dem russischen Rubel deutlich an Wert verloren hat, bleibt gegenwärtig auf Eurobasis weniger in der Adidas-Bilanz hängen. Grundsätzlich aber bewegen sich die Franken in einem angenehmen Umfeld: Steigendes Gesundheitsbewusstsein in der westlichen Welt und das Wachstum der Schwellenländer bieten langfristig Raum für neue Rekorde in den Geschäftszahlen.
Auch innerhalb einzelner Branchen haben die Analysten auf Basis der Kaufempfehlungen klare Favoriten: Bei den Autowerten sehen die Profis mehr Antrieb bei Daimler als bei BMW. Unter den Konsumgütern kommt Henkel besser weg als Beiersdorf, im Pharmasektor Bayer besser als Merck. Bei den Finanzwerten dominiert mit Ausnahme der Allianz eher Skepsis.
Nicht immer stimmen die Einschätzungen der Analysten mit der Meinung von €uro am Sonntag überein. Bei den Finanzwerten etwa schneidet die Munich Re nach Einschätzung der Redaktion zu schlecht ab. Trotz Margendruck bei den Rückversicherern sollten die Münchner ihre Dividende auf hohem Niveau halten können. Mehr als viereinhalb Prozent sind im aktuellen Zinsumfeld eine attraktive Größe.
Auch mit Blick auf die BASF-Aktie, die auf weniger als 50 Prozent Kaufempfehlungen kommt, ist die Redaktion optimistischer als die Analystenmehrheit. Wie fast alle DAX-Werte ist die BASF-Aktie nicht mehr günstig. Als weltgrößter Chemiekonzern sollten die Ludwigshafener aber überproportional von einer Konjunkturerholung profitieren. Insgesamt ergeben die Prognosen der Profis ein ausgewogenes Bild: Ein Depot der fünf Analystenlieblinge würde mit Allianz, Daimler, Adidas, Bayer und Fresenius verschiedene Branchen mit einer insgesamt eher defensiven Ausrichtung abdecken.
Analysten im Test
Welchen Wert aber haben Analystenempfehlungen? Auch die Profis in den Banken und Analysehäusern sind keine Hellseher. Hartgesottene Anleger wissen, dass es sinnvoll sein kann, gegen den Strom zu schwimmen und auf die von der Masse verschmähten Aktien zu setzen. Ganz so einfach ist es in der Praxis aber nicht, wie ein Stichprobe zeigt.
Im Februar vergangenen Jahres hat die Redaktion zuletzt die Empfehlungen der Analysten für den DAX ausgewertet. Die fünf Lieblinge der Profis, errechnet anhand des Anteils der Kaufempfehlungen, waren damals Volkswagen, Allianz, Fresenius, SAP und Continental. Gleichgewichtet haben sie seitdem inklusive Dividende 37 Prozent an Wert gewonnen. Damit waren die Analystenlieblinge immerhin sechs Prozentpunkte besser als der DAX. Die Überrendite geht hier auf das Konto von Continental.
Drastischer ist die Entwicklung der ungeliebten Aktien: Beiersdorf, Eon, RWE, Commerzbank und Merck hatten im Februar 2013 die mit Abstand wenigsten Freunde. Dieses Portfolio hat in einem steigenden Gesamtmarkt lediglich 23 Prozent Wertzuwachs gebracht - also deutlich weniger als die Analystenlieblinge und ebenfalls schlechter als der DAX.
Bei den meisten der damals verpönten Anteilscheine sind viele Analysten noch immer kritisch: Für Eon, RWE, Merck kann sich nicht einmal jeder vierte zu einer Kaufempfehlung durchringen. Ähnlich kritisch ist die Haltung zur Munich Re und zu K + S.
Investor-Info
BASF
Wachstum und Dividende
Die Wachstumsaussichten des Chemiekonzerns verbessern sich mit der allgemeinen Wirtschaftslage. Die Expansion in Bereiche der Spezialchemie und ein Sparprogramm steigern die Marge. Im Branchenvergleich ist die Aktie nicht überteuert. Analysten dürften ihre Kursziele bald anheben. BASF bleibt als Mischung aus Wachstums- und Dividendenwert ein Basisinvestment.
Daimler
Auf der Überholspur
Ein schwungvolles Comeback liefert der schwäbische Autokonzern. Die Schwächen, vor allem in China, werden an der Börse inzwischen als Chance auf Wachstum gesehen. Auch die moderne Flotte hilft. Die Dividendenrendite der Aktie ist mit steigenden Kursen geschrumpft, liegt aber noch immer über dem DAX-Durchschnitt. Das Kurspotenzial ist noch nicht ausgereizt.
Infineon
Konjunkturgewinner
Das Geschäft der Halbleiterindustrie hängt stark an der allgemeinen Wirtschaftslage. Positive Signale aus der für Infineon wichtigen Autobranche sprechen für die Aktie des Münchner Chipkonzerns. Auch das Geschäft mit Industriekunden zieht an. Kurse am oberen Ende der Analysten-Kurszielspanne von sechs bis elf Euro sind realistisch. Die Aktie gehört zu den riskanteren Titeln im DAX.
ThyssenKrupp
Heiße Wette
Mehr als fünf Milliarden Euro Nettoverlust erwirtschaftete der Stahlkonzern in den vergangenen beiden Jahren. Entsprechend selten sind Kaufempfehlungen von Analysten für die Aktie. 2014 aber soll ThyssenKrupp der Sprung in die Gewinnzone gelingen. In solchen Phase legen Aktienkurse oft deutlich zu. Eine Aktie nur für mutige Anleger.
Bewertung
Kurse und Wirklichkeit
Die Gewinne eines Unternehmens sind wichtigster Kurstreiber für eine Aktie. Da an der Börse die Zukunft gehandelt wird, orientieren sich Anleger an der Gewinnerwartung, meist jener für die kommenden zwölf Monate. Dasselbe Prinzip gilt für einen Aktienindex. In der Euphorie der Jahrtausendwende stieg der DAX deutlich stärker als die erwarteten Unternehmensgewinne. Anleger waren also übertrieben optimistisch. Mit dem harten Crash der Jahre 2000/2001 wurde die Überbewertung korrigiert. Seitdem verlaufen die Kurskurve des DAX und die Gewinnerwartung an die Mitglieder des Index in etwa im Einklang. Aktuell erscheint der DAX weder maßlos überteuert noch billig.
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19.11.2024 | Bayer Hold | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
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